Ganz lösen konnten die Italiener sich nicht von ihrem Erfolgsmodell, dem Cinquecento. Der 600 ist dem kleineren Bruder buchstäblich aus dem Gesicht geschnitten. Seine Bezeichnung aber verrät, dass man sich bei Fiat wieder zu mehr bekennt als bloss zum 500 in zahllosen Variationen. Den Fiat 500X gibt es noch immer als Hybrid zu kaufen, gemäss Ankündigung soll es aber auch den 600er dereinst mit dem Hybrid-Verbrennungsmotor geben, der den 500X in Rente schicken soll.
Uns stand erst einmal die E-Version zur Verfügung. Gemäss den technischen Daten ist diese mit 115 kW (156 PS) die leistungsfähigste Version im ganzen Fiat-Modellprogramm. Der 600 ist in seinem Wesen keine Neuheit, er basiert wie der Jeep Avenger oder der Opel Mokka auf der ECMP-Plattform von Stellantis. Und wie andere Produkte hat auch der Fiat 600e von den Verbesserungen profitiert, die der Konzern seinen E-Varianten hat angedeihen lassen. Damit sind die Rahmenbedingungen bekannt. Der 600e hat eine Batteriekapazität von netto 52 kWh und fährt in der Theorie damit rund 400 Kilometer weit. Soweit sind das sichere Werte. In der Praxis präsentiert sich der Fiat 600 ungefähr so, wie man dies von einem Italiener erwartet. Unser Testwagen war feuerrot lackiert, und mit dieser Farbe gewinnt der lustvoll gezeichnete 600 zusätzliche Sympathien – und nicht nur mit seinem nach dem Kindchenschema gestalteten Gesicht und der leicht pummeligen Karosserieform. Er sieht aber nicht mehr aus wie der übergewichtige grosse Bruder des Fiat 500. Sehr erfreulich ist dazu die fehlende Effekthascherei bei diesem Auto.
Dies zieht sich im Innenraum weiter. Das Armaturenbrett in Wagenfarbe bringt gute Stimmung in die Stube. Der Instrumententräger, heute so digital wie bei der Konkurrenz, orientiert sich am selben Retrodesign wie derjenige des 500. Dazu gibt es einen moderaten Zentralbildschirm und Tasten für die Bedienung der Elementarfunktionen – eine gute Entwicklung. Gänzlich vom üblichen Stellantis-Schema mit einem Schiebeschalter weicht hingegen die Leiste mit Drucktasten für die Fahrtrichtung ab. Von allen Lösungen dieser Art, die im Zuge der Elektrifizierung wieder aus der Versenkung hervorgeholt werden – Drucktastenautomaten kamen in den 1950er-Jahren in Mode, allerdings ohne ersichtlichen Mehrwert –, ist diese Anordnung jene, die bei der Bedienung am meisten Konzentration einfordert. Nur ein Blick auf die Tasten gibt einem Gewissheit, ob das Richtige – vorwärts oder rückwärts – eingelegt ist. Daneben gibt es eine B-Stellung für stärkere Rekuperation und einen separaten Schalter auf der Mittelkonsole für die drei Fahrmodi Sport, Normal und Eco. Witzig ist die als Leporello aufklappbare Abdeckung der Mittelkonsole, die zudem rutschfest ist. Ansonsten bleibt der Fiat recht sachlich in der Bedienung. Bei der Sitzposition macht sich jedoch ganz subtil der Italiener bemerkbar. Für Langbeinige liegt das Lenkrad im Verhältnis zum Sitz auch bei voll ausgezogener Stellung eine Spur zu weit weg. Soll es für die Arme passen, dann endet der Fahrer in der typischen Froschhaltung, die wir aus den klassischen Alfa Romeo oder auch aus dem aktuellen Benziner-Fiat 500 kennen. Dies ist aber Gewöhnungssache.
Freundlicher Partner
Wie alle Stellantis-Kompaktstromer zeichnet sich auch der 600e mehr durch seine zuverlässige Beschleunigungsbereitschaft aus als durch brachiale Geschwindigkeitsänderung. Wenn er losfahren soll, merkt man stets, dass relativ wenig Leistung doch recht viel Gewicht mitzuschleppen hat. Dafür ist der Wagen handlich, die Art früherer italienischer Kleinwagen, mit denen man sich oft eine Spur flinker als der Rest durch den Stadtverkehr bewegte, funktioniert auch beim Fiat 600. Die Lenkung arbeitet lustvoll und zielgenau. In der B-Stellung der Fahrstufen wünschte man sich eine etwas nachdrücklichere Verzögerung. Ist die Batterie voll, so bremst der 600 elektrisch kaum, wer oben am Berg wohnt und am Morgen früh losfährt, muss sich daran gewöhnen, dass dann ein kräftigerer Druck auf die Betriebsbremse nötig ist.