Automobil Revue | 02.12.2024
Der Abschied von CEO Carlos Tavares beim Automobilkonzern Stellantis für Anfang 2026 war beschlossene Sache – jetzt sind die Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und CEO eskaliert und Tavares räumt mit sofortiger Wirkung seinen Posten.
Noch Anfang 2024 stimmte die Chemie zwischen dem Board des Multimarken-Konzerns Stellantis und seinem CEO: Dank eines zusätzliches 10-Millionen-Euro-Bonus stieg sein Jahressalär für 2023 auf rund 36.5 Millionen Euro – und das in Zeiten, in denen der Hersteller zwar Rekordgewinne schrieb, aber schon massiv auf der Kostenbremse stand und Personal abbaute.
Die Zahlen für das laufende Jahr 2024 sind allerdings alles andere als berauschend. Vor allem in Nordamerika, wo der Konzern seine stärkste wirtschaftliche Basis hat, haben sich riesige Lagerbestände angehäuft, die Händler werden ihre Autos nur mit Mühe los. Der Absatz ging im dritten Quartal in den USA im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17 Prozent zurück. Die Marken Dodge, Ram, Jeep und Chrysler sorgten für erhebliche Verluste.
Im September gab Stellantis deshalb eine Gewinnwarnung heraus – bis zu zehn Milliarden Euro Barmittelverbrauch wurden darin prognostiziert. Als Folge baute der Konzern im Oktober seine Führungsetage um, sowohl der Finanzvorstand als auch der Chef des Nordamerika-Geschäfts mussten gehen – Tavares blieb jedoch im Amt.
Allerdings kündigte Stellantis an, Tavares werde das Unternehmen Anfang 2026 nach Ablauf seines Fünf-Jahres-Vertrags verlassen.
Damit war der 66-jährige Portugiese nicht nur das, was man in der Politik eine «Lame Duck» nennt, hinter den Kulissen verschäften sich überdies die Spannungen zwischen Vorstand und CEO. Die Nachrichtenagentur Reutes berichtet mit Hinweis auf Quellen im Unternehmen, der Vorstand sei der Ansicht, dass Tavares sich auf kurzfristige Lösungen konzentriere, um seinen Ruf zu retten, anstatt im besten Interesse des Unternehmens zu handeln.
Der Aktienkurs von Stellantis ist in diesem Jahr um fast 40 Prozent abgestürzt
Nun sind die Spannungen offenbar eskaliert und Tavares trat zurück. Die Meinungsverschiedenheiten mit Vorstand und Grossaktionären über die Frage, wie die sinkenden Verkaufszahlen aufgefangen und der Aktienkurs – der in den letzten zwölf Monaten um fast 40 Prozent abgestürzt ist – stabilisiert werden könnten, waren nicht beizulegen.
Obwohl damit erst einmal führungslos, weil die Suche für die Tavares-Nachfolge noch auf Hochtouren läuft, akzeptierte der Vorstand den Rücktritt. Die Führung des Autoherstellers übernimmt ein Interimsausschuss unter Vorsitz von John Elkann. Ein neuer CEO werde in der ersten Hälfte des Jahres 2025 ernannt, teilte das Unternehmen mit.
Tavares war 2014 nach einer langen Karriere bei Renault an die Spitze des französischen Konkurrenten PSA (Peugeot-Citroën) gewechselt. Mit der Fusion von PSA mit Fiat-Chrysler wurde er 2021 Vorstandsvorsitzender des daraus entstandenen Stellantis-Konzerns.
Zu Stellantis gehören unter anderem die Marken Peugeot, Citroën, Maserati, Lancia, Fiat, Alfa Romeo, Dodge, Chrysler, Jeep und Ram sowie Opel.
Das Fachblatt Automotive News zitiert zum Tavares-Rückzug Erik Gordon, Professor an der Ross School of Business der University of Michigan: «In Nordamerika wird er nicht vermisst werden. Nicht von den Zulieferern, mit denen er gekämpft hat. Nicht von den Händlern, mit denen er gekämpft hat. Und nicht von den Autokäufern, die seine Fahrzeuge ignoriert haben.»