Nach fast 60 Jahren im Lager: So wurde der erste Bentley T-Series fürs Museum aufbereitet

Automobil Revue | 10.09.2024

Der Wagen trägt die Fahrgestellnummer SBH1001, ist fast 60 Jahre alt und das älteste Modell der T-Serie aus dem Hause Bentley. Jahrzehntelang staubte es unter einer Abdeckung in einem Lager vor sich hin – bis es aus Zufall gefunden und nun für die Heritage Collection in Crewe restauriert wurde.

T Series 1

Die Standardlimousine in Shell Grey wurde als Erprobungsfahrzeug des Unternehmens eingesetzt und war in der ursprünglichen Presseberichterstattung nach der Modellvorstellung auf dem Pariser Salon de l'Auto 1965 zu sehen. Als der Wagen von Mike Sayer, Leiter der Bentley Heritage Collection, und Chief Communications Officer Wayne Bruce unter einer Abdeckung im Lager gefunden wurde, war er jahrzehntelang nicht mehr gefahren worden. „Die T-Serie ist eines der beiden letzten Puzzlestücke, die unsere verjüngte Heritage Collection vervollständigen“, betont Sayer. Bevor der Wagen aber ins Museum durfte, war einiges zu machen. Denn leider fehlten mehrere wichtige Teile, darunter die gesamte Innenausstattung. Die Bedeutung des Wagens als erstes Modell der T-Series – baugleich mit dem Rolls-Royce Silver Shadow –führte zu der Entscheidung, ihn wieder in Betrieb zu nehmen und dabei so viel wie möglich vom Originalfahrzeug zu erhalten.

Sayer: „Zusammen mit unserem T-Series Mulliner Coupe vervollständigt diese wiederbelebte Limousine die Geschichte des Bentley-Erbes der 1960er und 1970er Jahre und ist nun ein herausragendes Beispiel für das Modell, das als erster Bentley eine einheitliche Monocoque-Konstruktion verwendete.“

Die Restaurierung übernahm das Expertenteam von P&A Wood, das sich auf die Konservierung und Restaurierung klassischer Bentleys spezialisiert hat. Bei der Bestandsaufnahme erwiesen sich die Schlüsselelemente des Antriebsstrangs in einem überraschend guten Zustand. Der Motor erwachte nach 15 Jahren Stillstand zu neuem Leben und musste nur einer gründlichen Wartung unterzogen werden, und das Getriebe brauchte nur eine kleine Anpassung. Auch die Hinterachse war in einem guten Zustand und benötigte nur neue Dichtungen.

Fehlendes Armaturenbrett, unvollständiger Kabelbaum

Zu den grösseren Herausforderungen für das Team gehörten ein fehlendes Armaturenbrett, eine fehlende Innenverkleidung, ein Kabelbaum in Einzelteilen ohne detaillierten Schaltplan, Korrosion im Bereich des hinteren Hilfsrahmens und frühere Unfallreparaturen von schlechter Qualität. Da nur wenige Ersatzteile von der Stange erhältlich waren, beschaffte das Team ein Spenderfahrzeug, das sich am Ende seiner Lebensdauer befand. Da sich die Spezifikationen der T-Serie im Laufe der Jahre weiterentwickelt hatten, war es wichtig, dass es sich bei dem Spenderfahrzeug ebenfalls um ein frühes Modell handelte. Jedes Detail wurde besprochen und geprüft, bis hin zum korrekten Rolls-Royce-Logo auf den Sicherheitsgurtschlössern und dem Fehlen von Aussenspiegeln.

Die T-Serie verfügte über vibrationsdämpfende Vibrashock-Lager und eine hydropneumatische Zweikreis-Höhenverstellung, die alle gründlich überholt wurden. Alle Hydraulikschläuche wurden ersetzt, und einzelne Komponenten wie die Bremsverteilerventile wurden wieder voll funktionsfähig gemacht. Die Neuverkabelung und der Einbau des Armaturenbretts erwiesen sich als ein grosses Unterfangen, das viel Zeit und Ausdauer erforderte.

In der Zwischenzeit wurde die Lackierung entfernt, wobei schlecht ausgeführte Unfallreparaturen und ungleichmässige Fugen zum Vorschein kamen. Ein Heckflügel war korrodiert und musste ausgetauscht werden. Danach wurde das gesamte Fahrzeug mit mehreren Schichten 2K-Hochdruckgrundierung versehen, wobei jede Schicht nach dem Trocknen sorgfältig abgeschliffen wurde. „Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Blechkanten zu glätten, damit sie nicht wie aus Spachtelmasse herausgearbeitet aussehen“, erklärt Karosserieexperte Dave Lowe von P&A Wood. „Und obwohl wir moderne Zweikomponenten-Lacke verwenden, haben wir versucht, alles auf die alte Crewe-Art zu machen. Dazu gehörte ein abschliessender Schliff mit Schleifmittel der Körnung 8000 und anschliessendes maschinelles Polieren. Glänzende Teile und Stossstangen wurden gereinigt und poliert, aber nicht neu verchromt, um die ursprüngliche Patina zu bewahren.“

Zeitgenössisch originalgetreu wurde das alte Pressekennzeichen 1900 TU an den T-Series angeschraubt, nun wird er mit den 45 anderen Fahrzeugen der Sammlung auf dem Bentley-Campus in Crewe, England, dauerhaft ausgestellt – und das in einem fahrbereiten, strassenzugelassenen Zustand, damit er bei Bedarf gefahren werden kann.

Die Bentley T-Serie

1958 begannen die Arbeiten an der Konstruktion des ersten Monocoque-Fahrzeugs von Bentley und Rolls-Royce, das die auf einem separaten Fahrgestell basierenden Karosserien ersetzen sollte. Das Ergebnis war das Auto, das von Bentley als T-Series und von Rolls-Royce als Silver Shadow verkauft wurde.

1962 hatte John Blatchley, der für das Design des R-Type Continental bekannt war, ein neues Aussendesign für eine Monocoque-Karosserie aus Stahl und Aluminium fertiggestellt. Das Design verbesserte den Raum für die Passagiere des vorangegangenen S3, aber der Wagen war nun insgesamt sieben Zentimeter kürzer, fünf Zentimeter niedriger und dreieinhalb Zentimeter schmaler.

Mit dem neu entwickelten, 225 PS starken 6.23 Liter grossen V8-Motor wurden sieben Prototypen auf Herz und Nieren geprüft, unter anderem bei Dauerläufen von über 100‘000 Meilen. Zu dieser Zeit erreichte der Motor mit 1.2 kg/PS (2.7 lb/PS) die höchste spezifische Leistung im Verhältnis zum Gewicht aller Serienfahrzeuge der Welt. Zu den konstruktiven Neuerungen gehörten separate Hilfsrahmen für den Motor und das Getriebe, die Aufhängung, die Lenkung und die Hinterachse mit Vibrashock-Gummilagern, die entwickelt wurden, um Strassengeräusche und Vibrationen zu dämpfen.

Die relativ leichte Bauweise sorgte 1965 für beeindruckende Fahrleistungen eines Viersitzers, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 115 mph (185 km/h) und einer Beschleunigung von 0-62 mph ( gleich 100 km/h) in 10,9 Sekunden.

Von der ersten Generation der T-Serie wurden 1868 Exemplare produziert, mehrheitlich viertürige Standardlimousinen. Der Listenpreis lag bei 5425 Pfund vor Steuern – nach damaligem Wechselkurs knapp 66‘500 Schweizer Franken.

T Series 11

Fotos: Bentley

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