Dongfeng – Und CO₂-neutral rascheln leise die Schilfwäldchen
Peter Ruch | 16.05.2024
Hintergrund Der chinesische Staatskonzern Dongfeng öffnete zum ersten Mal seine Tore für ausländische Journalisten.
In der ganz neuen Fabrik von Mengshi wird noch viel Handarbeit
geleistet. Doch es soll Qualität auf Premiumniveau geboten werden.
Die Frage des deutschen Journalisten war irgendwie symptomatisch: «Wie will denn Voyah 500 kW Ladegeschwindigkeit schaffen, wenn Porsche maximal auf 320 kW kommt?» Der Marketingchef von Voyah schaute etwas irritiert, gab die Frage weiter an seinen Technikchef, der nur wenig Englisch verstand, aber nach der Übersetzung kurz mit den Schultern zuckte, lächelte, dann in etwa dies sagte: «Das ist kein Problem, das ist derzeit noch eine Frage der Infrastruktur. Aber das wird noch diesen Sommer gelöst, im nächsten Jahr werden wir sicher 600 kW haben, wahrscheinlich sogar 800. Das Ziel ist vom Staat vorgegeben, 1000 kW, dafür werden die Ladesäulen auf 1250 Ampère abgesichert, damit dürfte das Thema Ladegeschwindigkeit dann vom Tisch sein. Was unsere Konkurrenten machen, darf ich nicht kommentieren, aber für uns als staatlicher Konzern sind die Vorgaben klar.» Dann blickte er noch einmal kurz auf: «Für Lastwagen müssen die 1000 kW Ladegeschwindigkeit schon 2025 möglich sein.»
Spitzenleistungen
Gerne erklären wir noch einmal die Berechnung. Die Leistung (Watt, W) wird errechnet, indem man Spannung (Volt, V) mit Strom (Ampère, A) multipliziert. Anders ausgedrückt: Die Spannung ist der Wasserdruck, der Strom die Grösse des Wasserhahns – mehr Wasser durch einen grösseren Hahn füllt die Badewanne schneller. Die aktuellen (europäischen) Schnelllader sind technisch auf 500 Ampère begrenzt, das ergibt bei den meisten E-Autos 400 V×500 A=200 000 W (200 kW). Bei einem 800-Volt-Bordnetz ergibt die Rechnung 800 V×500 A=400 kW. Die neuen chinesischen Schnelllader ertragen nun aber, wie erwähnt, 1250 Ampère, deshalb steigt die Ladegeschwindigkeit auf 800 V×1250 A=1000 kW. Neuere chinesische E-Plattformen basieren schon auf 900-Volt-Architekturen, was zur Folge hat, dass sie ihre Spitzenleistung beim Laden länger halten können, nicht bloss auf einen publikumswirksamen, aber kurzzeitigen Peak ausgerichtet sind. Der weltweit wichtigste Batteriehersteller Catl hat kürzlich an der Auto China in Peking (s. AR 18/2024) einen günstigen, standfesten LFP-Akku vorgestellt, der die erwähnten Ladegeschwindigkeiten problemlos schafft. Und sich bereits in Produktion befindet.
Mit dem Box will Dongfeng in Europa unter eigenem
Namen antreten und den Stromer für rund 20 000 Franken anbieten können.
Der Voyah Dream verkauft sich in China bestens, im Reich der Mitte sind Luxusvans extrem gefragt.
Über welche Batterien die zukünftigen Voyah-Produkte
verfügen werden, wollten die Vertreter der Konzernmutter Dongfeng nicht
verraten. Aber man darf davon ausgehen, dass der Staatskonzern, 1969
gegründet, sicher auf das beste Material zurückgreifen kann. Das
Unternehmen aus Wuhan ist einer der weltgrössten Hersteller und
Exporteure von Militärfahrzeugen, da dürften die Verbindungen zur
Parteispitze ausgezeichnet sein. Und weil Dongfeng als einer der
ältesten und wichtigsten Autoproduzenten Chinas, vor allem als Partner
einst von PSA und Nissan, auch sehr viel Erfahrung im Autobau hat, ist
den Chinesen jederzeit zuzutrauen, dass sie technologische
Spitzenprodukte auf den Markt bringen. In Europa ist das Unternehmen
noch nicht so bekannt – weil kaum jemand weiss, dass es etwa den rein
elektrischen Dacia Spring entwickelt hat und auch produziert.
Interessante Plug-in-Hybride
Doch nun drängt auch dieser chinesische Hersteller
vermehrt auf den Weltmarkt. Schon im nächsten Jahr soll der Nammi EV1,
eine Weiterentwicklung des Dacia Spring, aber viel hübscher designt,
nach Europa kommen. Mit einer Preisskala, die wohl unterhalb von 20 000
Franken beginnt. Er wird wohl Dongfeng Box heissen, rein elektrisch etwa
300 Kilometer weit kommen – und fährt sich ganz anständig, wie wir auf
einer kurzen Probefahrt selber feststellen konnten. Auch innen ist er
alles andere als billig, es gibt aktuell europäische Stromer, die können
nichts besser, kosten aber das Doppelte. Überhaupt soll das
Dongfeng-Angebot kontinuierlich ausgebaut werden – das Modellangebot der
Marke in China ist gewaltig. Für Europa interessant dürften auch die
neuen Plug-in-Hybride mit Range-Extender werden, die rein elektrisch
über 200 Kilometer weit kommen.
An der Auto China zeigte Dongfeng einige neue Produkte,
spannend auf jeden Fall ein PHREV, also ein Plug-in-Hybrid mit
Range-Extender.
Der Mengshi M-Hunter ist kein Konzept, er geht so in Produktion.
Schon in der Schweiz angekommen ist die
Dongfeng-Premiummarke Voyah, als erstes Angebot gibt es den Free (s.
Test in AR 43/3023). Dazu kommt in absehbarer Zukunft der Passion (s.
Artikel r.) und vielleicht auch der Dream, ein grosser Luxusvan (Bild
u.). Mit erstaunlicher Offenheit führten die Verantwortlichen von Voyah
eine kleine Schar europäischer Journalisten durch die sehr modernen
Fertigungshallen in Wuhan, man kann keinen Unterschied zu europäischen
Produktionsanlagen erkennen – ausser vielleicht, dass eine fast schon
beängstigende Ruhe herrscht und die wenigen Arbeiter, die auf dieser
vollautomatisierten Fertigungsstrasse zugange sind, hochkonzentriert am
Werk sind.
Mit viel Natur
Noch einen Schritt weiter ist Dongfeng aber mit
Mengshi, einer weiteren Marke, die den in der Schweiz auch schon
erhältlichen M Hero 1 fertigt. In einem Aussenquartier von Wuhan wurde
dafür eine neue Fabrik erstellt, nach Konzernangaben die erste
CO2-neutrale Autoproduktion in China. Nachprüfen lässt sich das, wie so
manches in China, natürlich nicht, aber es ist gut vorstellbar, viel
natürliches Licht, der Strom wird von gewaltigen Fotovoltaikanlagen
erzeugt, allerorten ist es sehr grün, es rascheln die Schilfwäldchen.
Zwar können da derzeit nur maximal 20 Fahrzeuge pro Tag mit viel
Handarbeit gebaut werden, doch Mengshi will diese auf ein für China
bisher neues Qualitätsniveau bringen. Davon sollen dann auch die anderen
Dongfeng-Produkte profitieren.
Ja, es ist durchaus sehr eindrücklich, was Dongfeng zu
bieten hat. Selbstverständlich ist auch in China bei Weitem nicht alles
Gold, was zu glänzen scheint. Aber im Reich der Mitte lernen nicht nur
die Autohersteller sehr schnell – und dass man sich jetzt auch für
europäische Medien öffnet, darf als gutes Zeichen gesehen werden.
Nach der Freiheit die Leidenschaft
Mit dem Free bietet Voyah in der Schweiz bereits ein durchaus interessantes Fahrzeug an, ein SUV, selbstverständlich rein elektrisch. Vertrieben wird es über Noyo, eine Importgesellschaft in Rotkreuz ZG – bisher noch in sehr kleinen Dosierungen. Doch man ist zuversichtlich, dass sich das bald ändern wird, das Händlernetz wird kontinuierlich ausgebaut. Und vor allem sollen bald schon, wahrscheinlich noch in diesem Jahr, neue Produkte das Modellprogramm attraktiver machen.
Zuerst kommt sicher der Voyah Passion (Bild), eine optisch durchaus adrette Limousine von mehr als fünf Metern Länge. In China gibt es dieses Fahrzeug auch als PHEV mit einer Systemleistung von 287 kW (390 PS). Mit seinem 43-kWh-Akku kommt der Passion auf eine rein elektrische Reichweite von über 250 Kilometern, zusammen mit dem 1.5-Liter-Benziner, der seinen Saft aus einem 51-Liter-Tank bezieht, sollen über 1250 Kilometer möglich sein. Nach Europa wird aber vorerst wohl nur die Stromvariante kommen, die über eine 109-kWh-Batterie verfügt und bis zu 800 Kilometer weit kommen will. Selbstverständlich ist auch in China das Papier sehr geduldig, auf das solche Angaben gedruckt werden, doch mit einem cW-Wert von 0.225 ist der Passion sehr aerodynamisch gestaltet und wohl auch deshalb ziemlich sparsam.
Auf einer kurzen Proberunde auf dem Versuchsgelände von Voyah konnten wir zwar kein endgültiges Urteil über das Fahrverhalten der chinesischen Limousine fällen, doch Lenkung, Bremsen und Fahrwerk scheinen auf einem zeitgemässen Niveau zu sein, der Vorwärtsdrang des 375 kW (510 PS) starken Passion ist wie immer bei diesen Stromern beeindruckend. Das gilt auch für das Innenleben mit hochwertigen, sauber verarbeiteten Premiummaterialien. Ob der riesige Hyperscreen, der sich über fast die ganze Breite des Innenraums zieht, sehr übersichtlich ist, sei in Frage gestellt. Und trotzdem: Quasi aus dem Nichts stellt Voyah ein Fahrzeug auf die Strasse, das als Alternative zum VW ID.7 taugt. Über den Preis will der Schweizer Importeur noch nichts verlauten lassen.
Ob der Voyah Dream, ein 5.32 Meter langer Luxusvan, auch seinen Weg in die Schweiz findet, ist noch nicht ganz klar. Da will der Importeur abwarten, wie sich der Markt entwickelt, ob die unterdessen reichlich vorhandenen Konkurrenten von Lexus, Volvo und Zeekr auch tatsächlich Kundschaft finden. In China verkaufen sich Fahrzeuge in diesem Segment prächtig. PRU