«Ein Dacia darf wertig aussehen»

Simon Tottoli | 07.03.2024

Selbstbewusst Die einstige Billigmarke Dacia ­erfindet sich neu. Auch beim Design, das laut Konzept-Designchef Romain Gauvin ein echtes Kaufargument sein soll.

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Am Genfer Autosalon zeigte Dacia sein neues, selbstbewusstes Gesicht. Der dritten Generation des Duster steht es gut.

Was Volkswagen kann, können wir auch, dachten sich wohl die Verantwortlichen von Renault, als sie sich damals, 1999, nach jahrelangem On-off-Engagement die rumänische Automarke Dacia einverleibten und bald darauf begannen, preisgünstige Modelle mit Renault-Technik auf den Markt zu bringen. VW hatte es schliesslich vorgemacht mit Skoda, das zwar eine sehr grosse Geschichte aufweisen konnte, hinter dem Eisernen Vorhang aber nie mehr in Fahrt gekommen war.

Das Resultat der deutsch-tschechischen Familiengeschichte kennen wir alle. Skoda ist erfolgreich und nutzt die Konzernbauteile manchmal sogar cleverer als die Muttermarke selbst. Jedenfalls sind die Modelle längst so gut und optisch derart gefällig, dass sich ein Skoda ganz bestimmt nicht als billiger Abklatsch bezeichnen lassen muss – auch wenn er preislich im Normalfall immer noch etwas tiefer angesetzt ist als vergleichbare Modelle von Mama VW und Schwester Audi. Diese Preisdifferenz wird allerdings laufend kleiner.

Billiglook war gestern

Bei Dacia geht die Entwicklung in eine ganz ähnliche Richtung, wobei sich das mehr auf das Selbstbewusstsein als auf die Preisschilder bezieht. Wer sich an den 2004 lancierten Logan erinnert, sieht eine freudlos gestaltete Limousine und einen nicht minder unscheinbaren Kombi-Van vor sich. Einen Logan Pick-up gab es ebenfalls. Mit Motoren von Renault und auch sonst ganz viel Renault-Technik machten sich die Logan auf, preisbewusste Käufer für sich zu gewinnen. Und die Kunden durften wirklich sehr preisbewusst sein dank eines Einstiegspreises von 10 700 Franken, den Dacia beim Marktstart in der Schweiz für die Limousine aufrief. Auch der 2008 vorgestellte Sandero auf Basis des Renault Clio war ein Schnäppchen. So richtig ins Rollen kam die Marke in der Schweiz aber erst mit dem damals teuersten Modell, dem SUV Duster ab knapp 20 000 Franken.

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Echte Begeisterung: Dacia-Designer Romain Gauvin (l.) erklärt im Gespräch mit Simon Tottoli, wie er der Marke eine neue, optische Hochwertigkeit verleiht.

Und heute? Preislich hat sich gar nicht so viel verändert, der aktuelle Sandero ist ab 14 690 Franken zu haben, die in den Startlöchern stehende dritte Generation des Duster geht mit einem zweifellos wettbewerbsfähigen Basispreis von 24 290 Franken ins Rennen. Und wer Dacia als Marke nicht so gut kennt, sieht dem Rumänen den Budgettarif nicht an. Stolz und selbstbewusst standen der neue Duster, der frisch überarbeitete Stromer Spring (Präsentation s. AR 8/2024) und der Rest der Dacia-Palette am Genfer Salon. Obwohl der Messeauftritt verglichen mit jenem von Mutter Renault eher schlicht ausfiel, versprühten die Modelle durchaus einen gewissen Stil, der mit Billiglook wenig zu tun hat. Das war auch das Ziel von Romain Gauvin, Chefdesigner für Advanced Design und Concept Cars bei Dacia: «Unsere neue Designsprache soll vor allem Robustheit verkörpern und sich auf das Essenzielle konzentrieren. Ein Dacia darf dabei wertig aussehen», betont er.

Kein Bling-Bling

Am wichtigsten sind für ein gelungenes Design laut Romain Gauvin stimmige Proportionen. Auf diese hätten er und sein Team bei der Grundgestaltung des neuen Duster den Fokus gesetzt. Von Effekthascherei hält er derweil wenig: «Unsere Kunden wollen gar kein Bling-Bling, sondern ein funktionales Auto, das nicht nur robust ist, sondern auch so aussieht.» Eine solche Kombination könne durchaus hochwertig daherkommen, hält er fest. Selbst in den Interieurs komme die gelebte Robustheit in Verbindung mit der Konzentration auf hohe Praktikabilität dem Design zugute.

Zur Person

Romain Gauvin (43) fungiert als Chief Designer Advanced Design und Concept Cars bei Dacia. Nach dem Besuch des College for Creative Studies in Detroit (USA) und dem Masterstudium am Strate College for Design arbeitete der gebürtige Franzose unter anderem bei Hyundai-Kia und Stellantis, bevor er im Januar 2022 zu Dacia wechselte. In seiner Funktion ist er massgeblich an der Grundausrichtung des aktuellen und zukünftigen Dacia-Designs beteiligt.

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Romain Gauvin weiss, wovon er spricht, wenn er das Wort robust in den Mund nimmt. Er war nämlich massgeblich an der Gestaltung des Dacia Sandrider beteiligt, mit dem die Renault-Tochter 2025 an der Rallye Dakar antreten will (s. Artikel Seite 5). Zwar könne man die Personenwagen von Dacia nicht einmal ansatzweise mit den Rallye­boliden vergleichen, aber es sei beeindruckend, wie stark man die Piloten mit einem durchdachten Design unterstützen könne. Ähnlich funktioniere das auch bei den Käufern eines Dacia: «Wir wollen den Kunden einen Mehrwert bieten, sowohl in optischer wie in praktischer Hinsicht.»

Design als Kaufargument

Während früher die wenigsten Kunden einen Dacia gekauft hätten, weil er ihnen gefallen habe, sehe das heute anders aus, meint Romain Gauvin: «Tatsächlich gibt es jetzt viele Käufer, die sich von der Optik ihres Dacia angesprochen fühlen.» Deshalb investiert die Marke verstärkt in ihr Design. Dank des Erfolgs auf dem Markt könne sie sich das auch leisten, fügt Gauvin an. Das Gleiche gelte für die gestalterische Emanzipation von Renault: «Wir arbeiten zwar sozusagen Tür an Tür und tauschen auch regelmässig Ideen aus, machen aber wirklich unser eigenes Ding, wenn es um das Design der Dacia-Modelle geht.»

Bei aller Designintensität könnte man glatt denken, Dacia emanzipiere sich vielleicht demnächst auch preislich, werde also teurer. Doch das müssen die Kunden nicht fürchten, denn Vorstandschef Denis Le Vot betonte am Genfer Autosalon in einem Gespräch mit Journalisten, dass man die Modelle bewusst «basic» halte, aber eben auf eine «coolere» Art und Weise wie früher. 

Fotos: Dacia, Simon Tottoli

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