Das Bild vom Musterschüler hat Risse bekommen. Der Absatz von Elektroautos (BEV) in Deutschland schwächelt. Im Land der grossen Automobilhersteller wurden im ersten Quartal 14 Prozent weniger rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge verkauft als im Jahr zuvor. Damit hat ein jahrelanger Boom ein abruptes Ende gefunden.
Die tiefroten Bremsspuren in den Bilanzen sind hausgemacht. Denn im Dezember 2023 setzte der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) massive Budgetkürzungen durch, das Bundeswirtschaftsministerium unter dem Ressortchef Robert Habeck (Grüne) stoppte praktisch aus dem Stand heraus die Förderzahlungen für Elektroautokäufer. Die Autohersteller sprangen mit Preisnachlässen ein, das Vertrauen der Konsumenten war aber schwer beschädigt – inklusive der zum Teil nachvollziehbaren Unterstellung, die Hersteller hätten die Förderung bis dahin genutzt, überhöhte Preise zu verlangen und damit ihre Marge aufzubessern.
Europas Leitmarkt ist Grossbritannien
Mit Ende des ersten Quartals haben die Deutschen damit auch die Poleposition als führender Elektromarkt in Europa verloren. In Grossbritannien wurden einige Tausend Elektrofahrzeuge mehr verkauft, der BEV-Anteil an den Neuimmatrikulationen liegt auf der Insel bei 15.5 Prozent, in Frankreich bei fast 18 Prozent, während er in Deutschland auf unter zwölf Prozent rutschte (s. Tabelle). Das hat mit den Rahmenbedingungen zu tun. Die Briten zwingen die Autohersteller mittels hoher Strafzahlungen, mindestens 22 Prozent ihrer Verkäufe als Nullemissionsfahrzeuge auf den Markt zu bringen. Ähnlich agiert Frankreich: Dort werden Fahrzeuge mit hohem Verbrauch – beginnend bei umgerechnet schon 117 Gramm CO2 pro Kilometer – mit einem Malus besteuert. Auf der anderen Seite gibt es ein Förderprogramm bis hin zu vergünstigten Leasingkonditionen für Personen mit niedrigem Einkommen. Weltweit, so das Beratungsunternehmen Strategy&, das zu PwC gehört, war der Trend zur Elektrifizierung nahezu ungebrochen. Mehr als eine Million BEV fanden in China einen Käufer, zudem registrierten die Analytiker starke Zuwächse bei Plug-in-Hybriden, die zum Beispiel in den USA kräftig zulegten.
Die Gemengelage ist also nicht einfach, und sie wird noch komplizierter durch die Strafzölle, die US-Präsident Joe Biden für Autos aus China verhängte, die Amerikaner vervierfachten den Einfuhrzoll auf 100 Prozent. Die EU denkt ebenfalls über Zoll-Protektionismus nach, weil die Zahl der chinesischen Marken, die auf den europäischen Markt drängen, gefühlt von Tag zu Tag wächst. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilhersteller (VDA), warnt allerdings vor einem Zollkrieg, denn die Gegenreaktion aus Peking dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Und nach wie vor sind die deutschen Hersteller massiv abhängig vom Markt China.