Verkehrspolitik – Das erwartet uns 2024

Raoul Studer | 21.12.2023

Verkehrspolitik Im nächsten Jahr ist viel los auf den Schweizer Strassen. Es stockt nicht nur dort. Der Ausbau der Autobahn hat Gegenwehr
bekommen. Was den Autolenkern sonst noch droht.

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Nadelöhr Gotthard-Strassentunnel: Die Bauarbeiten dauern fort, die zweite Röhre wird nicht vor 2029 fertig.

Das zu Ende gehende Jahr brachte in der Verkehrspolitik keine grossen Ereignisse, erwähnenswert ist etwa die Eröffnung der dritten Tunnelröhre am Gubrist ZH im April. Nächstes Jahr hingegen kommt es unter anderem zur Volksabstimmung über den Autobahnausbau, nachdem in der vergangenen Woche und noch vor Ablauf der Frist am 18. Januar 2024 das Referendum zustande kam. Gemäss einer Mitteilung des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) sind bereits 72 000 Unterschriften gesammelt worden.

Autobahnausbau

National- und Ständerat haben auf Vorschlag des Bundesrats dem Autobahnausbau auf den folgenden Abschnitten zugestimmt: Wankdorf–Schönbühl BE, Schönbühl–Kirchberg BE, dritte Röhre Rosenbergtunnel inklusive Spange Güterbahnhof St. Gallen, Rheintunnel Basel BS/BL, zweite Röhre Fäsenstaubtunnel Schaffhausen sowie Le Vengeron–Nyon VD. Die Kosten werden auf 5.3 Milliarden Franken veranschlagt. Gegen diesen Bundesbeschluss haben Parteien, Organisationen und Verbände aus dem linksgrünen Lager unter der Federführung des VCS erfolgreich das Referendum ergriffen. 2024 kommt es damit zu einer Volksabstimmung über den Autobahnausbau. Die Unterschriften werden derzeit beglaubigt.

Autobahn A1

Die Verkehrskapazität des rund 22 Kilometer langen A1-Autobahnabschnitts zwischen den Verzweigungen Luterbach SO und Härkingen SO wird regelmässig überschritten. Das Ausbauprojekt auf sechs Spuren auf diesem Abschnitt beseitigt den Engpass auf dem Nationalstrassennetz und be­inhaltet die Instandsetzung und Anpassung der Infra­struktur an die Umweltgesetzgebung. Es erfüllt Anforderungen des Gewässer- und Lärmschutzes. Gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sind keine Beschwerden beim Bundesgericht eingegangen. Somit ist die Plangenehmigungsverfügung des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) rechtskräftig. Die Vorarbeiten starten im Frühling, die Hauptarbeiten im Mai 2025. Man geht von insgesamt rund acht Jahren Bauzeit ab 2024 aus.

Gotthard-Strassentunnel

Am zweiten Gotthard-Strassentunnel laufen die Arbeiten seit dem Zwischenfall von 10. September (Riss in der Zwischendecke) wieder normal weiter. Wegen der Härte des Gesteins sind Sprengungen weiterhin notwendig, sie erfolgen aber noch schonender. Der Gegenvortrieb im Bereich des Nordportals dauert noch bis Juni 2024. Die Inbetriebnahme der zweiten Gotthard-Strassenröhre ist für 2029 vorgesehen. Danach wird der erste Gotthard-Strassentunnel instandgesetzt. Voraussichtlich ab 2032 stehen dann beide Tunnel zur Verfügung.

Astra-Bridge

2022 wurde auf dem A1-Abschnitt Recherswil–Luterbach SO die Baustellenbrücke Astra-Bridge des Bundesamts für Strassen (Astra) erstmals eingesetzt. Zwar hat sich in dieser Zeit der Verkehrsfluss verbessert, aber nicht auf dem gewünschten Niveau eingependelt. Deshalb wurden die Auf- und Abfahrtsrampen dieser mobilen Hilfsbrücke, unter der die Bauarbeiten laufen, verlängert und damit optimiert. Der erneute Einsatz auf dem Autobahnabschnitt Recherswil–Luterbach ist im kommenden Frühjahr geplant. Die Kosten für die baulichen Anpassungen belaufen sich auf rund 4.7 Millionen Franken.

Autonomes Fahren

Einige Änderungen des Strassenverkehrsgesetzes sind auf 1. Oktober 2023 in Kraft getreten – Stichworte: Milderungen bei Raserdelikten sowie bei Widerhandlungen beim Fahren mit Führerausweis auf Probe. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung über zwei neue Verordnungen eröffnet, mit denen er das automatisierte Fahren regeln will. Wie bekannt, beschloss das Parlament im Frühling eine Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) und schuf damit die Rahmenbedingungen für das autonome Fahren. Diese Gesetzesbestimmungen konkretisiert nun der Bundesrat mit zwei Verordnungen. Die Vernehmlassung dazu dauert bis 2. Februar 2024. Neu will der Bundesrat die Automatisierungsstufe 3 erlauben. Sie beinhaltet, dass Autofahrer das Lenkrad loslassen dürfen. Sie müssen aber bereit sein, die Fahrzeugbedienung jederzeit wieder selbst auszuüben.

Klima-Initiativen

Der Verein Umverkehr hat in neun Städten und in der Gemeinde Ostermundigen BE Klima-Initiativen eingereicht nach dem Motto Bäume statt Asphalt. Die Städte-Initiativen verlangen, dass umweltverträgliche und platzsparende Verkehrsarten bevorzugt werden. Weitere Klima-Initiativen in Burgdorf BE und Schaffhausen sind in Vorbereitung. In St. Gallen haben die Initianten ihren Vorstoss zurückgezogen, nachdem das Stadtparlament einen Gegenvorschlag angenommen hatte. In Basel-Stadt lehnten die Stimmbürger am 26. November entsprechende Initiativen klar ab.

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Autobahnausbau kommt vors Volk: Parteien, Organisationen und Verbände aus dem linksgrünen Lager unter der Federführung des Verkehrs-Clubs der Schweiz haben genügend Unterschriften für das Referendum gesammelt.

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Autonomes Fahren: Neu will der Bundesrat die Automatisierungsstufe 3 erlauben.

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Astra-Bridge: Die optimierte Baustellenbrücke kommt im Frühling wieder zum Einsatz.

Mobility-Pricing

Der Bund sieht Mobility-Pricing als Weg zu einem effizienteren Verkehrssystem. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Machbarkeitsstudien in verschiedenen Kantonen durchgeführt. Momentan sind diese in der Erarbeitung. Anschliessend wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Das Bundesamt für Strassen rechnet damit, dass dies 2024 erfolgen wird.

Infrastruktur Mobilitätsdaten

Daten spielen in der Mobilität eine immer wichtigere Rolle. Sie sind neben der Strassen- und der Schieneninfrastruktur eine dritte systemrelevante Infrastruktur. Der Bundesrat will deshalb eine staatliche Mobilitätsdateninfrastruktur (Modi) aufbauen. Die Modi soll die Nutzung von Mobilitätsdaten (Lieferung, Bereitstellung, Austausch, Verknüpfung, Bezug) verkehrsträgerübergreifend verbessern.

Die Modi besteht in einer ersten Phase aus zwei Hauptelementen: der Nationalen Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (Nadim) und dem Verkehrsnetz CH. Die Nadim ermöglicht den standardisierten Austausch von Mobilitätsdaten und damit die Vernetzung von öffentlicher Hand, Mobilitätsanbietern, Entwicklern und Betreibern von digitalen Kundenlösungen (etwa Apps) sowie weiteren Akteuren wie Wissenschaft und Forschung. Das Verkehrsnetz CH ist eine einheitliche, digitale Abbildung des gesamten Verkehrssystems der Schweiz. Hier sollen alle Daten zu den Verkehrsnetzen und der zugehörigen Infrastrukturen der öffentlichen Hand zentral durch den Bund synchronisiert, erweitert und optimiert werden. Die Finanzierung der Modi soll während der ersten zehn Jahre durch den Bund sichergestellt werden und danach möglichst über Nutzungsgebühren erfolgen. Nach der Auswertung der Vernehmlassung fanden bereits in diesem Jahr zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Akteuren statt, um die Bedürfnisse und Interessen definieren zu können. Erste Elemente der Modi sind bereits im Aufbau. Voraussichtlich im kommenden Jahr wird der Bundesrat die Botschaft zum Gesetz ans Parlament weiterleiten.

Neue Strassenfinanzierung

Erhalt und Ausbau der Strasseninfrastruktur kosten Geld. Diese Mittel stammen zum Teil aus der Erhebung der Mineralölsteuer beziehungsweise des Mineralölsteuerzuschlags auf Autos mit Verbrennungsmotoren. Um das vom Bund gesetzte Ziel zu erreichen, ab 2050 keine Treibhausgase mehr auszustossen, braucht es mehr Elektroautos. Tatsächlich nimmt deren Zahl laufend zu. Weil aber auf E-Autos keine Mineralölsteuer erhoben wird, gehen die Einnahmen zurück. Deshalb hat der Bundesrat das Finanzdepartement und das Uvek beauftragt, ein Gesetzespaket zur nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch die Einführung einer Ersatzabgabe für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb auszuarbeiten. Das Bundesamt für Strassen geht heute davon aus, dass der Bundesrat die Vernehmlassung dazu im Sommer 2024 eröffnen wird.

Motorenlärm

Der Bundesrat hat im Dezember 2022 Massnahmen zur Reduktion der Lärmbelastung in die Vernehmlassung geschickt, die bis 23. März 2023 dauerte. Momentan ist das Bundesamts für Strassen daran, die Ergebnisse auszuwerten, was sehr aufwendig ist. Wann sich der Bundesrat damit befasst, ist heute noch nicht bekannt.

Verkehrsmanagement

Schliesslich ist der Bundesrat in Beantwortung verschiedener Postulate daran, in einem Bericht aufzuzeigen, wie das Verkehrsmanagement im alpenquerenden Verkehr, insbesondere auf der Gotthard- und San-Bernardino-Achse, verbessert werden kann, um die negativen Auswirkungen des Transitverkehrs durch die Alpen zu reduzieren. ­Eine Erhöhung des Vignettenpreises wird auch Bestandteil der Auslegeordnung sein. Diesen Bericht wird der Bundesrat voraussichtlich im Frühling 2024 dem Parlament übergeben. 

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Motorenlärm: Er soll weiter reduziert werden, das Bundesamt für Strassen wertet Ergebnisse der Vernehmlassung aus.

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Klima-Initiativen: Städte-Initiativen verlangen, dass ­umweltverträgliche Verkehrsarten bevorzugt werden.

Fotos: Viviane Barden, Adobe Stock, Shutterstock

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