Verbrauchsziele der EU: VW und Ford drohen hohe Strafen

Klaus Justen | 23.08.2024

Das Jahr 2025 wird für die Autohersteller zur Nagelprobe: Vor allem VW und Ford drohen hohe Millionenstrafen, weil sie Gefahr laufen, die Verbrauchsvorgaben der Europäischen Union zu reissen. Die Hersteller müssen dringend ihre Verkaufszahlen bei Elektrofahrzeugen erhöhen, ist das Fazit einer Studie des Marktforschungsunternehmens Dataforce.

Charging vw id3

Aktuell gelten für Personenwagen in der EU 116 Gramm CO2/Kilometer als durchschnittliche Emissionsgrenze. Dieser soll im Jahr 2025 auf 93.6 g/km sinken, das ist ein Rückgang um 19 Prozent. Diese CO2-Emission entspricht bei einem Benziner einem Verbrauch von 3.9 Litern auf 100 Kilometer, bei einem Diesel sind es 3.5 l/100 km.

Erreichen Hersteller diese Zielvorgaben für ihre Flotten nicht, drohen millionenschwere Strafen. Denn pro Gramm Überschreitung werden 95 Euro Strafzahlung in Rechnung gestellt – pro verkauftem Fahrzeug.

Nach der Analyse von Dataforce haben die verschiedenen Herstellergruppen bereits beträchtliche Anstrengungen unternommen und waren recht erfolgreich dabei, ihre Ziele für den Zeitraum bis 2024 zu erreichen. Für 2023 haben demnach alle grossen Hersteller ihre Ziele erreicht, für 2024 seien die Ziele in Reichweite. Sieben der zehn grössten Konzerne liegen nach Angaben von Dataforce bereits unter ihren Zielen. Die VW-Gruppe, Renault-Nissan-Mitsubishi und Ford liegen leicht darüber. Sie sollten aber in der Lage sein, die noch erforderliche Senkung um ein bis zwei Gramm pro Kilometer in der zweiten Jahreshälfte zu erreichen, so das Fazit von Dataforce.

CO2 Emissionen Hersteller

Unterschiedliche Herausforderungen für die Hersteller

Das sieht aber für 2025 völlig anders aus. Denn jetzt entfällt vor allem für den VW-Konzern und Ford ein Vorteil der bisherigen Regelung, nämlich die Gewichtsanpassung. Hersteller mit überdurchschnittlich schweren Fahrzeugen erhielten für 2024 individuelle Flottenziele, die über dem Durchschnittssatz von 116 Gramm lagen. Bei VW sind das 121 Gramm, bei Ford 124 Gramm.

Berechnet man die aktuellen Flottenwerte und misst sie an der Zielmarge für 2025 in Höhe von 93.6 Gramm, dann müssen die einzelnen Hersteller zum Teil sehr unterschiedliche Anstrengungen unternehmen. Laut Dataforce liegen bei den Herstellern mit Verbrennungsmotoren in ihrer Modellpalette nur Geely (unter anderem Volvo, Smart und Polestar) und die SAIC Group (MG) unter dem Schwellenwert von 93.6 g/km. Nah in Schlagweite befinden sich Toyota (105 g/km) und BMW (106 g/km), die vergleichsweise moderat den Flottenverbrauch reduzieren müssen. Für alle anderen seien erhebliche Anstrengungen notwendig.

BEV Anteile in Europa

Anteil von Batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) an den Neuwagenzulassungen

Ausweg aus dem Dilemma: Elektroanteil erhöhen

Um die durchschnittlichen CO2-Emissionen im nächsten Jahr zu senken, gibt es laut Dataforce unterschiedliche Strategien, deren wesentlicher Faktor aber eine stärkere Elektrifizierung der Fahrzeuge ist. Ein Hersteller ohne Vollhybride (HEV) in seinem Modellprogramm muss demnach einen Anteil von 37 Prozent an Vollelektrischen Fahrzeugen (BEV) und Plug-in-Hybriden (PHEV( in seinem Verkaufsmix haben. „Mit Vollhybriden wird die Aufgabe scheinbar einfacher“, so Dataforce-Analyst Benjamin Kibies. „In einem Szenario mit einem HEV-Anteil von 55 Prozent reduziert sich der notwendige BEV/PHEV-Anteil auf 23 Prozent. Allerdings verkaufen OEM mit einem starken Fokus auf HEV in der Regel weniger BEV.“

Abgesehen davon erlaube es die EU-Verordnung, BEV-Zulassungen höher zu gewichten, wenn die Fahrzeuge in Märkten mit vergleichsweise geringem Elektrifizierungsanteil verkauft werden. Eine weitere Option zur Einhaltung der CO2-Vorschriften sei das CO2-Pooling. In den letzten zwei Jahren gab es nach Aussagen von Kibies keinen grossen Bedarf dafür. Da sah 2021 noch anders aus. Damals schloss sich die FCA-Gruppe – heute Stellantis – mit Tesla und Honda zusammen, um ihren CO2-Durchschnitt zu senken. Dataforce erwartet eine Wiederbelebung des Instruments im Jahr 2025, in dem Hersteller von reinen Elektrofahrzeugen Emissionszertifikate an andere Konzerne verkaufen können.

Charging ford mach e

Preissenkungen für Elektromodelle, weniger Rabatte für Verbrenner

Erstes Mittel aber sei die Erhöhung des Elektrifizierungsanteils. Auch wenn eine solche Steigerung momentan unerreichbar scheine, sei die Elektrifizierung kein linearer Prozess, sondern erfolge schrittweise. „In der Vergangenheit war der Sprung von 2019 auf 2020 erstaunlich gross“, so der Analyst. Der aktuelle Rückschlag werde auch durch das abrupte Auslaufen der Elektroauto-Förderung in Deutschland, dem mengenmäßig grössten BEV-Markt in Europa, beeinflusst.

Zusätzliche Kunden davon zu überzeugen, sich für ein Elektroautos statt eines Verbrenners zu entscheiden, sei eine anspruchsvolle Aufgabe. „Das geht nur mit einer Veränderung der Preisstruktur“, so Dataforce. Der derzeitige Rückgang der Lithium- und Batteriepreise ermögliche einige Preissenkungen in der Lieferkette, aber die Automobilhersteller müssten auch an anderer Stelle die Kosten senken, um rentabel zu bleiben. Der Ersatz von teuren NMC-Batterien durch LFP-Batterien könnten alternative Optionen sein. Vermutlich würden die Hersteller Rabattaktionen für Verbrenner-Fahrzeuge einstellen und sich auf BEV konzentrieren. Nicht zuletzt würden kleinere und erschwinglichere Modelle dazu beitragen, den Übergang zum Massenmarkt zu schaffen.

Fotos: Ionity, Dataforce

Kommentare

Keine Kommentare