Klaus Justen | 18.06.2024
Beim Volkswagenkonzern wird es keinen Strategiewechsel geben. Es werden keine Entwicklungsbudgets aus dem Bereich Elektromobilität abgezogen, um neue Verbrenner zu entwickeln, dementiert der Konzern entsprechende Berichte.
Die Nachricht machte zuerst in Fachmedien die Runde, dann in den tagesaktuellen Print- und Onlinemedien und schliesslich in Social Media. Dort wurde die Aussage von Konzern-Finanzchef Arno Antlitz, das Wolfsburger Unternehmen werde bis 2028 insgesamt rund 180 Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Fahrzeuge und Technologien investieren und davon rund ein Drittel auch in Verbrennermodelle, von etwas schlichteren Gemütern als "Sieg der Vernunft bei VW" und als "Abkehr von der Sackgasse Elektromobilität" gefeiert.
In der Tat wäre es bemerkenswert, wenn VW sein Budget für die Entwicklung neuer – und vor allem kostengünstiger – Elektroautos und die immer wichtiger werdende Digitalisierung – bei der der Hersteller ja eingestandermassen noch Verbesserungspotenzial hat – zusammenstreichen und dafür lieber neue TSI- und TDI-Motoren entwickeln würde. Nur: Diese Umschichtung gab es nicht.
Bereits im Konzern-Bericht der Volkswagen-Group vom März 2023 heisst es:
- Der Konzern plant zwischen 2023 und 2027 Investitionen in einer Gesamthöhe von 180 Milliarden Euro in die attraktivsten Profit-Pools und Regionen; mehr als zwei Drittel davon für Elektrifizierung und Digitalisierung.
CFO Arno Antlitz wurde in dieser Medienmitteilung zur Jahresbilanz ebenfalls zitiert: „Wir wollen im laufenden Jahr erneut eine robuste Rendite erwirtschaften. Unsere starke finanzielle Basis versetzt uns dabei in die Lage, auch in einem fordernden wirtschaftlichen Umfeld fortgesetzt in die Elektrifizierung und Digitalisierung unseres Unternehmens zu investieren.“
Auf einem Event in München, das vom Fachblatt Automotive News zitiert wurde und Ausgangspunkt der Strategiewechsel-Nachrichten war, sagte Antlitz dann im vergangenen Monat diesen Satz:
Meanwhile, one-third will “still be allocated to keeping our combustion cars competitive,” VW Group CFO and COO Arno Antlitz said at a Reuters event in Munich last month. “The future is electric, but the past is not over,” Antlitz said. “It is a third and it will stay a third.”
Ein Drittel werde "weiterhin dafür verwendet, unsere Verbrennungsfahrzeuge wettbewerbsfähig zu halten", sagte Arno Antlitz, Finanzvorstand und COO des VW-Konzerns, letzten Monat auf einer Reuters-Veranstaltung in München. "Die Zukunft ist elektrisch, aber die Vergangenheit ist noch nicht vorbei", sagte Antlitz. "Es ist ein Drittel und es wird ein Drittel bleiben."
Nun kann man den Betrag von 60 Milliarden Euro Entwicklungsbudget in fünf Jahren für die Verbrennerplattformen viel finden. Unstreitig ist aber auch, dass aktuell zumindest noch mit den Verbrennermodellen das Geld verdient wird, um die Antriebswende zu finanzieren. Aktuell ist knapp jedes vierte Modell, das von den Montagebändern bei VW läuft, ein elektrisches Fahrzeug. Das deckt sich mit den Zahlen, die das deutsche Statistische Bundesamt für die gesamte Automobilindustrie des Nachbarlandes ermittelt hat: Im vergangenen Jahr wurden fast 800'000 Elektroautos in Deutschland produziert und exportiert, das ist inzwischen jedes vierte exportierte Auto. Damit stieg diese Zahl innerhalb von zwei Jahren um über 160 Prozent – Elektrofahrzeuge werden also ein immer gewichtigerer Faktor in der vom Export abhängigen deutschen Autoindustrie.
In einer Stellungnahme des VW-Konzerns gegenüber dem deutschen Automagazin Autobild unterstrich der Wolfsburger Hersteller seine Position: "Unsere Investitionen orientieren sich am Wettbewerb: Wir investieren weiter in die Elektrifizierung und Digitalisierung unserer Produktpalette und halten gleichzeitig unsere Verbrennerfahrzeuge in der Umstiegsphase wettbewerbsfähig."
Wie sich die Investitionen in den kommenden Jahren aufteilen, hatte VW bereits 2023 skizziert. "Insgesamt plant der Konzern zwischen 2023 und 2027 Investitionen in Höhe von 180 Milliarden Euro in die attraktivsten Profit-Pools. Dazu gehört insbesondere die Batteriestrategie des Konzerns, der Ausbau der Präsenz in Nordamerika, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in China im Bereich Digitalisierung und bei den Produkten sowie die Weiterentwicklung des führenden Produktportfolios des Konzerns. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Investitionen werden in die Zukunftsfelder Digitalisierung und Elektrifizierung fließen. In der vergangenen Fünfjahresplanung waren es noch 56 Prozent. Bereits 2025 soll jedes fünfte verkaufte Fahrzeug weltweit über einen reinen Elektroantrieb verfügen. Ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Gesamtinvestitionen sind die bis zu 15 Milliarden Euro für den Aufbau von Zellfabriken des Batterie-Start-ups PowerCo und Vorleistungen für dessen Rohstoffsicherung im Rahmen der Umsetzung der Batteriestrategie. Bis 2030 soll die PowerCo einen Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Euro erwirtschaften. Hinzu kommen die laufenden Investitionen in die letzte Generation von Verbrennungsmotoren. Der Höhepunkt der Investitionsleistungen soll 2025 erreicht sein und danach kontinuierlich sinken."
Wichtig der letzte Satz: Die Investitionen in die letzte Generation Verbrennermotoren werde ab 2025 kontinuierlich sinken.