Aus für das «Verbrenner-Aus»: Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen

Klaus Justen | 17.12.2025

So richtig zufrieden ist niemand mit den Vorschlägen der EU-Kommission, wie es nach 2035 mit dem Verkauf von Verbrenner-Neufahrzeugen weitergehen soll. Während Fans von Diesel und Benziner auf eine Aufhebung des so genannten «Verbrenner-Aus» gehofft hatten, sehen Umweltverbände eine Aufweichung der Klimaziele.

P90316788 high Res the v8 engine for th

Motorenproduktion bei BMW

Die EU-Kommission hat mit ihren Plänen auf den Dauerdruck gerade aus der konservativen deutschen Politik reagiert. Angesichts der aktuellen Absatzkrise der deutschen Premiumhersteller fordern Unionspolitiker wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seit Monaten, das «Verbrenner-Aus» 2035 zu lockern oder ganz zu eliminieren. Dass die deutschen Autohersteller gerade auf dem chinesischen, elektrisch dominierten, Markt Probleme haben, wird dabei ausgeblendet.

Die EU-Kommission hat nun Vorschläge vorgelegt, wie die Regelungen ab 2035 modifiziert werden könnten. Erste Reaktionen darauf zeigen allerdings, dass gerade die konservative Seite im Europäischen Parlament damit unzufrieden ist. Sowohl das Parlament als auch die Mitgliedsstaaten müssen der Änderungen der bestehenden Rechtslage noch zustimmen. Man darf also davon ausgehen, das noch bis zum Ende der Diskussion Kompromissvorschläge eingebracht werden.

Auch die deutsche Autoindustrie wird dabei nicht untätig bleiben, bislang ist sie von den Kommissionsvorschlägen nur bedingt begeistert. Auch ein komplettes Scheitern der Vorschläge ist möglich, dann bliebe es bei der bisherigen Rechtslage.

Erste Reaktionen auf die EU-Vorschläge

Die ersten Reaktionen in der Schweiz auf die Kommissionsvorschläge sind positiv. Peter Grünenfelder, Präsident von Auto-Schweiz, sagt: «Es ist ein Irrweg, die Klimaziele im motorisierten Verkehr per staatlichem Dekret allein über Elektromobilität ohne unterstützende Rahmenbedingungen erzwingen zu wollen. Die EU-Kommission hat dies erkannt und ihren Kurs korrigiert.» Auch in Bundesbern brauche es mehr Realitätsbewusstsein und vor allem auch eine politische Unterstützung der Schweizer Autowirtschaft.

Anders sieht man es beim Branchenverband VDA (Verband der Automobilwirtschaft} in Deutschland. Der VDA ist nicht nur «enttäuscht», sondern nennt das Gesamtpaket sogar «fatal». Die Technologieoffenheit sei nicht mehr als ein Lippenbekenntnis, heisst es in einem Statement von Verbandspräsidentin Hildegard Müller. Was nach mehr Offenheit aussehe, sei mit so vielfältigen Hürden versehen, dass es drohe, in der Praxis wirkungslos zu bleiben. Dabei kritisiert Müller neben einem Zuwachs an Bürokratie besonders, dass die Autoindustrie bei der CO2-Reduzierung an Bedingungen gebunden werden, die sie selbst nicht beeinflussen kann. Weder die Verfügbarkeit von grünem Stahl noch von grünem Kraftstoff ist aus ihrer Sicht mittelfristig sicher und planbar. Die E-Autoquoten für Flotten nennt Müller «völlig realitätsfremd».

Auch die Umweltverbände sind nicht zufrieden. Die Kehrtwende beim CO2-Ziel für 2035 sende ein verwirrendes Signal an die europäische Automobilindustrie und die Verbraucher, so der europäische Umweltschutz-Dachverband «Transport & Environment», der weitere Verzögerungen beim Hochlauf der E-Mobilität befürchtet. Die Entscheidung wird seiner Einschätzung nach Investitionen von der E-Mobilität abziehen, obwohl europäische Hersteller dringenden Aufholbedarf gegenüber chinesischen Herstellern haben.

Ähnlich argumentieren auch Branchenexperten. «Das setzt die Hersteller und die Zulieferer unter Druck. Sie müssen eine gewisse Doppelstrategie fahren. Sie müssen sowohl im Bereich der Verbrenner aktiv bleiben, und sie müssen die Elektromobilität mit noch grösserem Druck weiter verfolgen», erklärte etwas Benedikt Maier, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, gegenüber dem Südwestrundfunk. Stefan Bratzel, Direktor des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM), glaubt, dass die Elektromobilität global «massiv an Bedeutung gewinnen» werde. Die Aufweichung des «faktischen Verbrennerverbots» mache deshalb «gar nicht so viel Unterschied.

Gegen eine Aufweichung der CO2-Pläne haben sich auch einzelne Hersteller wie Volvo oder der CEO des schwedisch-chinesischen Unternehmens Polestar ausgesprochen. Michael Lohscheller: «Ein 2035 gebautes Auto mit Verbrennungsmotor könnte auch zwanzig Jahre später noch die Umwelt verschmutzen. Die Abkehr von einem klaren 100-prozentigen Null-Emissions-Ziel hin zu einem 90-prozentigen Ziel mag gering erscheinen, aber wenn wir jetzt einen Rückzieher machen, schaden wir nicht nur dem Klima. Wir schaden auch der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Die Elektrifizierung wird in den kommenden Jahrzehnten für langfristigen Wohlstand und Arbeitsplätze sorgen. Eine Kehrtwende würde das Gegenteil bewirken.»

Das sind die Vorschläge der EU-Kommission im Detail

Welche Verbrenner dürften nach 2035 noch verkauft werden?
Die EU-Kommission spricht explizit von allen aktuell gängigen Varianten: «Plug-in-Hybride, Range Extender, Mild-Hybride und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor». Der Hebel der Regulation ist auch kein technischer, sondern er läuft über den CO2-Ausstoss. Dürfen die in der EU verkauften Neuwagen jedes Herstellers nach aktuellem Stand ab 2035 gar kein CO2 mehr ausstossen, darf nach den neuen Plänen zumindest ein Teil weiterhin Klimagase in die Luft pusten. Anstelle der 100-prozentigen Reduzierung ist auf Flottenebene nur noch eine 90-prozentige nötig, die Differenz soll in der Gesamt-Klimabilanz der Branche durch die Verwendung von grünem Stahl und synthetischem Treibstoff ausgeglichen werden. Wie das genau funktionieren soll und bilanziell gerechnet wird, ist allerdings noch vollkommen offen.

Wie sollen E-Autos günstiger werden?
Um den Einstieg in der E-Mobilität zu erleichtern, soll eine neue Fahrzeugklasse etabliert werden mit einer Länge von maximal 4.20 Metern– also mehr oder weniger klassische Kleinwagen. Kostenvorteile sollen offenbar vor allem durch laxere Vorgaben bei der Sicherheitsausstattung entstehen – beispielsweise durch ein Festschreiben aktueller Standards für einen längeren Zeitraum. Aber auch hier gilt: Details sind weitgehend noch unklar.

Was ist mit E-Fuels?
Das EU-Paket sieht vor, Biokraftstoffe und E-Fuels zu fördern. Dass E-Fuels eine grosse Rolle für Personenwagen spielen wird, bleibt mangels Verfügbarkeit, Kosten und Problemen bei der Sicherstellung der Nachhaltigkeit seiner Ausgangsprodukte zweifelhaft. Die von der deutschen FDP vor einigen Jahren ins Spiel gebrachten E-Fuel-Only-Autos (CNF-Fahrzeuge) spielen in den Vorschlägen keine Rolle mehr – wohl auch, weil eine sinnvolle und betrugssichere technische Umsetzung nur schwer möglich wäre.

Was ist für gewerbliche Fahrzeuge vorgesehen?
Als eine Art Gegengewicht zu den generellen CO2-Vorgaben für Verbrenner, die den E-Auto-Hochlauf tendenziell ausbremsen könnten, plant die EU E-Auto-Quoten für grosse Dienstwagenflotten. Je nach Wirtschaftskraft des Marktes sollen sie unterschiedlich hoch ausfallen, für Deutschland dürften sie 100 Prozent betragen. SP-X/AR

Foto: BMW

Kommentare

Keine Kommentare