70 Jahre DDR-Kultautos P 70 und Trabant: Rennpappe, Duroplastbomber und Sachsenporsche

Wolfram Nickel | 20.12.2025

Er wurde 36 Jahre lang gebaut und verkörpert ein Stück Zeitgeschichte. 1955 debütierte der Wegbereiter P 70, 1991 rollte der letzte Trabant vom Band. Das kleine Volksauto der DDR ist ein Symbol der Mangelwirtschaft im Osten Deutschlands, es wurde geliebt, verspottet oder gehasst wegen der beissenden Zweitakt-Auspufffahne. Und die Menschen warteten eine Ewigkeit auf ihr Auto, denn zwischen Bestellung und Auslieferung lagen meist mehr als zehn Jahre. Heute ist der Trabi ein populärer Oldtimer.

01 Italien hatte den Fiat 500 England Quelle autodrom

Der kuriose Kleinwagen mit revolutionärer Kunststoff-beplankter Karosserie verkörpert eine verschwundene Welt, und genau das macht den Trabant heute zu einem der beliebtesten Oldtimer, zumindest im Nachbarland: Rund 40‘000 Einheiten des früheren DDR-Volksautos waren im vergangenen Jahr noch in Deutschland zugelassen.

Dabei war der allerletzte von mehr als drei Millionen Trabant schon im Frühjahr 1991 im sächsischen Zwickau gebaut worden – sieben Monate nach der Vereinigung von DDR und BRD, zu deren automobilem Symbol das DDR-Kultmodell mit dem typischen Reng-deng-deng-Zweitaktsound stilisiert worden ist.

Ur-Trabant P70, die nur 1500 mal gebaute Coupé-Version des P70 und der P70 Kombi. In der unteren Reihe der 1958 eingeführte Trabant P50, dessen Konzept mit Frontmotor in den 1950er Jahren hochmodern war

Vor 70 Jahren nahm die Geschichte des nach dem sowjetischen Erdtrabanten Sputnik benannten Viersitzers ihren Anfang, damals präsentierten die Automobilwerke Zwickau (AWZ) den Typ P 70 als Wegbereiter für den Trabant. Anders als westliche Volksautos wie der VW Käfer oder der Citroen 2 CV präsentierte sich der 3.74 Meter lange P 70 im hochmodernen Pontondesign und dazu als weltweit erster Serienwagen mit Karosserieteilen aus Duroplast-Kunststoff.

Der Stahlmangel der Nachkriegsjahre hatte zur Entwicklung dieses Werkstoffs auf Baumwollbasis geführt, dagegen galt der 16 kW (22 PS) leistende Zweitakt-Zweizylinder als zeitgemäss effiziente Motorisierung für den frontangetriebenen P 70, immerhin setzten auch noch DKW oder Saab auf robuste und billige Zweitakter.

09 Millionar 1973 knackte der Trabant 601 diese Produktionsschallmauer Quelle autodrom

Der einmillionste Trabant lief 1973 vom Band

Nach nur drei Jahren wurde der P 70 vom Trabant P 50 abgelöst, aber erst der Trabant 601 im Trapezliniendesign brachte die Duroplast-Bauweise ab 1964 in eine Millionenauflage. Trotzdem: Die Lieferzeit für einen Trabi betrug endlos scheinende 10 bis 15 Jahre.

Kein Kultauto ohne Kose- oder Spottnamen, aber die Liste der Rufnamen für den Trabant toppt alle Rivalen. «Stinker» (wegen der Zweitakt-Duftnote), «Rennpappe» (mit vermeintlich Pappe-ähnlicher Duroplast-Karosse reüssierte der Trabi sogar im Rallyesport), «Duroplastbomber», «Arbeiter-und-Bauern-Volvo» (das Politbüro und Prominente fuhren Volvo) oder spöttisch «Sachsenporsche» (das DDR-Autobahntempolimit von 100 km/h entsprach der Vmax des Trabis).

11 Schone neue Welt aber zu teuer fur die DDR Wirtschaft Quelle autodrom

Geplanter Nachfolger Ende der 1960er Jahre: Trabant 603

Das sächsische Volksauto war immer auch ein Politikum, so verhinderte die DDR-Regierung technisch essenzielle Evolutionen der von 1964 bis 1991 optisch kaum veränderten Limousinen und Kombis. Materialmangel und Devisenknappheit die Gründe, warum das hochmoderne Nachfolgeprojekt 603 Ende der 1960er Jahre nicht realisiert wurde – und auf Anordnung des Politbüros in Person von Günter Mittag alle Prototypen zerstört werden mussten.

Eine Modernisierung gab es kurz vor dem Ende durch die Kooperation der DDR-Fahrzeugindustrie mit Volkswagen. 1988 mutierte der Trabant dank eines neuen VW-Polo-Vierzylinders zum Viertakter mit dem Typenschild Trabant 1.1.

12 Ausserlich fast der Alte aber Quelle autodrom

Trabant 1.1: Ein Polo-Vierzylinder unter der Haube

Als sich am 9. November 1989 überraschend die innerdeutsche Grenze öffnete, gingen die Bilder von fröhlichen Menschen in kleinen Trabis, die in endlosen Kolonnen Richtung Westen fuhren, um die Welt.

Ebenso plötzlich wurde der Trabant durch moderne Westautos verdrängt. Die Menschen hatten den Trabant satt, Bilder von einfach am Strassenrand abgestellten, zum Teil ausgebrannten Trabis gehörten in Berlin, Brandenburg und den anderen Ost-Bundesländern zum Alltagsbild in den frühen 90er Jahren.

13 Am 30 April 1991 lief der letzte Trabant Quelle autodrom

Ende der Produktionsgeschichte: Am 30. April 1991 lief der letzte Trabant in Zwickau vom Band

Neuwagen standen ab 1990 auf Halde, weshalb die finale Trabant-Lieferung 1991 in die Türkei geschickt wurde. Von dort kehrten die Trabis drei Jahre später zurück: Das DDR-Volksauto war in Kleinasien ebenso unverkäuflich geworden wie in Ungarn oder der damaligen Tschechoslowakei.

Anders inzwischen in den fünf neuen deutschen Bundesländern. Dort machte eine Ostalgiewelle die «Pappe» ab Mitte der 1990er zum Kultobjekt, sodass reimportierte Trabanten aus der Türkei das Doppelte des einstigen Neupreises erzielten. SP-X/AR

16 Gestern Minimalmotorisierung heute maximal kultig Quelle autodrom

Fotos: autodrom

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