Über eine Million Besucherinnen und Besucher gönnten sich 2023 einen Ausflug ins Verkehrshaus. In der aufgefrischten Halle Strassenverkehr kommen Autofans auf ihre Kosten.
Wiedervereint Paul Berger (r. und l.) und Peter Monteverdi (M.) stehen seit März im Verkehrshaus wieder gemeinsam inmitten ihrer Autos.
Verkehrshaus Luzern
Seit das Monteverdi-Automuseum in Binningen BL seine Tore geschlossen hat, ist das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern Hüterin der Stiftung Peter Monteverdi und deren Sammlung von Fahrzeugen und Artefakten. Zum letzten namhaften Autobauer der Schweiz gibt es in der Halle Strassenverkehr des Verkehrshauses eine Dauerausstellung im ersten Stock, die neu konzipiert und um einige Schwerpunkte ergänzt wurde.
Augenfälligstes neues Element ist ein grossflächiges Bild der High Speed Bar, eines Lokals im typischen Look der 1980er-Jahre, das Peter Monteverdi 1982 eröffnete. Ein Sofa in rotem Leder lädt nun dazu ein, etwas Zeit in der Monteverdi-Ausstellung zu verbringen, die lebensgrossen Abbildungen Peter Monteverdis und seines Partners Paul Berger stehen einem dabei zur Seite. Paul Berger, Monteverdis Lebens- und Sparringpartner sowie Doyen für das Werk des Basler Garagisten, Autobauers und Rennstallbesitzers, zeigte sich an der Eröffnung Anfang März sichtlich amüsiert über sein zweites Ich als Pappkameraden, Seite an Seite mit dem Mann, der sein Leben bedeutet. Neu ist auch eine Ecke zu den Geländewagen von Monteverdi – von SUV sprach in den 1970er-Jahren noch niemand –, als Peter Monteverdi die geniale Blitzidee hatte, die Sportwagenkrise im Nachgang des Ölschocks mit einer luxuriös modifizierten Version des International Scout zu überwinden, dem Monteverdi Safari. Sichtlich stolz schilderte Paul Berger, wie er am Genfer Autosalon zur Premiere des Scout am ersten Tag bereits 36 Bestellungen für das damals etwa 65 000 Franken teure Auto in der Tasche hatte. Ein weiterer Geniestreich Monteverdis steht fortan gleich neben dem Safari, ein Range Rover. Wie Berger bemerkte, war der damalige Hersteller British Leyland davon überzeugt, dass sich der Range nur als Zweitürer bauen liesse. Man darf allerdings auch vermuten, dass zu solch einer seit der Einführung des Range Rovers 1970 immer wieder geforderten Variante den Briten schlicht das Entwicklungsbudget fehlte. Peter Monteverdi aber legte selber Hand an, baute 167 Viertürer, die auch über das Land-Rover-Händlernetz verkauft wurden – zwei sogar an das englische Königshaus –, und überzeugte mit seinem Viertürer die Briten derart, dass sie ihm 1981 eine Lizenz abkauften und den Wagen fortan selber bauten.
Monteverdi Safari und viertüriger Range Rover als Antwort auf die Ölkrise
Diese und andere Geschichten können nun im ersten Stock der Halle Strassenverkehr zu Monteverdi erlebt werden. Es versteht sich, dass dazu auch die beiden ambitioniertesten Modelle des Binningers ausgestellt sind, der High Speed 375 und dessen Ableitung als Limousine, der Monteverdi 375/4, der es zur grossen Enttäuschung Peter Monteverdis und Paul Bergers nicht zur Bundesratslimousine schaffte. Neben der Limousine steht ein Monteverdi Sierra Cabriolet, gemäss Berger ein Auto, dem er nicht so viel abgewinnen konnte. Der Versuch, aus dem US-Grossserien-Mittelklassewagen Dodge Aspen einen europäischen Luxuswagen zu bauen, war von weit weniger Erfolg gekrönt als der Coup mit dem Safari einige Jahre davor.
Ein Unikat blieb der Monteverdi Sierra – auf Basis des Dodge Aspen – als Cabriolet.
Das Lieblingsauto von Paul Berger: Sein blauer Monteverdi High Speed 375L mit Karosserie von Fissore.
Gamechanger von VW
Vier Teile umfasste die grosse Sonderausstellung zu 75 Jahre Volkswagen in der Schweiz. Im letzten Teil stehen die aussergewöhnlichen Fahrzeug der Wolfsburger oder Derivate derselben im Mittelpunkt. Mit einer Show im Autotheater, dem automatisierten Lagerlift der Halle Strassenverkehr, der ausgewählte Fahrzeuge buchstäblich aus dem Regal zieht und auf die Drehbühne des Auditoriums stellt, werden zu sechs Exponaten Hintergründe und Geschichten mit Bild, Ton und Film erzählt. Dazu gehören etwa der Ursprung der Beach-Buggys, die Ende der 1960er-Jahre auch in der Schweiz populär wurden, und das Projekt der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem Werk in Wolfsburg von 1991, als eine kleine Flotte von zu Diesel-Hybriden umgebauten Golf 2 diese Technologie im Alltag auf die Probe stellte. Wie die Show erzählt, war die Batterietechnik damals noch nicht auf dem Stand für die vielen Lade- und Entladezyklen, dafür brachten die Erkenntnisse auf der Seite der Dieselmotoren den TDI-Direkteinspritzer ein gutes Stück vorwärts. Ebenso spannend sind die Ausführungen zum VW XL1 des Amag-Besitzers Martin Haefner. Sein Einliterauto, von dem nur 200 Stück gebaut wurden, gehört zu den am meisten im Alltag gefahrenen Exemplaren mit der höchsten Kilometerleistung überhaupt. Gar keinen Treibstoff braucht der 1979er-VW-T2b des Aarberger Garagisten Andreas Weibel, der einen 1.6-Liter-Transporter mit 50 PS in ein 120 PS starkes Elektrofahrzeug mit modernster Technik umbaute. «Jetzt hat er eine Reichweite von über 500 Kilometern statt zwischen 350 und 400 mit dem 40-Liter-Benzintank und beschleunigt in knapp zwölf Sekunden von null auf hundert statt in einer halben Ewigkeit», begegnete der Berner Seeländer kritischen Fragen. Steht der Wagen nicht im Verkehrshaus, so nutzt er ihn für ganz normale Transportaufgaben rund um seine Garage. Die VW-Sonderschau dauert noch bis Ende April.
Der ZARP war der erste in der Schweiz gebaute Formel-Vau-Rennwagen.
Das Einliterauto VW XL1 – es gehört Amag-Inhaber Martin Haefner – ist aktuell ein Teil der VW-Sonderschau im Autotheater.
Schweizer Rekordfahrer
1992 erhielt das Team Swissrocketman einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde für sein selbst gebautes Raketenfahrzeug Waterthunder. Dieser Dragster schaffte es in nur 2.5 Sekunden auf eine Rekordgeschwindigkeit von 343.52 km/h. Wie der Erbauer den Gästen eröffnete, bedeutet das eine Standardbeschleunigung von 0 bis 100 km/h in unglaublichen 0.72 Sekunden. Angetrieben wurde das sechsrädrige Geschoss von einer Wasserrakete. In einem Druckbehälter wurde Wasser auf 260 Grad aufgeheizt und erzeugte so einen Druck von 60 bar (über 900 psi). Sobald das überhitzte Wasser durch die Raketendüse auf Atmosphärendruck traf, wurde es zu Dampf und erzeugte in der Folge diesen gewaltigen Schub. Wie der damalige Fahrer Andy Ochsner ausführte, musste man sich der Sache sehr sicher sein: «Hatte man einmal den Knopf gedrückt, gab es kein Zurück. Der nervenaufreibendste Teil der rund 60 absolvierten Fahrten waren die rund zwei Sekunden zwischen dem Auslösen und der Reaktion der Dampfrakete. Danach fühlt es sich an wie ein gewaltiger Auffahrunfall, es wirken Beschleunigungskräfte von etwa 8 g auf den Körper.» Im Zug der Erneuerungen der Halle Strassenverkehr wurde auch dem Schweizer Motorradbau wieder eine eigene Fläche gegönnt.