Jaguar - So sieht der Neustart aus

Moritz Doka | 03.12.2024

Jaguar erfindet sich gerade neu. Der Blick nach vorne bedeutet die Abkehr von den meisten Bestandskunden und ein gutes Jahr ohne Neuwagen im Showroom.

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Seit vier Jahren arbeitet Jaguar intensiv an seiner Neuausrichtung. Statt auf Volumenmodelle will man sich wieder auf vollendeten Luxus konzentrieren. Zuletzt hat man sich zu stark auf das Verkaufsvolumen und damit niedrigere Preissegmente konzentriert, was die Markenwerte verwässerte. Selbst den XJ-Nachfolger, den man vor einigen Jahren bereits zur Serienreife entwickelt hatte, verwarf man wieder. Er wäre nicht konkurrenzfähig gewesen, so die Einschätzung.

Dass dabei das Kerngeschäft zu kurz kam, war Teil des Plans und kaum zu verhindern. Von der überalterten Modellpalette wurden bis auf den F-Pace bereits alle Autos eingestellt, und auch das grosse SUV wird nur noch bis nächsten Mai angeboten. Dann werden vorerst keine neuen Modelle mehr im Showroom stehen, und zwar bis Ende 2026.

Kein Plan B

In den letzten Jahren legte JLR (Jaguar Land Rover) ein stabiles Wachstum hin, deshalb sei die Zeit jetzt reif für diesen Schritt. Über die nächsten fünf Jahre werden bei JLR rund 18 Milliarden investiert, einiges davon in Jaguar. «Unsere Investoren haben JLR wegen des «J» im Namen gekauft», sagt Rawdon Glover, Managing Director bei Jaguar. Ein Aus der Marke sei schon deshalb nie infrage gekommen. Aber eine Automarke, die eineinhalb Jahre lang keine Autos im Showroom hat, kann das gut gehen? «Ich glaube zu 100 Prozent an diesen Weg. Einen Plan B habe ich nicht in der Tasche. Die Massnahme gibt uns Raum zum Atmen.»

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Die Serien-Limousine wird viel vom Type 00 übernehmen.

Diesen Raum kann die Traditionsmarke gut gebrauchen, denn der Turnaround wird eine Herkulesaufgabe. Auf der neuen Plattform «JEA» (Jaguar Electric Architecture) werden zunächst drei Modelle entstehen. Den Anfang macht ein viertüriger GT, auf den vermutlich zwei SUV folgen werden, alle gebaut im britischen Solihull. Die Eckdaten: rund 770 Kilometer Reichweite, in 15 Minuten Strom laden für 200 Kilometer Reichweite. Seit kurzem fahren die Erlkönige zu Erprobungszwecken auf öffentlichen Strassen.

Es muss elektrisch sein

Luxus und Elektro mag Zweifel hervorrufen in Zeiten, in denen Mercedes seine E-Plattform MB.EA wieder beerdigt hat und auch andere Hersteller ihre Elektrifizierungspläne nach hinten verschieben oder abschwächen. Doch Jaguar sieht das anders. «Man darf nicht ans das Jetzt denken, sondern muss die nächste Dekade im Blick haben», sagt Glover. Schliesslich kommen die neuen Modelle erst in einigen Jahren, wenn die Ladeinfrastruktur weiterentwickelt und die Akzeptanz von Elektroautos grösser ist als heute.

Aus Märkten mit schwächerer Infrastruktur für E-Autos wird sich Jaguar folgerichtig zurückziehen. Der Fokus liegt stattdessen verstärkt auf den USA, China, dem Vereinigten Königreich – und der Schweiz, einem der absatzstärksten Märkte für Jaguar.

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Streng genommen heisst Jaguar nun «JaGUar».

Heute kostet der durchschnittliche Jaguar-Neuwagen rund 60'000 Franken, in Zukunft soll es doppelt so viel und mehr sein. In dieser Preisklasse haben die Kunden noch andere Autos in der Garage und müssten sich über die Reichweite eines einzelnen Autos keine Gedanken machen. Es sei nicht der Antrieb, sondern das Design entscheidend.

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Aus dem Armaturenbrett fahren Bildschirme.

Entsprechend ist die Elektrifizierung nur ein Teil der Strategie. «Wir elektrifizieren nicht der Elektrifizierung wegen. Die Autos müssen in erster Linie Jaguare sein», sagt Lennart Hoornik, Chief Commercial Officer bei Jaguar. Neben der Nachhaltigkeit böten E-Autos eben breitere und attraktivere Designmöglichkeiten als Verbrenner, wenn man sich nicht in der Optimierung des cw-Werts verrenne. Design sei ab sofort ein zentraler Punkt, sagt Glover. «Deshalb haben wir mit der Gestaltung begonnen und uns erst dann über die Plattform und das Packaging Gedanken gemacht.»

Doppelnull-Status

Wie künftige Modelle aussehen werden, zeigt Jaguar mit der Studie «Type 00», wobei eine Null für die lokalen Emissionen und eine für den Neuanfang steht. «Jaguar hat viel zu lange zu seinen Wurzeln zurückgeblickt, es hat Klarheit gefehlt. In Zukunft wird Jaguar nichts Gewöhnliches mehr gestalten», so der Chief Creative Officer Professor Gerry McGovern. Vier Gestaltungselemente werden künftig eine zentrale Rolle spielen: Der Markenname mit neuem, reduziertem Font, parallele Linien als grafische Merkmale, ein starker Einsatz von knalligen Farben und die beiden Logos, ein stilisiertes «JR» sowie die springende Katze.

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Das neue Logo ist ein stilisiertes «JR».

Die Studie, ein zweitüriger GT, macht dieses Zusammenspiel klar. Ihr matter Rosaton wirkt auffällig und gleichzeitig edel. Durchbrochen ist der Lack von Messingelementen. Etwa die Abdeckung der ausklappbaren Rückfahrkameras, die sich bei Nichtgebrauch in der Karosserie verstecken. Die Liniengrafik ist im teillackierten Dach, der Frontverkleidung, am Heck mit versteckten Scheinwerfern und vielen anderen Orten zu finden, während die Katze nur an wenigen, wohl platzierten Orten prangt.

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Wieviel vom Cockpit der Studie in der Serie übrig sein wird, bleibt abzuwarten.

In Anbetracht nicht unerheblicher Qualitätsprobleme in der Vergangenheit muss Jaguar hier liefern, wenn man es mit dem Luxus ernst nehmen will. Die Studie macht schon einmal neugierig, im Cockpit herrscht noble Zurückhaltung. Helle Farbtöne sind mancherorts von Messing und blauem Stoff akzentuiert. Travertin-Stein als Basis etwa für die Sitzkonsolen ist mit Stoff überzogen.

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Das «Prisma» findet im Kotflügel Platz, seine...

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...vier «Totems» werden in der Mittelkonsole abgelegt und aktivieren Themenwelten.

Die beiden grossen Bildschirme fahren nur dann aus dem Armaturenbrett, wenn sie benötigt werden. Mit dem «Prisma» können unterschiedliche Atmosphären erzeugt werden. In einer Art Koffer finden sich vier klotzförmige Totems, die in die Mittelkonsole gelegt werden können, worauf das Auto Musik, Töne, Farben und Anzeigegrafiken anpasst.

Neuer Kundenkreis

In abgeschwächter Form dürfte man solche Elemente auch in Serie erwarten, allerdings vorerst kein zweitüriges Coupé. Der Type 00 soll nur die Designsprache zeigen. Seine nicht enden wollende Haube, die grossen Räder, die klaren Formen und die vier Gestaltungselemente wird der viertürige GT ebenfalls übernehmen. «Die Autos werden nicht jedem gefallen, aber man wird uns nicht ignorieren können», verspricht Glover.

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Das Streifenelement zieht sich über das gesamte Auto.

Ob man sich auch irgendwann wieder an einen Sportwagen im Stil des E-Type traut? «Sag niemals nie. Aber zuerst müssen die kommenden Modelle Geld abwerfen.» Das erste davon wird zwar erst Ende 2026 auf den Markt kommen, aber bereits Mitte 2025 präsentiert und bestellbar sein, damit die Kunden etwas zum Kaufen haben. Komplett ohne Fahrzeug wird Jaguar also nicht dastehen, was im Zweifel aber zweitrangig wäre.

Fast nur Neukunden

Man rechnet ohnehin nur mit etwa 15 Prozent Bestandskunden, die Jaguar treu bleiben. Der Rest seien Neukunden und käme von anderen Marken, sei jünger und zahlungskräftiger und liebe Design und die Exklusivität. Diese wird ihnen auch in Form neuer Flagshipstores geboten, die ersten werden in Paris und London entstehen.

Eine App soll ein Jaguar-Ökosystem schaffen, eine Community bilden und die Kommunikation der Kunden mit den Händlern einfach und persönlich gestalten. Das existierende Händlernetzwerk bleibt dabei weiter bestehen, wodurch die Bestandskunden nicht ganz vergessen werden.

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Schmale Scheinwerfer geben einen grimmigen Look.

Es soll eine Rückkehr zu den Wurzeln werden, damals, als Jaguar auf Augenhöhe mit Bentley und Aston Martin war. Mit anderen Marken will Glover das neue Jaguar dennoch nicht vergleichen. «Wir kopieren nichts. Wir werden eine Marke mit Geschichte, definieren uns aber nicht durch sie.» Was es nun braucht, ist Durchhaltevermögen. Die Zuversicht hat der Jaguar-Boss jedenfalls. «Bin ich nervös? Manchmal. Heute? Nein!»

Bildergalerie Jaguar Type 00

Fotos: Jaguar

Kommentare

Thomas Graf

Hier ein Kommentar vom Professor für Finance und Finanztheorie Christian Riek über die Strategie von Jaguar. Er macht sich ähnliche Überlegungen wie ich sie in meinem Kommentar beschrieben habe. https://www.youtube.com/watch?v=gfb6vycTeVI

Thomas Graf

Sehr geehrter Herr Doka, vielleicht nützt es ja etwas, wenn der Hersteller bemerkt, dass sehr viele Automobilisten nicht nur das neue Logo verabscheuen, sondern auch diesen Entwurf. Denn wenn man nur noch ein Modell anbieten will, muss es auch genügend Käufer finden.

Thomas Graf

Das ist eines der hässlichsten neuen Autos. Was denken sich die neuen Manager von Jaguar? Verzichten und verärgern langfristig die bisherigen treuen Kunden aus der Oberklasse, um kurzfristig neue junge kaufkräftige Kunden zu finden. Dieser Schnellschuss wird sich finanziell nicht auszahlen und die Verantwortlichen ihren Kopf kosten. Schade für diese gute Marke. Man sollte nicht versuchen im künstlich erzeugten Mainstream mit zu schwimmen, sondern sich auf eine eigenständige Marktstrategie besinnen. Die negativen Beispiele der Deutschen Auto Industrie haben gezeigt, wie schnell man den Boden unter den Füssen verlieren kann.

Moritz DokaThomas Graf

Sehr geehrter Herr Graf
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Zum Fahrzeug: Wie Sie sicher im Artikel gelesen haben, ist der Type 00 erst eine Studie und soll das Design der Serienfahrzeuge vorwegnehmen. Wie viel davon in Serie kommen wird, bleibt abzuwarten. Dem Erlkönig des viertürigen GT zufolge dürften die Produktionsfahrzeuge - zwei SUV werden noch folgen - der Studie dann aber tatsächlich recht ähnlich sehen. Ein Coupé ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht geplant.
Beste Grüsse, Ihr AR-Team