Werner J. Haller | 30.10.2024
Nico Müller steht vor neuen Herausforderungen in der Formel E und in der Langstrecken-WM. Es deutet einiges darauf hin, dass das nächste Jahr für den Berner erfolgreicher wird.
Als die Automobil Revue Nico Müller telefonisch erreicht, ist er grad auf dem Weg von Paris nach London. In Frankreich hatte der 32-jährige Berner seinen letzten Simulatortest für Peugeot, bevor er dieses Wochenende in Bahrain mit dem Hypercar 9X8 den letzten Lauf in der Langstrecken-WM bestreitet. Zwischenzeitlich besuchte Müller in Grossbritannien die Werkstatt von Andretti Global.
Seit Mitte August ist klar, dass Nico Müller ab nächstem Jahr neu Werksfahrer von Porsche ist. Das Kapitel Langstrecken-WM mit dem Werksteam von Peugeot hat sich damit erledigt, ebenso sein Engagement mit dem Team Abt in der Formel E. Mit beiden Teams gehörte Müller in den beiden Rennserien dieses Jahr nicht zu den Sieganwärtern. Mit Porsche dürfte sich das ändern: Müller fährt in der Formel E für das Team Andretti, das letztes Jahr mit dem Briten Jake Dennis den Weltmeister stellte.
Automobil Revue: Die neue Formel-E-Saison beginnt am 7. Dezember mit dem Lauf in Brasilien. Die Formkurve dürfte aufwärts zeigen, immerhin war die vergangene Saison mit sechs Platzierungen in den Top-10 Ihre bisher erfolgreichste?
Nico Müller: Es stimmt, es war meine bisher beste Formel-E-Saison. Ich wurde zwar nur WM-Zwölfter, aber man muss sich dabei auch die Kräfteverhältnisse in der Formel E vor Augen führen. Unser Antriebsstrang von Mahindra war ein Nachteil (schon im Januar war klar, dass sich das Team Abt zum Saisonende 2024 von Mahindra trennen wird – Red.). Mein Teamkollege Lucas di Grassi, Ex-Champion sowie nach Siegen und Podestplätzen der erfolgreichste Pilot der Formel-E-Geschichte, sammelte nur vier Punkte, ich deren 52. Auch die Piloten von Mahindra selbst, Edoardo Mortara, Nyck de Vries und Jordan King lagen im WM-Endklassement weit hinter mir zurück. Insofern, ja, war es ein erfolgreiches Jahr für mich.
Nun gehen Sie mit dem Team Andretti-Porsche an den Start. Das
Porsche-Werksteam stellt dieses Jahr mit Pascal Wehrlein den
Weltmeister, letztes Jahr war es das Andretti-Team mit Jake Dennis. Was
können Sie demnach kommende Saison erwarten?
Ich bin mit einem Porsche-Werksvertrag ausgestattet, ich fahre für
ein erfolgreiches Team: Das heisst, dass ich eine grosse Chance erhalte –
und die will ich packen! Ziel ist es, regelmässig um Podestplätze und
um Siege zu kämpfen.
Andretti ist ein grosser Name im Motorsport. Einem Rennfahrer
dürfte bei diesem Namen ein wohliger Schauer über den Rücken laufen…
Ja, das ist schon cool, dass ich für dieses Team fahren darf (lacht).
Da ist einerseits der grosse Name Andretti, andererseits der grosse
Name Porsche. Diese Kombination hat schon bewiesen, dass sie in der
Formel E gewinnen kann. Für mich ist diese nächste Karrierestation
unbestritten ein grosser Schritt.
In der Langstrecken-WM sind Sie seit 2023 mit Peugeot
unterwegs. Das vergangene Jahr und die laufende Saison, die am
Wochenende zu Ende geht, gleichen sich. Peugeot tritt auf der Stelle,
möchte man meinen?
Auf der Stelle treten… (zögert). Es ging schon bergauf, das aber nicht wie erwünscht.
Trotz Heckflügel? Ursprünglich hatte das Peugeot-Hypercar 9X8
ja keinen Heckflügel, ein solcher bekam das Auto erst diese Saison noch
verpasst.
Mit diesem Auto ohne Heckflügel hatte man Rückstand, das ist so. Aber
ausschlaggebend ist es nicht, dass das Auto nun einen Heckflügel hat.
Von der Basis her gleicht sich das Auto mit und ohne Heckflügel Das war
aber auch nicht der einzige Grund, weshalb es nicht wie erwünscht
aufwärts ging. Man muss bei Peugeot grundsätzlich nochmals über die
Bücher.
Wie werten Sie demnach Ihre Leistung in der noch laufenden Langstrecken-WM?
Mit meiner Leistung bin ich eigentlich sehr zufrieden. Wie gesagt,
das Team hat auch Fortschritte gemacht. Wir hatten einige gute Rennen,
angefangen beim Saisonstart in Katar. Ich fuhr vom sechsten auf den
ersten Platz vor, am Ende blieb das Auto leider unglücklich ohne
Treibstoff liegen. Bei einigen Rennen waren wir auf Schlagdistanz,
zuletzt in Fuji fehlte uns auf Platz vier wenig für eine
Podestplatzierung. Aber unter dem Strich fehlen die herausragenden
Resultate, auch, weil wir nicht auf dem Level von Toyota oder Ferrari
oder Porsche sind.
Porsche setzt Sie in der Formel E ein. Haben Sie auch eine
Zukunft in der Langstrecken-WM, wo Porsche aktuell die meisten Hypercars
einsetzt?
Als Werkspilot von Porsche stehen mir alle Türen offen. Aber die
Termine, Rennen und Tests, in der Formel E und der Langstrecken-WM jagen
sich. Es wird immer schwieriger, zwei Rennserien unter einen Hut zu
bekommen. Zumal, Porsche ist ja auch im GT3-Rennsport am Start. Ich
würde nächstes Jahr gerne wieder in einem Hypercar Platz nehmen. Fakt
ist, wo und vor allem ob ich nächstes Jahr wieder in der Langstrecken-WM
dabei sein werde, wird nach der Saison entschieden.
Die Aussichten mit Porsche in der Langstrecken-WM wären schon toll. Das Hypercar Porsche 963 ist eines der erfolgreichsten…
Das ist so, reizen würde mich dieses Hypercar schon. Aber eben,
nehmen wir einen Schritt nach dem anderen. Es ist mein Bestreben, bei
Porsche möglichst viele Projekte anzugehen, und von diesen reizvollen
Projekten gibt es bei Porsche viele!
Und sie sind ja ein Allrounder: Sie sind in frühen Jahren Formelrennen gefahren, ebenso GT, sogar Rallycross.
Ich werde im Februar 33-jährig, als Rennfahrer bringe ich einen guten
Mix aus Erfahrung und Ambition mit. Ich bin hungriger denn je und will
das Maximum für mich herausholen. Und dass ich ein Allrounder bin, zeigt
auch, dass ich bei der Sache sehr viel Spass habe.
Fotos: Porsche, Peugeot, Formel E, Andretti