Elektrisches SUV der Oberklasse: Die Messlatte für den neuen Polestar 3 liegt hoch

Klaus Justen | 24.06.2024

Der Pole­star 3 erweitert 
mit reichlich Verzögerung die Modell­palette 
des Herstellers – und greift weit oben im Segment der sportlichen und luxuriösen elektrischen SUV an.

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Selbstbewusstsein lässt sich der schwedischen Tochter des chinesischen Geely-Konzerns nicht absprechen. «Die direkten Wettbewerber des neuen Pole­star 3 sind Modelle wie der BMW iX, der Audi Q8 e-tron oder der Porsche Cayenne», legte Polestar-CEO Thomas Ingenlath während der Fahrvorstellung des fast fünf Meter langen sportlichen Elektro-SUV die Messlatte nicht gerade niedrig an. Das klingt ambitioniert, allerdings wird es auch Zeit, dass Bewegung in die Modellpalette des Herstellers kommt – und damit auch in die Verkaufszahlen. Und zwar in die richtige Richtung.

Im vergangenen Jahr lieferte Polestar weltweit knapp 55 000 Autos aus, überwiegend Fahrzeuge der Limousine Polestar 2. Die Verkaufszahlen 2024 sehen nicht ganz so rosig aus, im ersten Quartal brachen die Verkaufszahlen auf etwas mehr als 7000 Stück ein, das ist ein Rückgang um rund 40 Prozent. Dass das Produktportfolio auf dem europäischen Markt so lange aus einem einzigen Modell bestehen würde, war nicht geplant – schon Ende 2022 hatte der Hersteller sein drittes Modell nach dem auf 1500 Exemplare limitierten Pole­star 1 und dem Pole­star 2 angekündigt. Corona-Nachwirkungen, Chipkrise, unterbrochene Lieferketten, Verzögerungen in der Entwicklung – am Ende war zumindest in China sogar noch das später lancierte Modell Pole­star 4 (das ebenfalls in den nächsten Wochen auch in Europa Premiere feiern wird) vor dem Pole­star 3 auf dem Markt. Womit übrigens auch die Nomenklatur des Herstellers erklärt wäre: Die Modelle werden schlicht und einfach durchnummeriert.

Nun aber steht der Pole­star 3 in den Startlöchern, und das zu einem Preis ab knapp 86 000 Franken. Das ist nicht unbedingt wenig Geld, aber im Vergleich zum BMW iX oder Audi Q8 e-tron doch schon fünfstellig weniger, wenn man eine vergleichbare Leistungsstufe ordert. Und locker 30 000 Franken unterhalb des Einstiegspreises für einen Porsche Cayenne, der dann auch nicht elektrisch angetrieben wird, sondern Old-School-mässig mit drei Litern Hubraum daherkommt.

Allradantrieb mit Torque Vectoring

Technisch basiert der Pole­star 3 auf der SPA2-Plattform, die von Volvo entwickelt wurde und auch Grundlage des eng verwandten Volvo EX90 ist. Gebaut wird das neue SUV in Werken des schwedischen Herstellers, der Pole­star 3 läuft erst im chinesischen Chengdu und dann in Ridge­ville im US-Bundesstaat South Carolina vom Band.

Zum Marktstart bringt Polestar das neue Modell in einer Antriebskonfiguration, die dank angeschärfter Software zwei Leistungsstufen bietet. Longe Range Dual Motor in der Modellbezeichnung verweist auf das Antriebskonzept mit jeweils einem permanenterregten Synchronmotor an Vorder- und Hinterachse, das dem Pole­star 3 von Haus aus Allradqualitäten verleiht. Im Standardmodell liefern die beiden Motoren eine Systemleistung von 360 kW, das sind in alter Währung 499 PS. Das sofort anliegende Drehmoment von 840 Newtonmetern lässt schon auf dem Papier keinerlei Zweifel aufkommen, dass der Pole­star 3 bei der Längsbeschleunigung keinen Vergleich zu scheuen braucht. In exakt fünf Sekunden passiert er aus dem Stand die Marke von 100 km/h, erst bei Tempo 210 ist mit der Beschleunigung Schluss. Wer es noch eine winzige Spur giftiger mag, kann 7000 Franken in das Performance-Paket investieren. Dafür gibt es 20 kW (28 PS) mehr Leistung und vor allem beim Drehmoment einen Zuschlag von 70 Nm. Beide Versionen sind mit Kupplungen an der Hinterachse ausgestattet, die die Antriebskräfte zwischen den beiden Rädern je nach Bedarf fein dosieren und vor allem schnell verteilen. Durch dieses Torque-Vectoring entwickelt der Polestar trotz seiner gut 2.6 Tonnen Leergewicht auch auf kurvigen Strassen eine hohe Agilität, die aber selbst bei beherzter Gangart kein Eigenleben entwickelt. Schieben über die Vorderräder in schnellen Kurven, also Untersteuern, oder gar nervöses Wedeln mit dem Heck bei zu forciertem rechtem Fuss am Kurvenausgang und daraus resultierendes Übersteuern dürften im Alltagsbetrieb Fremdworte bleiben. Bei den ersten Ausfahrten in der Berglandschaft Kastiliens zeigte sich der Pole­star 3 agil, wenn man es darauf anlegt, aber immer souverän und leicht beherrschbar. Einziger Kritikpunkt: Die Lenkung dürfte etwas gefühlsechtere Rückmeldungen bieten.

Ihre Energie beziehen die beiden Elektromotoren aus einem riesigen Batteriepaket. 111 Kilowattstunden speichern die insgesamt 204 prismatischen Lithium-Ionen-Zellen, zur Verfügung stehen davon 107 kWh. Gemäss WLTP ergibt dies eine Reichweite von fast 630 Kilometern, beim Perfomance-Modell sind es knapp 70 Kilometer weniger. Im Alltag dürften noch ein paar Kilometer mehr fehlen. Die angegebenen Verbrauchswerte von rund 21 kWh/100 km lassen sich durchaus erreichen, wenn man es eher gemütlich angeht. Schleichen muss man dafür nicht, allzusehr die Sporen darf man dem Pole­star 3 aber auch nicht geben. Sonst landet man dann doch eher bei Verbrauchswerten von 25 kWh/100 km oder mehr.

An einer DC-Schnellladesäule lässt sich die Batterie mit bis zu 250 kW Leistung nachladen. In einer halben Stunde klettert der SoC (State of Charge) von zehn auf 80 Prozent, was den Pole­star 3 definitiv zum Langstrecken- und Reiseauto macht. Dazu trägt auch das serienmässige Zweikammer-Luftfederfahrwerk mit adaptiven Dämpfern von ZF bei. Platz finden die Passagiere vorne wie hinten mehr als genug, auch fürs Gepäck ist mit rund 500 Litern Kofferraumvolumen ausreichend Platz.

Minimalistisches Design

Ein SUV mit den typischen Attributen der Klasse zu entwerfen – sprich es breit und wuchtig auf der Strasse stehen zu lassen –, gleichzeitig aber aus Effizienzgründen an der Aerodynamik zu feilen und das Fahrzeug flacher zu gestalten. Vor dieser Herausforderung stand Polestar-Chefdesigner Maximilian Missoni. Knapp eine Handbreit flacher als die Konkurrenz ist der Pole­star 3, die Proportionen sind gelungen, trotz der flachen Dachlinie gibt es für die Passagiere keine Kopfprobleme beim Einsteigen oder im Fahrzeug. Zu den aerodynamischen Kniffen gehört ein in die Front integriertes Flügelelement, das den Luftstrom sauber über Windschutzscheibe und Panoramadach leitet. Am Heck unterbinden ein weiterer Flügel und Aeroblades Verwirbelungen. Das bringt Vorteile beim Verbrauch und damit der Reichweite, sorgt aber auch für eine gelungene Aeroakustik.Im Innenraum herrscht das gleiche minimalistische Prinzip. Klare Linien, alles sehr aufgeräumt. Dominant ist der grosse 14.5 Zoll grosse Bildschirm im Hochformat, über dessen grosse Kacheln sich das Infotainmentsystem und die Fahrzeugeinstellungen bedienen lassen. Das funktioniert auch während der Fahrt ohne grosse Ablenkung, nur für die Einstellung der Aussenspiegel und des Lenkrads wünscht man sich klassische Schalter – wobei diese Einstellungen im Normalfall nur einmal vorgenommen werden und dann im Fahrerprofil gespeichert sind. Immerhin werden unter anderem Gangwahl, Blinker, Scheibenwischer und Lautstärke des Audiosystems über Schalter gesteuert. Die Basis für das umfangreiche Paket an Assistenzsystemen stellen Steuergeräte von Nvidia, die erstmals in einem Polestar-Modell verbaut werden. Sie verarbeiten die Sensordaten von fünf Radarmodulen und Kameras sowie von zwölf Ultraschallsensoren. Für 2025 kündigt der Hersteller bereits ein zusätzliches Lidarsystem an, das autonomes Fahren mit Level 3 erlauben soll.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

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Hochwertige Materialien, die gut verarbeitet sind, und klare Linien im Innenraumdesign. Wichtige Funktionen lassen sich weiterhin über Schalter steuern, nicht nur über das grosse 14.5-Zoll-Display.

Fotos: Polestar

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