Porsche Cayenne S Coupé – Mittelscharf gepfeffert

AR-Testteam | 30.11.2023

Dynamik-SUV Der Cayenne S Coupé ist ziemlich genau 
in der Mitte der frisch überarbeiteten Modellreihe ­positioniert. Das hindert diesen Porsche aber nicht daran, spitzenmässig schnell zu sein. Und auch spitzenmässig teuer.

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Er ist eine Art ungeliebter, aber doch akzeptierter Schwiegersohn für Porsche-Fans. Man weiss sehr genau, dass es der Tochter dank ihm gut geht, richtig begeistert ist man aber nicht von ihrer Partnerwahl. Der sportliche und schlanke Kerl passte doch viel besser zu ihr als dieser dickliche Typ. Aber der Sportler brachte eben immer weniger Geld nach Hause. So konnte es nicht weitergehen.

Tatsächlich hat der Porsche Cayenne die Marke wohl vor dem Ruin gerettet. Ob es den deutschen Hersteller heute in dieser Form noch gäbe, hätte er nicht vor mittlerweile 21 Jahren sein SUV lanciert, muss bezweifelt werden. Der Dicke war nötig, um neue Märkte zu erschliessen und vor allem neue Kundengruppen anzusprechen. Jene, die Porsche zwar mochten, aber auch etwas mehr Platz benötigten als den Notkofferraum vorne im Elfer. Weil der dicke Cayenne Geld in die Kasse spülte, ist der Notkofferraum immer noch zu haben – und das dazugehörige Auto besser in Form denn je.

Kennst du einen, kennst du alle

Das Gleiche gilt für den Cayenne. Porsche verstand es schon bei der ersten Generation, ein SUV auf die Räder zu stellen, bei dem das S für Sport für einmal wirklich auf das Segment zutraf. Ja, er war dick, gross und in den Augen vieler nicht besonders attraktiv. Aber er fuhr sich wie ein Porsche, roch wie ein Porsche und klang zumindest ein bisschen wie ein Porsche. Zwar ohne Boxer, dafür mit V8. Dieses Gefühl vermittelt auch die aktuelle, dritte Cayenne-Generation, deren hier getestetes Coupé sogar ein klein wenig den Elfer-Popo nachahmt. Wer schon einmal Porsche gefahren ist, fühlt sich in diesem Cayenne sofort zu Hause. Gut, statt den Zündschlüssel zu drehen, drückt man jetzt den Startknopf. Aber wie eh und je mit links. Nur der Automatikwählhebel (oder besser -knubbel) ist ungewöhnlich platziert, nämlich dort, wo andere den Startknopf haben, also rechts vom Lenkrad.

Ansonsten verzichtet der Cayenne auf Sperenzchen, die bei Markenkennern zu Fragezeichen führen könnten. Auch Neulinge finden sich relativ schnell zurecht, stellen Klima, Sitzheizung und alles weitere über echte Tasten ein und regulieren die Radiolautstärke mit einem echten Drehknopf. Ein bisschen Eingewöhnungszeit verlangt das Infotainment, das Menü ist aber logisch aufgebaut und brilliert mit hervorragender Auflösung. Das trifft auch auf die vielfältig adaptierbare Instrumententafel und das optionale, ebenfalls konfigurierbare Head-up-Display (1570 Fr.) zu. Auch der 10.9-Zoll-Beifahrertouchscreen (1660 Fr.) ist ultrascharf aufgelöst. Auf dem lassen sich zum Beispiel Filme ansehen, allerdings nicht vom Fahrer, denn der sieht auf dem Screen aus seinem Blickwinkel nichts.

V8-Upgrade

Trotz aller neuzeitlichen Spielereien will der Cayenne alles andere als nur spielen. Nach dem Start meldet sich der V8-Biturbo mit vier Litern Hubraum deutlich vernehmbar zu Wort. Er wurde dem nicht mehr erhältlichen GTS entnommen, erhielt eine kleine Leistungsspritze und löst im Modelljahr 2024 den bis anhin im Cayenne S verbauten V6-Turbo ab. Porsche-typisches Boxersägen kennt er nicht, weil er eben kein Boxer ist. Vielmehr zelebriert er ein tiefes, sonores, typisches V8-Grollen, das aus Sicht eines passionierten Autofahrers aber nie lärmig wirkt. Auch dann nicht, wenn die Klappen der optionalen Sportabgasanlage (3460 Fr.) aktiviert sind und dem Cayenne S Coupé die Sporen gegeben werden.

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Wer die optionale Sportabgasanlage ordert, hat vom V8 unter der Haube akustisch noch etwas mehr.

349 kW (474 PS) sind stets parat für die Arbeit, das Ganze fühlt sich aber nie nach Arbeit an. Vielmehr nach einer grossen Gaudi. Der Motor dreht mühelos hoch, schüttelt die Leistung in jeder Lebenslage locker aus den acht Töpfen. Dank 600 Nm maximalen Drehmoments ist es auch um die Kraftreserven bestens bestellt, sie liegen im Drehzahlband zwischen 2000 und 5000 Umdrehungen an, also fast immer. Dass der Motor aus dem VW-Konzernregal stammt, nimmt man ihm nicht übel. Schliesslich hat ihn Porsche fein weiterentwickelt, er bietet genug Performance und treibt auch noch weit exklusivere Gefährte wie den Bentley Flying Spur oder den Lamborghini Urus an.

Sportwagen mit Manieren

Für eine adäquate Leistungs- und Drehmomentverwaltung sorgt die Achtstufen-Automatik, die mit optimaler Übersetzung und treffsicherer Gangwahl überzeugt. Kein einziges Mal während der Testdauer verhaspelte sich das Getriebe. Wenn sich jemand verzettelte, dann der Fahrer, der beim Start den Automatikwählhebel (äh, Knubbel) versehentlich zu stark nach unten drückte und so das manuelle Schaltprogramm aktivierte. Ob ein solches Malheur jetzt mehr die Schuld des Fahrers oder des halt schon ziemlich filigranen Automatikknubbels ist, muss jeder individuell beurteilen.

Einigkeit herrscht wohl bei allen Richtern über das Fahrverhalten an sich. Die im Testwagen verbaute Luftfederung mit Niveauregulierung und Höhenverstellung (2750 Fr.) beherrscht eigentlich jede Disziplin. Auch eine, die dem Cayenne die wenigsten zutrauen: Offroad. Im Sondergeländeniveau beträgt die Bodenfreiheit immerhin 237 Millimeter, die Wattiefe deren 530. Damit ist der Cayenne kein unschlagbarer Geländeprofi, das verhindern schon die standardmässig montierten Continental Sport Contact 7 auf den nicht standardmässigen 22-Zoll-Felgen (inklusive Radhausverbreiterungen in Exterieurfarbe 3480 Fr.). Aber er bewegt sich offroad viel besser, als es ein Geländewagen auf der festen Strasse kann. Der variable Allradantrieb mit elektronisch geregelter Lamellenkupplung trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei.

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Die dritte Cayenne-Generation ist immer noch dick, aber eleganter als die Vorgänger. Das gilt speziell für das Coupé, dessen Heck mit etwas Fantasie Elferzüge trägt.

Auf festem Untergrund ist der Cayenne dann richtig in seinem Element. Vom gemütlichen Cruisen über dynamisches Kurvenräubern bis hin zum eiligen Jagen von Rundenbestzeiten auf der Rennstrecke macht er alles mit. Der Chronometer auf dem Armaturenbrett ist nicht nur Show, den kann man tatsächlich brauchen, so wohl fühlt sich der Cayenne S Coupé auf dem Track, wenn das Stabilitätsprogramm auf Sport Plus gestellt und der Zuffenhausener von der Leine gelassen wird. Obwohl der Testwagen in Sachen Ausstattung nicht einmal die sportliche Speerspitze bildet. So fehlten ihm das Porsche-Torque-Vectoring Plus mit elek-tronisch gesteuerter Hinterachs-Differenzialsperre (1810 Fr.) und das aktive Fahrwerkregelsystem Porsche-Dynamic-Chassis-Control (3980 Fr.). Schnell fahren kann das SUV auch ohne sie.

Die Lenkung ermöglicht eine erfolgreiche Zeitenhatz mit Präzision, sehr guter Rückmeldung, angenehmem Lenkmoment und optional mitlenkenden Hinterrädern (2070 Fr.). Dass die Bremsen über jeden Zweifel erhaben sind, überrascht bei Porsche nicht, mit familienpizzagrossen Graugussscheiben vorne (410 mm) und nur wenig kleineren hinten (358 mm) verzögert auch ein 2.2-Tonnen-SUV bestens. Alles musikalisch untermalt vom V8, der weit besser klingt als das unsere Ohren nicht restlos überzeugende Bose-Surround-Sound-System. Immerhin ist es aber für lau an Bord, weil es zum von Porsche Schweiz gespendeten Porsche-Swiss-Package im Wert von 6750 Franken gehört. 

Sportwagen mit Platz

Natürlich kaufen sich die wenigsten einen Cayenne, um mit ihm auf die Rennstrecke zu gehen. Als SUV fungiert er vielmehr als klassische Familienkutsche für wohlhabende Familien. Oder auch als Alltags- und Freizeitmobil für Singles und Pärchen (ebenfalls von der wohlhabenden Sorte). Diese Rolle spielt er durchaus souverän, bietet vorne wie hinten massig Platz und trotz dachabfallender Coupélinie 592 Liter Kofferraumvolumen. Das reicht locker für zwei Golftaschen, mit umgeklappten Rücksitzen passt auch mehr hinein. Aber als Transporter ist der Cayenne S Coupé dann doch zu schade. Viel zu teuer sowieso. Unser Testwagen kostete mit Optionen über 180 000 Franken und war bei Weitem nicht voll ausgestattet. Neben dem erwähnten Porsche-Swiss-Package gewährt Porsche Schweiz zwar auch einen Währungsbonus nach aktuellem Kurs, wer aber nicht zu einer sehr solventen Kundengruppe gehört, verzichtet wohl am besten gleich auf eine Offerte.

Wer vom Preis nicht geschockt ist und vielleicht sogar ein noch schärferes Cayenne-Coupé will, der kann natürlich auch gleich zum Turbo E-Hybrid mit GT-Paket greifen. Der kostet schlappe 240 200 Franken in der Grundausführung, hat aber mit 544 kW (739 PS) nochmals deutlich mehr Pfeffer und kann sogar einige Kilometer rein elektrisch fahren. Genau wie der Cayenne E-Hybrid, der mit 346 kW (470 PS) fast so scharf und mit einem Grundpreis von 123 800 Franken auch fast so teuer ist wie der hier getestete S. Ob er auch ähnlich viel Spass macht, lesen Sie in der AR 50/2023.

Testergebnis

Gesamtnote 88.0/100

Antrieb

Obwohl es sich bei Weitem nicht um den stärksten Cayenne handelt, begeistert der S mit seiner Performance. Motor und Getriebe harmonieren perfekt, viel besser geht es nicht. Der Verbrauch liegt noch im Rahmen.

Fahrwerk

Mit der optionalen Luftfederung und der ebenfalls optionalen Hinterachslenkung durchpflügt das SUV Kurven schon unglaublich souverän. Wären die Hinterachs-Differenzialsperre und die aktive Fahrwerksregelung auch noch an Bord gewesen, hätte es wohl zu vollen fünf Sternen gereicht.

Innenraum

Materialauswahl und Verarbeitung überzeugen, das Infotainment ist State of the Art. Überraschend viel Platz gibt es als Bonus obendrauf.

Sicherheit

Wir vergeben selten die Bestnote, aber hier können wir nicht anders. Narrensicheres Fahrverhalten, fast perfekt funktionierende Assistenten (die Verkehrszeichenerkennung klappt nirgends fehlerfrei), top Bremsen.

Budget

Wenn man so will, des Porsches grösste Schwäche. Der hohe Grundpreis ist das eine, der lässt sich vielleicht noch mit den ausgezeichneten Basisanlagen rechtfertigen. Dass aber sogar Selbstverständlichkeiten wie ein Abstandsregeltempomat Aufpreis kosten, ist einigermassen dreist.

Fazit

Ja, der Porsche Cayenne S Coupé ist sauteuer. Aber er ist halt auch wirklich saugut, kombiniert markentypische Fahreigenschaften mit viel Platz und Alltagstauglichkeit. Glücklich, wer sich das leisten kann.

Fotos: Vesa Eskola, Porsche, Text: Simon Tottoli

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