Motoren: Zwei ungleiche Brüder

Reiner Kuhn | 11.07.2024

Toyota GR Yaris Seit Saisonbeginn bieten die Weltmeister von Toyota auch ein Kundensportmodell an. Das Besondere: Der GR Yaris ist das erste Rally-2-Fahrzeug mit Dreizylindermotor.

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Gegenüberstellung: Toyotas neuer Dreizylindermotor für den Kundensport (l.) und das Vierzylinderaggregat des Werkteams.

Es dauerte nur wenige Monate, dann feierte der Spanier Nil Solans im Toyota GR Yaris Rally 2 beim fünften WM-Lauf in Portugal den ersten Erfolg in der WRC2 (World Rally Car). Nur zwei Wochen später legte der Finne Sami Pajari auf Sardinien mit dem nächsten Sieg des in der zweithöchsten Kategorie der Rallye-WM erstmals von einem Dreizylindermotor angetriebenen neusten Kundensportmodells nach. Das Hochleistungstriebwerk entsteht ebenso wie das Vierzylinderaggregat aus dem Werkswagen GR Yaris Rally 1 Hybrid bei Toyota Gazoo Racing Europe im deutschen Köln-Marsdorf.

Norio Aoki, seit acht Jahren verantwortlich für die Rallyemotoren, erinnert an das Ende der eigenen Formel-1-Aktivitäten. Statt knapp 800 Mitarbeiter wie zu den besten Zeiten des Grand-Prix-Engagements arbeiten heute rund 300 Fachkräfte in Köln. «Zwischen 2010 und 2012 arbeiteten wir an einem ersten Global-Race-En­gine-Konzept. Für uns war es das Downsizing-Thema. Nach den V10- und V8-Konzepten der Formel 1 war ein kleiner, direkteinspritzender Vierzylinder-Turbomotor völlig neu für uns. Aber der Global Race-Engine war als Universalmotor für allerlei Serien in Diskussion. Grund genug, uns intensiv damit zu beschäftigen», erklärt Aoki. Daraus entstand ein RA genannter Vierzylinder-Kundensportmotor, auf dem das heutige Werkstriebwerk RB basiert, das seit seinem Debüt 2017 im Yaris WRC 26 WM-Siege sowie drei Fahrer- und zwei Herstellertitel feierte. Seit Beginn der Rally-1-Hybrid-Ära 2022 gingen 19 WM-Siege sowie beide Fahrer- und Herstellertitel an die Werkssportler von Toyota.

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Von der Idee zum Motor: Von Design und Konstruktion am Bildschirm über die Produktion der ­einzelnen Motorenteile bis zum Zusammenbau des Aggregats macht Toyota alles unter einem Dach.

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Von der Idee zum Motor: Von Design und Konstruktion am Bildschirm über die Produktion der ­einzelnen Motorenteile bis zum Zusammenbau des Aggregats macht Toyota alles unter einem Dach.

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Von der Idee zum Motor: Von Design und Konstruktion am Bildschirm über die Produktion der ­einzelnen Motorenteile bis zum Zusammenbau des Aggregats macht Toyota alles unter einem Dach.

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Von der Idee zum Motor: Von Design und Konstruktion am Bildschirm über die Produktion der ­einzelnen Motorenteile bis zum Zusammenbau des Aggregats macht Toyota alles unter einem Dach.

Auch die Wurzeln des neuen Kundensportmotors liegen im Sport und nicht bei einem Serienaggregat. Nach dem Motto, «den stärksten, kleinsten und leichtesten Rallyemotor» zu entwickeln, begann Motordesigner Hiroshi Yajima 2015 ein Hochleistungs-Dreizylinderaggregat zu konzipierten. Ab 2019, fünf Jahre vor seiner Homologation im GR Yaris Rally 2, wurde unter der Ägide des leitenden Motoringenieurs Shiko Ehara daraus ein R5-Rallyemotor, der über eine Kooperation der Gazoo-Racing-Ingenieure in Japan, USA und Europa als exklusive Kraftquelle der Ende 2020 vorgestellten Serienversion des GR Yaris dient.

Hightech wird grossgeschrieben

Mit dem grünen Licht für ein Kundensportmodell wurde die Entwicklung des künftigen Rally-2-Motors ab 2021 weiter vorangetrieben. Projektleiter Max Jacobs testete bei den Prüfstandläufen statt mit dem nach R5- und AP4-Reglement erlaubten Luftmassenbegrenzer von 34 mit einem kleineren von 32 Millimetern. Zudem trugen die Einsätze von Harry und Louis Bates mit dem Toyota Yaris AP4 in der australischen Meisterschaft zur Weiterentwicklung im Wettbewerb bei. «Mittlerweile sind in Köln über 50 Rally-2-Motoren entstanden», freut sich Norio Aoki, will aber keine genaueren Angaben zu Leistung, Drehmoment oder Kosten machen. «Da müssen Sie bei Toyota Gazoo Racing Europe in Finnland nachfragen, die sind für 
den Rallyesport zuständig. Wir liefern nur die Motoren.»

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Ganz nah dran: Mit Norio Aoki (l.) darf Reiner Kuhn von der AUTOMOBIL REVUE sogar an den Prüfstand.

Ergo bleibt es abgesehen von den Massen bei Schätzungen und Näherungswerten. Dabei fällt auf, dass der gerade mal 547 Millimeter lange, 591 Millimeter hohe und 459 Millimeter breite sowie knapp 100 Kilogramm schwere Dreizylinder vom knapp viermal so teuren Werksmotor auf Global-Race-Engine-Basis getoppt wird. Trotz eines zusätzlichen Zylinders ist er 17 Millimeter kürzer, 111 Millimeter niedriger und nur 13 Milliemeter breiter. Laut Reglement liegt das Mindestgewicht beim Rally-1-Motor bei 80 Kilogramm. Kaum vorstellbar, dass Aoki und seine Kollegen nicht auch da ans Limit gingen. Denn nahezu alle der rund 1300 Motorenteile werden bei Toyota gefertigt. Hightech wird nicht nur bei den gefertigten Komponenten, sondern auch bei der Produktionsstätte gross geschrieben. Längst werden komplexe Teile vom Auspuffkrümmer-Knoten über Radträger bis hin zu ganzen Zylinderköpfen in verschiedenen Metalllegierungen im 3-D-Druck hergestellt.

Hitze ist der Feind von Leistung

Die Montage der Triebwerke erfolgt im nur wenige Gänge weiter befindlichen Motorenbau, wo zehn Arbeitsbuchten zum Aufbau und zur Revision der Hochleistungsaggregate zur Verfügung stehen. Die obligatorischen Test- und Probeläufe erfolgen auf einem der sechs statischen oder zwei dynamischen Motorenprüfstände. Am Ende geht es nur um Temperaturen. Oder anders gesagt: Hitze ist der Feind von Leistung. Auch deshalb war schon der komplette Werksbolide in Köln zu Gast, um im Windkanal Kühlungstest zu absolvieren. Verständlich, «das halbe Kühlungssystem ist im Motor, die andere Hälfte ist im Auto», bringt es Aoki auf den Punkt. 

Norio Aoki: «Es geht um das Zusammenspiel»

Norio Aoki zeichnet bei Toyotas Motorsportabteilung in Köln für die Rallyetriebwerke verantwortlich. Bei unserem Besuch gibt der 58-jährige Japaner der AUTOMOBIL REVUE eines seiner seltenen Interviews.


AUTOMOBIL REVUE: Was ist der grösste Unterschied zwischen den Motoren im GR Yaris Rally 1 und dem GR Yaris Rally 2?

Norio Aoki: Der Werksmotor im Rally 1 hat vier Zylinder und basiert auf dem Global-Race-Engine-Konzept des Autoweltverbandes FIA, er ist also ein richtiger Rennmotor mit vielen Freiheiten. Das Rally 2-Aggregat hat dagegen drei Zylinder und basiert auf einem Serientriebwerk. Die Basis und damit die Aufgabe ist eine ganz andere.

Wo ist die Herausforderung für Ingenieure grösser, bei der Entwicklung eines Werks- oder eines Kundensportmotors?

In unserem Falle gibt es zwei unterschiedliche Aspekte. Der GRE-Werksmotor im GR Yaris Rally 1 wurde speziell für die Rallye-WM konzipiert. Ich darf verraten, dass unser Motor während der Entwicklung und Testphase des Yaris WRC noch ein anderer war als zum Start des Werksengagements 2017. Ein Jahr vor dem Saisonauftakt hat das Team uns gebeten, den Motor schmaler zu machen, das hiess: neuer Block, neue Kurbelwelle, neuer Zylinderkopf et cetera. Das wäre bei einem von einem Serienaggregat abstammenden Kundensportmotor nicht möglich. Dort gelten andere Parameter, angefangen von den Kosten, Stückzahlen bis hin zum Handling.

Zum Beispiel beim verwendeten Sprit?

Auch dies. In unterschiedlichen Serien und Regionen unterscheidet sich dieser gravierend. Das muss man bei der Entwicklung natürlich beachten. Wichtiger ist aber, dass der Rally-1-Motor vom Werksteam eingesetzt und betreut wird. Hier geht es um den maximalen Erfolg und nicht ums Geschäft. Beim Werkssport müssen wir die Resultate liefern. Beim Kundensportmotor liefern wir ein Produkt, mit dem andere Erfolg oder Freude haben. Er unterliegt anderen Kriterien, auch bei der Balance zwischen Budget und Performance. Schliesslich wird dieser von verschiedenen Kunden in verschiedenen Serien eingesetzt. Und der zweite Aspekt ist, wie eingangs erwähnt, die unterschiedliche Zylinderzahl.

Sie haben in der Formel 1 an Zwölf-, Zehn- und Achtzylindermotoren gearbeitet. Hand aufs Herz, wie gross ist für einen Ingenieur die Faszination eines Dreizylinders?

O. k., ein Zwölfzylinder ist Musik in den Ohren (lacht). Im Grunde aber geht es nur um das Zusammenspiel der einzelnen Zylinder. Man hat Kolben, Pleuel, eine Kurbelwelle und so weiter. Rein vom technischen Aspekt her ist ein Dreizylinder also eine ähnlich spannende Aufgabe. In diesem Fall ist es ja so, dass die Serienversion des GR Yaris und sein Triebwerk von Anfang an für den Motorsport konzipiert und für die Strasse adaptiert wurden. Das ist etwas Besonderes und erfüllt uns mit Stolz. 

Interview: Reiner Kuhn

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Fotos: Toyota Gazoo Racing Europe

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