Wie Renault aus dem Recycling ein Geschäft macht

Ramon Egger | 16.11.2023

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In Flins (F) recycelt Renault alte Fahrzeuge und nutzt die Materialien für Neuwagen.

Vermutlich bei keinem anderen europäischen Hersteller hat die Kreislaufwirtschaft einen so hohen Stellenwert wie bei Renault. Schon früh begann Renault mit Batterierecycling, und mit dem vor über zehn Jahren lancierten vollelektrischen Zoe konnte der Konzern bereits einiges an Erfahrung sammeln. Mit der von CEO Luca de Meo durchgeführten Neugliederung der ­Renault-Gruppe wurden nicht nur verschiedene Geschäftsbereiche geschaffen, die sich um Verbrennungsmotoren, Elektroantriebe und Mobilitätsdienstleistungen kümmern, sondern auch ein eigener Bereich für Klimaneutralität mit dem sperrigen Namen «The Future is Neutral».

Ein hoher Stellenwert kommt dabei der Kreislaufwirtschaft zu, also der Wiederverwertung bereits einmal in Autos verbauter Materialien. Verantwortlich für die Umsetzung ist Cléa Martinet, die Leiterin des Bereichs für nachhaltige Entwicklung.

Mit zunehmender Verbreitung von Elektroautos können bereits sehr viele CO₂-Emissionen vermieden werden – sofern die Autos mit grünem Strom geladen werden. Neue Schwerpunkte sind deshalb die Produktion der Fahrzeuge und der Abbau der nötigen Ressourcen. Nur wenn auch der Abbau klimaneutral geschieht, kann das Fahrzeug am Ende ohne CO₂-Fussabdruck dastehen, was das erklärte Ziel von Renault ist und das bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Entscheidend dabei ist auch, so wenige neue Ressourcen wie möglich zu verbrauchen und die bereits abgebauten Rohstoffe so lange wie möglich zu nutzen. Das funk­tioniert nur über ein vollständiges Recycling am Ende der Lebensdauer eines Autos. «Wir sind bei Renault etwas anders als die Konkurrenz», erklärt Cléa Martinet. «Wir haben kurze Kreisläufe bei den rezyklierten Materialien. Die meisten anderen Hersteller recyceln alte Fischernetze oder PET-Flaschen für Sitzbezüge. Das tun wir natürlich auch, aber wir nutzen auch die Materialien aus ausgedienten Fahrzeugen über unseren Bereich ‹The Future is Neutral›.»

Investitionen in die 
Kreislaufwirtschaft schützen uns vor der Volatilität des Marktes und der Verknappung einiger Ressourcen.

Cléa Martinet – Leiterin Geschäftsbereich Nachhaltige Entwicklung bei Renault

Dabei geht es längst nicht nur um ökologischen Idealismus, sondern auch um politische Vorgaben (s. Haupttext), die die Hersteller zum Recycling zwingen und die Versorgung Europas mit kritischen Materialien sichern sollen. Für die Industrie mindestens ebenso wichtig ist die harte, wirtschaftliche Realität. Auch Renault macht daraus kein Geheimnis. Cléa Martinet: «Investitionen in die Kreislaufwirtschaft schützen uns vor der Volatilität des Marktes und der Verknappung einiger Ressourcen. Wir haben gesehen, dass die Preise für Seltene Erden stark gestiegen sind – jetzt kommen unsere Motoren und Batterien ohne aus.»

Über Rohstoffe, die man bereits hat, hat man die Kontrolle. Über die Kostenentwicklungen auf dem Primärmarkt hat man kaum Einfluss, die Kontrolle hat zum grössten Teil China. Wie sich die Rohstoffpreise in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit zunehmendem Bedarf entwickeln werden, weiss kaum jemand. Das gilt auch für grundlegende Materialien wie Kupfer oder Stahl: «Wenn wir also in Recycling von Stahl aus Schrott investieren, ist das auch toll.» Renault ist sicher, dass sich die grüne Unternehmenspolitik langfristig lohnt: «Recycling ist immer noch teuer, ich will mich da nicht von der wirtschaftlichen Realität entfernen. Aber es wird kommen, spätestens mit der Einführung einer CO₂-Besteuerung für alle neuen Materialien. Und wenn wir jetzt in etwas investieren, das kurzfristig teurer, aber langfristig stabiler ist – nämlich in rezyklierte und wiederverwertete Materialien –, dann haben wir als europäischer und französischer Automobilhersteller einen echten Wettbewerbsvorteil.»

Neue Marke für Elektroautos

Mit der Aufteilung von Renault in verschiedene Geschäftsbereiche im Rahmen der Renaulution-Strategie wurden nicht nur ein neuer Geschäftsbereich für die Kreislaufwirtschaft geschaffen, sondern auch die Geschäftsbereiche für Verbrennungsmotoren und Elektroantriebe aufgetrennt und eine neue Tochter für Elektromobilität lanciert. Unter der Marke Ampere sollen künftig eigene Elektroautos auf den Markt gebracht werden. Was schon länger angekündigt war, wurde Anfang November vollzogen, Ampere wurde offiziell gegründet. 11 000 Mitarbeiter aus der Renault-Gruppe wurden in die neue Tochter überführt, sie arbeiten an fünf Standorten in Frankreich. Geleitet wird Ampere vorerst direkt von Luca de Meo, dem CEO der Renault-Gruppe.

Auch die beiden Allianzpartner Nissan und Mitsubishi sollen in die neue Elektromarke investieren – Nissan 600 Millionen, Mitsubishi 200 Millionen Dollar. Erklärtes Ziel von Ampere: Die Marke soll in Europa Tesla und Volkswagen Konkurrenz machen und zum Marktleader für Elektroautos werden. Vor allem über ein starkes Angebot im unteren Preissegment.

Fotos: Renault

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