Anders als die zehn Gebote, die einmal in Stein gemeisselt für die Ewigkeit bestimmt waren, sind die Gesetze und Verordnungen, die alles rund ums Thema Strassenverkehr regeln, auf Veränderung ausgelegt. Auf Anpassungen an das, was die Technik ermöglicht, auf Eingriffe dort, wo die Unfallzahlen Hinweise geben, dass nachjustiert werden müsste. Auch in diesem Jahr müssen sich Verkehrsteilnehmer auf neue Regeln einstellen.
Neue gesetzliche Regeln rund um Auto, Velo und Führerausweis
Klaus Justen | 21.03.2024
An den Verkehrsregeln auf der Strasse ändert sich nichts – aber einiges an den Bestimmungen rundum. Der Unfalldatenschreiber für alle Neuwagen wird Pflicht, wer muss noch zum Sehtest, wann muss der blaue Führerausweis umgetauscht werden, welche Velos brauchen einen Tacho – und wann werden Bussgelder aus Deutschland auch in der Schweiz vollstreckt?
Nur bis Ende Oktober 2024 bleibt Zeit, um den alten blauen Führerausweis umzutauschen.
Neue Regeln gelten für den Sehtest und die ärztliche Kontrolluntersuchung.
Solche Neuregelungen gelten bereits seit Anfang März für alle, die ihren Führerausweis erst erwerben wollen. Und anders als gemeinhin üblich, wurden die Bestimmungen für Sehtests und medizinische Untersuchungen nicht verschärft, sondern gelockert. So entfällt für Personen, die bereits im Besitz eines Ausweises sind und eine weitere Klasse dazu erwerben wollen – um zum Beispiel in Zukunft neben dem Auto auch noch einen Töff fahren zu dürfen –, der bislang obligatorische Sehtest. Wer bereits im Pensionsalter ist und sich zur Ausweisprüfung anmelden will, musste bislang ab 65 Jahren zur medizinischen Untersuchung, um sich vom Arzt die Fitness bescheinigen zu lassen. Das ist nunmehr erst notwendig, wenn das 75. Lebensjahr vollendet ist. Änderungen gibt es auch, was die praktische Fahrprüfung betrifft: Nunmehr ist geregelt, dass für die Ausweisklassen A (Motorrad) und B (Auto) die Prüffahrt im öffentlichen Verkehr mindestens 45 Minuten dauern muss.
Blauer Ausweis: Letzte Frist läuft
Schon im vergangenen Jahr sollte Schluss mit dem guten alten blauen Führerausweis sein, dann gab es noch einmal eine Verlängerung. Aber bis 31. Oktober muss er nun umgetauscht werden in einen modernen Plastikausweis im Kreditkartenformat. Ab 1. November ist der blaue Ausweis kein gültiges Dokument mehr, und die Polizei darf Autofahrer büssen, die bei einer Kontrolle nur den alten Ausweis vorweisen können. Kostenpunkt 20 Franken, also gerade so, als ob man den Ausweis vergessen hätte. Inwieweit die Polizei in den ersten Tagen und Wochen noch Milde walten lässt, bevor sie ein Ticket ausstellt, kann niemand sagen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Auch wenn der blaue Ausweis seine Gültigkeit nach dem 31. Oktober verliert – die Fahrerlaubnis, die man ja schon vor vielen Jahren erworben hat, bleibt selbstverständlich weiter bestehen.
Schnelle E-Bikes müssen ab April mit einem Tacho ausgeliefert werden.
Es ist anzuraten, schon in nächster Zeit den Umtausch anzugehen, zuständig sind die kantonalen Strassenverkehrsämter. Umsonst ist der neue Kreditkartenausweis aber nicht. Die Tarife variieren, in St. Gallen ist man mit 30 Franken dabei, in Zürich kostet er 35, in Bern 45 und in Solothurn 50 Franken, um nur einige Beispiele zu nennen. Dafür gibt es dann aber die praktische Plastikkarte, die im Portemonnaie leicht Platz findet und überdies davor bewahrt, auf Auslandreisen in Probleme zu geraten, wie der Touring Club Schweiz (TCS) feststellt. Denn einerseits sind die Fahrzeugkategorien, für die der blaue Ausweis gilt, nicht mit der EU harmonisiert, was bei einer Kontrolle vor Ort zu Diskussionen mit dem Polizeibeamten führen kann, andererseits, und das ist viel praxisrelevanter, anerkennen viele Autovermieter den alten Ausweis nicht mehr, es gibt kein Fahrzeug. Einen internationalen Führerschein, wie er in etlichen Ländern verlangt wird, gibt es in Kombination mit dem blauen Ausweis sowieso nicht.
Tachopflicht für schnelle E-Velos
Wer sich ein schnelles E-Bike zulegt, dass dank bis zu 1000 Watt Motorunterstützung maximal 45 km/h schnell ist (30 km/h Motor, 15 km/h Tretunterstützung) sollte ab 1. April darauf achten, dass es mit einer Geschwindigkeitsanzeige ausgeliefert wird. Die ist nämlich ab diesem Tag für alle schnellen E-Velos, die erstmals in Verkehr gesetzt werden, vorgeschrieben. Für Velos im Bestand gilt eine Übergangsfrist, sie müssen bis 1. April 2027 mit einem Tacho nachgerüstet werden. Zeit genug also, sich um eine entsprechende Lösung zu kümmern. Stellt die Polizei bei einer Kontrolle fest, dass die technische Ausstattung nicht den Bestimmungen entspricht, ist ein roter Schein fällig – 20 Franken Busse.
Der Unfalldatenspeicher ist ab 1. April in allen Neuwagen Pflicht.
Unfalldatenschreiber für alle Neuwagen
Bereits seit zwei Jahren müssen alle neuen Fahrzeugmodelle, die homologiert werden, einen Unfalldatenschreiber haben, ab 1. April ist dieser für alle neu immatrikulierten Autos Pflicht. Damit ist die Schweiz um drei Monate schneller als die EU, die als Termin den 1. Juli vorgibt. Der Event-Data-Recorder ähnelt in seiner Arbeitsweise der Blackbox, die in Flugzeugen zum Einsatz kommt. Kontinuierlich werden während der Fahrt die Daten zu Geschwindigkeit, Lenkwinkel, Stellung von Gas- und Bremspedal, ABS und ESC erfasst. Ausserdem wird registriert, ob die Passagiere angeschnallt sind. Diese Daten werden permanent überschrieben – es sei denn, ein Unfall passiert. Zur Unfallanalyse können die Daten ausgelesen werden. Experten erwarten vor allem bei Mehrfachkollisionen auf Autobahnen genauere Erkenntnisse zum Unfallhergang.
Bussen aus Deutschland
In den kommenden Wochen erwartet das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartment, dass die Ratifizierungsurkunden des Polizeivertrags zwischen der Schweiz und Deutschland ausgetauscht werden. Damit träte der Vertrag noch vor den Sommerferien in Kraft. Der wesentliche Inhalt des Polizeivertrags für Autofahrer: Die beiden Länder verpflichten sich darin, Verkehrsstrafen, die das andere Land verhängt hat, zu vollstrecken (AR 48/2023). Wichtig: Das gilt nur für Geldbussen, die nach Inkrafttreten des Vertrags verhängt werden, also nicht für Altlasten. Und die Busse muss mindestens 70 Euro betragen. Zahlt also ein Schweizer Autofahrer die in Deutschland verhängte Geldbusse nicht – die deutsche Seite geht davon aus, dass das in 6000 Fällen jährlich so sein wird –, setzt das Bundesamt für Polizei die Forderung in der Schweiz durch. Das Geld wird allerdings nicht ins Nachbarland überwiesen, sondern bleibt jeweils in dem Land, das den Aufwand mit der Vollstreckung hatte.
Noch vor dem Sommer soll der Polizeivertrag mit Deutschland in Kraft gesetzt werden – dann werden Bussen grenzüberschreitend vollstreckt.
Fotos: Adobe Stock, Solothurner Zeitung
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