Die Chinesen kommen nun wirklich

Peter Ruch | 29.02.2024

Salon-News Astara übernimmt per sofort den Import der chinesischen Marke MG – noch diese Woche beginnt die Suche nach Händlern. Und man darf mit einer aggressiven Preispolitik rechnen.

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MG steht für Morris Garage und wurde vor 101 Jahren in Oxford (GB) gegründet. Es gab in der langen Geschichte reichlich spannende Fahrzeuge, die günstig waren und trotzdem sportliche Fahrleistungen boten. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten zuerst der MGA und ab 1962 der MGB für Furore. Ab den 1980er-Jahren ging es dann aber bergab, wie auch sonst in England, 1994 übernahm BMW die Rover-Gruppe, zu der auch MG gehörte, doch auch das ging trotz grosser Pläne schief. 2005 musste die britische Traditionsmarke Konkurs anmelden.

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Bekannte und neue Modelle: Den MG4 kennen die AR-Leser bereits, und sie können ihn bald beim Schweizer Händler kaufen. Der kleine MG3 und der spassige Cyberster folgen später.

Die Markenrechte wurden von der chinesischen Nanjing Automobile Group übernommen, die ihrerseits 2007 von der Shanghai Automotive Industry Corporation (Saic) geschluckt wurde. Den Chinesen ist zugutezuhalten, dass sie die Marke MG am Leben hielten, seit einigen Jahren werden mit einigem Erfolg auch günstige MG-Modelle nach Europa exportiert, in England und in östlichen Gefilden sind die Verkaufszahlen schon länger durchaus anständig.

Vier Modelle zum Start

Auch in der Schweiz hat MG eine lange, schöne Tradition. Die englischen Fahrzeuge gehörten zu den frühen Importen der Emil Frey AG, die heuer auch ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Die Safenwiler zählten zu den treusten Kunden der Briten, sogar die letzten echten MG, die XPower SV, fanden in den Nuller-Jahren noch ihren Weg in die Schweiz. Es mag etwas erstaunen, dass nun nicht die etablierte Emil Frey, sondern Newcomer Astara (erst seit 2019 in der Schweiz) die Traditionsmarke MG in die Schweiz importiert. Wem Astara als Importeur noch nicht so geläufig ist: Die Firma führt Alfa Romeo, Fiat, Jeep, Hyundai, Nissan ein, um nur die bekanntesten Marken zu nennen.

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Der Kleinwagen MG3 feierte in Genf seine Weltpremiere.

Mit MG kommt jetzt also die bezüglich Europa-Verkaufszahlen erfolgreichste China-Marke auch in die Schweiz. Und man hat grosse Pläne: Man will hierzulande ziemlich umgehend mindestens 1.5 Prozent Marktanteil erreichen. Dafür werden ab sofort vier Modelle angeboten, der sehr günstige ZS, der als Benziner ab 17 900 Franken kosten wird (s. Box), dazu der rein elektrische ZS, der Marvel R und vor allem der MG4, der einer der interessantesten Stromer auf dem Markt ist, zumindest, was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Als XPower ist er 320 kW (435 PS) stark, bietet Allradantrieb und ein gefälliges Design zu ­einem Preis von weniger als 40 000 Franken. Dass diese Autos sofort angeboten werden, hat allerdings einen Haken: Man ist noch auf der Suche nach Händlern. Noch diese Woche wird damit begonnen. Astara hat schon eine gewisse Erfahrung, sie brachte auch die chinesische Marke Aiways in die Schweiz, doch dort herrscht zurzeit Pause, die Chinesen haben das eine oder andere Problem und wollen sich neu ausrichten.

Neue Chefin für die Schweiz

Solche Probleme wird es mit MG wohl nicht geben, denn mit Saic steht die mit Abstand grösste chinesische Herstellerin hinter der Marke. Und im vergangenen Jahr wurden mehr als fünf Millionen Fahrzeuge produziert. Saic ist in China Partner von Volkswagen und General Motors, emanzipiert sich aber mit ihren eigenen Marken immer mehr von diesen Joint Ventures. Gerade MG ist ein Paradebeispiel für die eigene Stärke, wurden doch in Europa im vergangenen Jahr immerhin 230 000 Fahrzeuge verkauft. Angeblich arbeiten in China rund 2000 Designer an neuen Produkten, die auch den europäischen Geschmack voll treffen sollen.

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Still und heimlich hat MG in Genf auch noch eine neue Untermarke präsentiert: IM. Sie soll wie AMG bei Mercedes oder N bei Hyundai für sportlich-luxuriöse Varianten stehen.

In der Schweiz wird Nicole Sahlmann die Geschicke von MG leiten, und sie sieht viel Potenzial: «Die Marke MG kommt zum richtigen Zeitpunkt und mit einem äusserst interessanten Angebot in die Schweiz. Sie macht Elektromobilität für die Öffentlichkeit erschwinglich und bietet gleichzeitig Qualität und Leistung. Die Marke ist progressiv und originell – und richtet sich nicht nach einem Status aus. Viel mehr stellt sie die Freude an der modernen Mobilität in den Mittelpunkt.»

Weltpremiere in Genf

Sahlmann darf sich neben den schon genannten Modellen auch auf ein paar Neuheiten freuen. In Genf feierte der MG3 Weltpremiere, ein direkter Konkurrent zum Toyota Yaris oder Opel Corsa, 4.11 Meter lang. Und erstaunlich potent: Die Systemleistung des Hybrids beträgt stolze 143 kW (194 PS), ein verhältnismässig grosser Akku soll auch einige Kilometer rein elektrischer Fahrt erlauben. Noch mehr Fahrfreude wird aber sicher der Cyberster bereiten, der 400 kW (544 PS) stark ist, in 3.2 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und mit Strom aus einer 77-kWh-Batterie rein elektrisch doch fast 450 Kilometer weit kommen soll. Der gefällige Roadster mit seinen Scherentüren kommt noch vor Ende des Jahres ebenfalls in die Schweiz – und soll rund 60 000 Franken kosten. Damit wäre der weniger als zwei Tonnen schwere Cyberster nicht nur der erste offene Stromer, sondern auch tatsächlich ein Schnäppchen. 

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Der über 500 PS starke Cyberster kommt noch in diesem Jahr in die Schweiz, als erster offener Stromer.

Fahreindruck MG ZS: Billig war gestern, heute ist günstig

Wenn man liest, dass MG seinen ZS in der Schweiz schon ab 17 990 Franken anbieten wird, dann sind viele Vorurteile schon gemacht und die Kommentare absehbar: China-Schrott wird ganz sicher genannt werden, Billigheimer, Plastikgestank, um nur einmal die freundlicheren Worte zu zitieren. Das können wir hier, nach einem ersten Fahreindruck mit dem MG ZS, relativieren. Nein, er riecht nicht, denn überall dort, wo das Auge hinfällt, gibt es keinen billigen Kunststoff. Und nein, ein Billigheimer ist er auch nicht, die Verarbeitung macht einen soliden Eindruck – und der Hersteller gibt sieben Jahre Garantie.

Es handelt sich beim MG ZS um ein 4.31 Meter langes, 1.81 Meter breites und 1.62 Meter hohes SUV im B-Segment, entspricht also etwa einem Dacia Duster. So richtig modern wirkt der ZS nicht mehr, was nicht wundert, denn in China ist er schon seit 2016 auf dem Markt, zuletzt erhielt er 2021 ein sanftes Facelift. Doch innen ist er einigermassen auf der Höhe der Zeit, es gibt einen zentralen Touchscreen, darunter noch ein paar versteckte, aber immerhin beleuchtete Tasten für die wichtigsten Funktionen. Und die Übersicht ist gut, die Bedienung so einfach, wie man das gerne mag. Die Sitze sind angenehm straff, die Platzverhältnisse auch für die hinteren Passagiere anständig. Das Kofferraumvolumen beträgt 448 bis 1166 Liter, die Ladekante liegt allerdings etwas hoch.

Angetrieben wird der Chinese von einem schon etwas betagten 1.5-Liter-Vierzylinder mit 78 kW (106 PS) oder von einem moderneren Einliter-Dreizylinder mit 82 kW (111 PS), diese Motorisierung lässt sich auch mit einem Sechsstufen-Automaten kombinieren. Genau diese Variante durften wir auch fahren – und waren positiv überrascht von der Drehfreude und der Kraftentwicklung des kleinen Motörchens. Der Automat schaltet sanft, es herrscht eine angenehme Ruhe in diesem Fahrzeug. Mit Automat und der Topausstattung sind dann zwar 22 990 Franken fällig, doch das erscheint immer noch als ein ausgesprochen fairer Preis für ein Fahrzeug, das mit seiner präzisen Lenkung und einem erfreulich straffen Fahrwerk durchaus Anflüge von Fahrspass vermitteln kann. Es gibt den MG ZS übrigens ab sofort auch rein elektrisch – ab 29 990 Franken. PRU

Fotos: radical-mag.com

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