Salon-Eindrücke Es fällt tatsächlich etwas schwer, den Genfer Salon 2024 schönzuschreiben. Doch der Hauptdarsteller, der Renault 5, hat die grosse Bühne für sich allein auch verdient.
Es war wohl ein Montagmorgen, den selbst der krisenerprobte und weltgewandte Luca de Meo, Konzernlenker der Renault-Gruppe, nicht so schnell vergessen wird. Schon am frühen Morgen durften die Franzosen am Genfer Autosalon die Auszeichnung Car of the Year 2024 für ihren Scenic entgegennehmen, kurz darauf zog de Meo das Tuch von seinem jüngsten Kind, dem wiedergeborenen, jetzt rein elektrischen R5. Das waren sie dann auch schon, die zwei grossen Höhepunkte der 91. Austragung der Automesse, die seit einigen Jahren den sperrigen Namen Geneva International Motor Show, kurz Gims, trägt.
Hoher Eintrittspreis
Der Stand von Renault ist selbstverständlich der mit Abstand grösste dieses kleinen Salons, er erinnert in seiner Aufmachung sogar an die guten Zeiten der Ausstellung, die zuletzt 2019 stattgefunden hatte. Neben den Franzosen sind nur noch BYD, MG, Dacia, Lucid und Kimera mit professionellen Auftritten vor Ort, die Stände anderer Hersteller wirken teilweise etwas gar kümmerlich. Errerre Fuoriserie zum Beispiel hat ein Auto, drei Stühle, ein Tischchen und einen Abfalleimer vorzuweisen (Bild unten). Ob solche Standards potenzielle Kunden zu überzeugen vermögen, darf bezweifelt werden. Dass aber auch Kleinsthersteller sehr professionell agieren können, zeigt Kimera mit seiner Sammlung von Lancia-Rennlegenden.
So gut die Renault-Gruppe die grosse Bühne ganz alleine bespielt, so traurig ist der Anblick der restlichen Messe. Die Halle 4 umfasst etwa ein Drittel des Raumes früherer Jahre, dazu kommt ein kleiner Teil der Halle 2 im oberen Stock mit einer sehr grosszügig gestalteten Ausstellung von etwa 40 Klassikern (s. ebenfalls rechts). Man darf sich da schon die Frage stellen, ob sich so der auf 25 Franken erhöhte Eintrittspreis rechtfertigen lässt. Trotzdem erwartet Autosalon-Direktor Sandro Mesquita bis Sonntag, 3. März 2024, 200 000 Besucher.
Zurückhaltende Chinesen
Es war eigentlich erwartet worden, dass die Chinesen in Abwesenheit der etablierten europäischen, japanischen und koreanischen Hersteller den freien Platz einnehmen würden. Doch mit Ausnahme von MG/Saic, einem bislang unbekannten Luxusbus-Tuner namens Shenzer und BYD ist aus dem in der Autosparte so stark aufstrebenden Reich der Mitte niemand angereist. Hingegen tritt MG per sofort auf dem Schweizer Markt an, da war eine kleine Show sicher begründet, und BYD wird noch in diesem Jahr folgen. Die beiden chinesischen Firmen – Saic ist immerhin die sechstgrösste Autoherstellerin der Welt und BYD der grösste EV-Produzent – verhielten sich jedoch sehr zurückhaltend, keine grossen Worte, keine pompösen Auftritte.
Und das könnte vielleicht auch eine der bittersten Erkenntnisse der diesjährigen Gims sein: Nicht einmal die chinesischen Marken, die ansonsten gerne jede mögliche Bühne bespielen, sehen Genf noch als wichtigen Standort. Das ist auch deshalb tragisch, weil die Möglichkeit, dass in Europa noch eine grosse Messe regelmässig stattfinden kann, damit verschwindend klein wird: Brüssel hat sich aus dem Rennen verabschiedet, Paris ist nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst, und auch die IAA in München kommt nicht so recht vorwärts. Das ist unter anderem auch deshalb erstaunlich, weil die Besucherzahlen von Messen auf anderen Kontinenten nach der Pandemie wieder nach oben gehen, nicht nur in China, sondern auch in den USA. Aber vielleicht bedrückt das die Genfer Organisatoren ja gar nicht so sehr, sie haben mit den Scheichs aus Katar schliesslich Geldgeber im Rücken, die noch so manches Defizit decken können – und die alle zwei Jahre eine Gims in Doha möglich machen. Es ist derzeit noch müssig, darüber zu diskutieren, ob der Genfer Autosalon noch eine Zukunft hat. In der jetzigen Form, mit dieser geringen Anzahl von Ausstellern und Attraktionen, eher nicht, er ist für die Besucher zu wenig interessant.
Kundschaft hinter den Kulissen
Doch da ist die Frage vom Huhn und vom Ei, solche Veranstaltungen unterliegen einer Wechselwirkung. Ist die Show besser, strömt auch das Publikum – ist der Besucherandrang gross, ist auch das Bedürfnis, Teil der Show zu sein, sicher vermehrt vorhanden. Während des Pressetages in Genf sahen wir eine ganze Reihe Vertreter von Herstellern, die in Genf nicht zu den Ausstellern gehören. Mit vielen haben wir gesprochen. Und alle sind eigentlich händeringend auf der Suche nach Formaten, an denen sie sich (gut) präsentieren könnten. Zwar haben die Luxushersteller mit Goodwood (GB) und der Monterey Car Week (USA) so etwas wie Ersatz für Genf gefunden, doch auch Bentley und Co. vermissen den ruhigen, gepflegten Auftritt in der Calvin-Stadt, der einst Kundschaft aus der ganzen Welt in die Luxuslounges hinter den Kulissen der Gims brachte.
Und vielleicht ist es auch deswegen noch nicht zu spät für die Geneva International Motor Show – bessere Ideen für ihre Präsentationen ausser Automessen haben gerade die grossen Hersteller bisher noch nicht gefunden. Allenfalls sollte man als Zuschauer deshalb der aktuellen Messe eine Chance geben, gerade als Herr und Frau Schweizer. Denn immerhin lebt in Genf auch ein berühmter Schweizer Name wieder auf. Motosacoche, 1899 in Genf gegründet, war bis zum Zweiten Weltkrieg der grösste Motorradmotoren-Hersteller in Europa, ging aber 1956 in Konkurs. Jetzt wird die grosse Marke wiederbelebt, mit einem wunderschönen E-Motorrad (Bild unten) – und dies ausgerechnet am Autosalon von Genf.