Stetig sinkende Margen bei Neuwagenverkäufen, ein von der Elektromobilität bedrohtes Werkstattgeschäft und akute Nachwuchssorgen: Als Garagist hatte man es definitiv schon einfacher. Die drei genannten Herausforderungen sind dabei nur einige von vielen, denn zukünftige Mobilitätsmodelle stellen das Garagistengeschäft, wie man es heute kennt, grundsätzlich in Frage. Wer braucht noch eine Garage seines Vertrauens, wenn er mit seinem Smartphone einfach ein computergesteuertes Transportmittel bestellen und sich von diesem für eine günstige Pauschale von A nach B bringen lassen kann?
Tag der Schweizer Garagen – Auf Lösungssuche
Peter Forrer | 25.01.2024
Branchentreffen Am 16. Januar 2024 ging im Kursaal Bern der 18. Tag der Schweizer Garagen über die Bühne. Viele der rund 900 Teilnehmenden blickten schon optimistischer in die Zukunft, konnten sich aber bei den verschiedenen Referenten Zuversicht abholen.
AGVS-Zentralpräsident Thomas Hurter machte am Branchentreffen kein Hehl aus den grossen Herausforderungen für das Gewerbe.
Schiebt man die mögliche ferne Zukunft beiseite und konzentriert sich auf die Gegenwart, steht das (selbst gelenkte) Auto nach wie vor auf Platz eins der Mobilität. Schliesslich würden über 75 Prozent der Personenkilometer durch den privaten Strassenverkehr gefahren, wie Thomas Hurter, Zentralpräsident des Auto Gewerbe Verbands Schweiz (AGVS), in seiner Begrüssungsrede am 18. Tag der Schweizer Garagen feststellte. Der SVP-Nationalrat betonte passend zum Tagungsmotto «Von Innovationen profitieren» die Wichtigkeit von Innovationen für den Erfolg der Branche. Mit Blick auf die Geschichte zeigte sich Hurter zuversichtlich: «Wenn wir zurückblicken, hat es das Autogewerbe in schwierigen Zeiten immer wieder geschafft, sich neu zu erfinden und auf unterschiedlichste und anspruchsvolle Veränderungen richtig zu reagieren.»
Carrosserie statt Showroom
In ihrem Referat über die Innovationsstärke der Schweizer Zuliefererindustrie bestätigte Anja Schulze die grundsätzlich vorhandene Innovationsfreude der Branche. Die Direktorin des Swiss Center for Automotive Research (Swiss Car) an der Universität Zürich stellte erfolgreiche, einheimische Unternehmen der Zuliefererindustrie vor – insgesamt sind 574 Schweizer Firmen mit rund 34 000 Mitarbeitern in dieser Sparte tätig – und nannte auch die Gründe dafür, warum diese innovativ sein können: «Die Schweiz bietet mit dem Bildungssystem, dem Rechtsstaat und dem Netzwerk mit anderen Ländern beste Voraussetzungen für Innovationen.» Sie gab den anwesenden Garagisten auch eine Weisheit mit auf den Weg: Innovation sei das Einzige, was uns am Leben halte.
Referate wie jenes von Anja Schulze vom Swiss Center for Automotive Research an der Universität Zürich machten den Garagisten Mut.
Für die Garagisten, die im Alltag eher wenig Zeit haben, sich innovative Gedanken zu machen, ist vor allem die Suche nach zukünftigen, rentablen Geschäftsfeldern überlebenswichtig. Deshalb dürften sie bei der anschliessenden Podiumsdiskussion zwischen Marcel Guerry, dem Chef von Emil Frey Schweiz, Amag-Retail-Geschäftsführer Mathias Gabler und Markus Aegerter, der beim AGVS den Bereich Branchenvertretung leitet, besonders gut hingehört haben. Hier gab es Tipps aus erster Hand, denn sowohl Emil Frey als auch Amag sind wie alle AGVS-Mitglieder – ob kleine, mittlere oder grosse Garagenbetriebe – auf ein rentables Werkstattgeschäft angewiesen.
Marcel Guerry, Chef von Emil Frey Schweiz, AGVS-Mann Markus Aegerter und Mathias Gabler von der Amag (v. l.) machten in der Podiumsdiskussion Lösungsvorschläge für die Sicherstellung der Garageneinnahmen.
Weil Elektroautos im Normalfall weniger Servicearbeiten erfordern und insbesondere ihr Antriebsstrang nicht so viele regelmässig auszuwechselnde Verschleissteile und Flüssigkeiten hat, rechnet die Amag bis zu den Jahren 2035/2040 mit rund 15 Prozent Umsatzeinbussen. Diese könnten durch Kalibrierungsarbeiten an den Fahrzeugen sowie eine bessere Terminplanung und Organisation kompensiert werden. Noch viel konkreter wurde Emil-Frey-Chef Marcel Guerry: «Reifen, Carrosserie sowie Zubehör und Services braucht es, egal bei welchem Antrieb. Wir müssen schauen, dass wir das Reifengeschäft bei uns haben.» Und: «Statt eines grossen Showrooms baut man lieber eine Carrosserie – sorry, liebe Importeure.»
Grosse Nachwuchssorgen
Die allermeisten der 4000 AGVS-Mitglieder bilden Lehrlinge aus. Doch die offenen Ausbildungsplätze zu besetzen, gestaltet sich Jahr für Jahr schwieriger. Einzelne AGVS-Sektionen, wie etwa jene in Schaffhausen mit der Kampagne «Werde Autoprofi», haben deshalb Massnahmen ergriffen, um dem Nachwuchsproblem entgegenzuwirken. Am Tag der Garagisten zeigte sich in einem weiteren Podiumsgespräch unter der Leitung von AGVS-Ausbildungschef Olivier Maeder mit Vertretern der Generation Z, dass diesen vor allem die Unterstützung bei der Weiterbildung enorm wichtig ist. Und auch die Frauenförderung müsse besser werden. Simone Ruckstuhl, die mitten im Prozess ist, die Zürcher Ruckstuhl-Garagen zu übernehmen, hob hervor: «Wenn wir im Autogewerbe in Bezug auf Frauenförderung innovativ sein und wirklich etwas verändern wollen, dann müssen wir die tiefer liegenden Strukturen aufbrechen.»
Über 900 Teilnehmer waren am 16. Januar 2024 am Schweizer Garagisten-Tag dabei.
Ob junge Frauen oder junge Nachwuchskräfte im Allgemeinen – das Garagengewerbe muss wohl noch verschiedene weitere Veränderungen vornehmen, um zuerst als Ausbilder und danach als Arbeitgeber wieder attraktiv zu werden. Vor allem die Arbeitszeiten scheinen ein Thema zu sein, denn immer mehr Mitarbeiter wünschen sich eine Teilzeitstelle. Und zwar nicht nur junge, wie Simone Ruckstuhl unterstrich: «Ich erlebe es in meinem Betrieb so, dass es überhaupt nicht nur die Jungen sind, die mit solchen Wünschen kommen. Es ist ein gesellschaftlicher Wandel, und wir versuchen, darauf einzugehen.»
Bei allen Schwierigkeiten, zu denen neben der sinkenden Rentabilität und den Nachwuchssorgen noch viele weitere kommen – etwa das von zahlreichen Herstellern angestrebte Agenturmodell oder das neue Datenschutzgesetz –, darf die Garagistenbranche auf prominenten Beistand aus der Politik zählen, auch von allerhöchster Ebene. Ehrengast Albert Rösti erklärte bei seiner Rede am Garagistentag: «Der Bundesrat ist sich einig, dass das Auto einen grossen Stellenwert hat und diesen auch behalten wird. Vermutlich wird er sogar noch grösser.» Man glaubt es ihm: Der heutige Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation amtete vor der Wahl in den Bundesrat unter anderem als Präsident der Importeursvereinigung Auto-Schweiz.
Bundesrat Albert Rösti betonte den grossen Stellenwert des Autos.
Fotos: Vesa Eskola, AGVS
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