Grosse Träume

Ramon Egger | 18.01.2024

Zero In Las Vegas träumt Honda von null Emissionen und Elektroautos, die mit bestehenden Zwängen brechen. Und will deshalb mit den neuen Autos noch einmal bei null beginnen.

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Das retro-futuristische Konzept des Honda Saloon gibt einen Ausblick darauf, wie sich die Marke 
künftige Elektroautos vorstellt. So oder ganz ähnlich soll 2026 das erste neue Modell aussehen.

Modetrends sollen sich alle dreissig Jahre wiederholen. Bei den Autos ist das ähnlich, da sehen wir Trends wieder, die in den 1990er-Jahren aktuell waren. Elegante, runde und vor allem aerodynamische Formen. Windschlüpfige Formen sind wieder in Mode, nicht mehr nur als Stylingelement, sondern auch ganz praktisch, um den Verbrauch von Elektroautos zu reduzieren. Honda geht noch ­eine Epoche weiter zurück und präsentierte an der CES in Las Vegas (USA) mit Space-Hub und Saloon zwei Concept-Cars, die aus einem Sci-Fi-Film der 1980er stammen könnten. Es sind runde Formen, fliessende Linien in minimalistischem Design – ­eine Formensprache, die sich durch die gesamte Modellpalette durchziehen soll, die Honda für die kommenden Elektroautos plant.

Diese Pläne sind gross angelegt. Eine ganze neue Untermarke schafft man dafür: Honda Zero. Nicht nur erhalten die Modelle ein spezifisches Logo – treffenderweise die Ziffer 0 –, auch das bekannte H-Logo wird für die E-Autos angepasst. Bis zum Jahr 2040 will Honda weltweit 100 Prozent der Fahrzeugflotte elektrifiziert haben, 2050 soll der gesamte Konzern über alle Geschäftsbereiche komplett dekarbonisiert sein, vom Auto über die Motorräder bis zum Roboter.

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Die Null zeichnet künftig die neue Modelllinie der Elektroautos von Honda aus. 

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Auch das H-Logo wird für die Stromer angepasst.

Elektroautos hätten heute ein grosses Problem, erklärt Honda-CEO Toshihiro Mibe das Offensichtliche. Sie seien zu gross und zu schwer wegen der Batterie. Er aber träumt von einem Auto das «slim, light and wise» ist, schlank, leicht und klug. Und Träume nimmt man ernst bei Honda, schliesslich stecken sie im Markenslogan drin. «The Power of Dreams», die Kraft der Träume, lautet er. Dass man träumt, wird bei der Präsentation von Honda Zero in Las Vegas denn auch sehr, sehr oft hervorgestrichen. Unter anderem eben von leichten Elektroautos. Und weil die technisch wichtigste Voraussetzung dafür eine Batterie ist, die schlank und leicht ist, soll deren Dicke gegenüber der heute gängigen Bauweise halbiert werden. Das schafft Platz im Innenraum, den man künftig maximal ausnutzen will. Und weil man bei Honda eingängige Maximen liebt, hat man auch dafür eine auf Lager: «Men maximum, machine minimum». Das sei ein Grundsatz, den man schon heute bei den Verbrennern verfolge, erklärt Mibe. Der Platz, den die Technik eines Autos einnimmt, wird minimiert, derjenige, der den Insassen zur Verfügung steht, maximiert. Deshalb muss auch bei den Elektroautos die Batterie kleiner werden. Wie genau man das erreichen will, verrät Honda noch nicht im Detail – «The Power of Dreams» wird es richten. Und zwar bereits 2026, wenn Honda Zero mit einem ersten Modell lanciert werden soll. Zuerst in den USA, später auch in Japan, Europa und im Rest der Welt.

Alles auf null

Und Zero soll nicht nur null CO₂ bedeuten, Honda will auch wieder bei null beginnen. Das Auto soll von Grund auf neu gedacht werden, so der Traum. Ein grosser Traum von null Umweltbelastung aller Autos, null Umweltbelastung des gesamten Konzerns und dazu noch von null Verkehrstoten mit Autos der Marke Honda. Das erste Concept-Car auf diesem neuen Weg trägt den Namen Saloon. Der Name ist Programm, mit der Platzmaximierung meint man es ernst. Die Frontscheibe ist keilartig nach unten gezogen, der Fahrer sitzt weit vorne hinter einem autobreiten Bildschirm. Alles sieht retro aus, hätte vor fünfzig Jahren jemand das Auto der Zukunft beschreiben müssen – so hätte es ausgesehen. Die Leuchten sind dreidimensional in Hologrammoptik, alles ist glattgebügelt, ohne Ecken und Kanten. Man kann das mögen oder nicht, aber das Auto sieht gut aus. Und unerwartet von einer Marke, die nicht eben zu den progressiven Vorreitern gehört und eher für Mauerblümchen bekannt ist als für Extravaganz.

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Elektroautos sind zu gross und zu schwer. Honda will sie deshalb künftig «slim, light and wise» machen. Autonomes Fahren gehört da selbstverständlich dazu.

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Noch steht Honda im Schatten von Industriegigant Toyota, träumt aber mindestens so gross, was die Elektrifizierungspläne angeht. Und arbeitet auch konkret darauf hin. Basis bildet eine neue Plattform, zu der Honda noch wenig Details preisgibt, die aber bereits entwickelt wird. Einzig, dass die Batterie eben deutlich flacher und leichter sein soll als bisher, wird verraten. Damit soll das Auto nicht nur optisch, sondern auch fahrdynamisch besser werden als die gängigen, schweren Hochflur-Elektroautos. Zeigte sich Honda mit dem e:Ny1 noch überzeugt davon, dass kurze Ladezeiten überbewertet seien, heisst das Ziel künftig «Stress-free charging Performance» und strebt Ladezeiten von zehn bis 15 Minuten an. Es sind Ziele, die man kennt, die sich auch die Konkurrenz gesetzt hat. Und die über die Entwicklung der Feststoffbatterie erreicht werden sollen. Für deren Realisierung arbeitet Honda mit Zulieferer Schaeffler zusammen und hat in Japan für 43 Milliarden Yen, über 250 Millionen Franken, in eine Testanlage für Feststoffbatterien investiert.

Viel mehr autonom

Richtig futuristisch wird es mit dem Space-Hub. Ob Honda die Doppeldeutigkeit im Namen beabsichtigt, wissen wir nicht, aber das Auto könnte tatsächlich gerade von einer Touristenfahrt im Weltraum zurückgekehrt sein. Es soll vor allem auch das Gefühl des autonomen Fahrens vermitteln, ­eines weiteren Kernfelds in der Entwicklung der Japaner. Bereits 2021 begann Honda mit dem Legend als einer der ersten Hersteller, Level-3-Technologien einzuführen. 2022 kündigte man an, man könne dank zahlreicher Lidar- und Radarsensoren nach Level 3 vollständig autonom fahren, musste inzwischen aber etwas zurückbuchstabieren. Toshi­hiro Mibe bekräftigte in Las Vegas aber einmal mehr, dass Honda es ernst meint mit dem autonomen Fahren, dass Hands-off-Driving, das Loslassen des Lenkrads während der Fahrt – also: legales Loslassen –, nicht nur auf der Autobahn, sondern teilweise auch auf Landstrassen möglich sein soll. Nicht irgendwann, sondern schon innerhalb der nächsten fünf Jahre. 

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Mit dem Space-Hub zeigt Honda, was die ­Maxime «Men maximum, machine minimum» bedeutet: 

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Beste Platzausnutzung für die ­Insassen, möglichst wenig Platzverschwendung für Batterie und Antrieb.

Der Space-Hub wird in den nächsten fünf Jahren zwar nicht auf den Markt kommen, in der jetzigen Form schon gar nicht. Aber er unterstreicht Hondas Traum vom autonomen Fahren, lässt die Passagiere einander gegenübersitzen wie in einer gemütlichen Lounge mit Panoramablick. Mit Ausnahme des Fahrers allerdings, den es weiterhin braucht und der hinter einem riesigen Bildschirm und einem Yoke-Lenkrad mit Steer-by-Wire-Technologie sitzt. Alles sehr futuristisch und wohl ziemlich serienfern. Aber eben, dream big! Ob die Träume auch wahr werden, wird sich schon sehr bald zeigen, wenn der Saloon als Serienversion auf die Strasse rollt.

Fotos: Honda

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