Zum Fahren, was sonst?

Martin Sigrist | 25.01.2024

Klassiker Im Alltag Alte Autos im Winter – ein No-go? Nicht für 
Romy Helfer. Er fährt seinen Mini das ganze Jahr.

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Fahrzeug Besitzer Romy Helfer wollte einen Klassiker als 
Alltagsauto, das Spass macht, und als Werbeträger für sein Grafikatelier. Seinen Mini 1000 fährt er rund ums Jahr, nur nicht auf Schnee.

Die Bilder, die sie hier sehen, hat Romain «Romy» Helfer für den Druck auf Zeitungspapier bearbeitet. Der St. Galler betreibt ein Atelier für visuelle Kommunikation in Goldach SG am Bodensee, seinen «Tatort 12». Als externen Mitarbeiter der AUTOMOBIL REVUE sehen wir ihn meist nur zu besonderen Anlässen, beispielsweise zum Weihnachtsessen am Jahresende. In ­einer Runde von Autobegeisterten, Motorsportinteressierten und Technikaffinen wie unserer Redaktion ist es bei solchen Gelegenheiten wenig verwunderlich, dass nach allerlei Gesprächen zur Arbeit das Thema schnell auf das Auto wechselt. Und da erwähnte unser Bildbearbeiter Romy Helfer ziemlich unerwartet und beiläufig, dass er einen alten Mini fahre. Aufgrund der Markengeschichte des Herstellers am Stadtrand von Oxford (GB), der sich heute in BMW-Händen befindet, hätten wir uns unter dem Begriff «alt» auch ein Produkt aus der Ära BMW mit Chrysler- oder Peugeot-Motor vorstellen können. Doch als der Herstellername des fraglichen Minis fiel, folgte ungläubiges Staunen: «British Leyland, BL!» Mini-Fahrer, also echte Mini-Fahrer, mögen uns verzeihen, aber Romy Helfers sofort nachgeschobene Ergänzung, er fahre einen BL-Mini mit Jahrgang 1977 im Alltag und als einziges eigenes Auto, liess uns aufhorchen. Damit dürfte er zu einer kleinen Gruppe Unerschrockener gehören, die ihren nicht eben als besonders haltbar bekannten Briten im Sommer und Winter dazu gebraucht, wozu er ursprünglich gedacht war: zum Fahren.

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Restauriert und modifiziert

Helfers Mini wurde in eine der schwierigsten Perioden der britischen Autoindustrie hineingeboren. British Leyland drohte Ende 1974 zu kollabieren, der Staat griff dem grössten Autoproduzenten 1975 finanziell unter die Arme und liess das schier unüberschaubare Konstrukt aus mehr als 40 Produktionsstätten durchleuchten. Das Resultat waren umfassende Umstrukturierungen, jede einzelne begleitet von Streiks und Unmut der Arbeiterschaft und entsprechenden Konsequenzen für die Produktionsqualität. Ältere Leser werden sich erinnern, dass der Schweizer Importeur Emil Frey mit seinem Swiss Finish damals das schlimmste Unheil von der Insel zu begradigen versuchte. 1977 begann man sich in Longbridge, dem nun einzigen Produktionsort des Mini, zudem erstmals ernsthafte Gedanken zum Marketing des Autos zu machen – notabene 18 Jahre, nachdem der Mini 1959 erstmals vorgestellt worden war.

Dass das kleine Auto diese Turbulenzen bis zum Produktionsende im Jahr 2000 unbeschadet durchstand, spricht für die Genialität und Zweckmässigkeit der Konstruktion. Heute sind die meisten Unzulänglichkeiten längst behoben, Teile bis hin zu kompletten Karosserien sind mannigfach vorhanden, und die Expertise der Spezialisten hilft gegen jedes Wehwehchen und weit darüber hinaus. Dass ein Mini aber nie ganz fertig ist, das hat auch Romy Helfer längst herausgefunden: «Es geht ständig irgendetwas kaputt. Aktuell ist es der Kilometerzähler – obwohl der Tacho funktioniert.» Aber Reparaturen sind meist einfach und die Teile spottbillig. Das ist ein grosses Plus, wenn man einen klassischen Mini im Alltag fahren will.

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Lustvoll zweckmässig Echtledersitze aus einem Mini der letzten Serie aus dem Jahr 2000. Typisches Armaturenbrett mit Zentralinstrument. Das Lenkrad steht sehr steil und ist zudem leicht gegen aussen geneigt. Spuren des Alltagsgebrauchs.

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Der Clou des Mini: Auch auf der Rückbank lässt es sich für kürzere Strecken aushalten.

Kenner haben längst erkannt, dass der Mini 1000 des St. Gallers nicht mehr so aussieht, wie er 1977 die Fabrik verliess. Irgendwann wurde der Brite umfangreich restauriert und in Tiefschwarz neu lackiert. Dazu ist er minim tiefergelegt und sitzt auf Zwölf- statt Zehn-Zoll-Rädern. «Die Sitze waren ein Witz. Als ich das Auto vor sieben Jahren kaufte, war es als Zweisitzer zugelassen, mit mächtigen Rennschalen, die so hoch waren, dass sie beim Vorklappen am Dach anstanden. Der leere Raum dahinter war gar nicht zugänglich», erklärt Helfer. «Zufällig traf ich durch meine Arbeit einen Mini-Sammler. Auf meine Frage nach vernünftigen Sitzen antwortete dieser, er habe eine ganze Garnitur inklusive Rückbank, ausgebaut aus einem 2000er-Unfallwagen, einem klassischen Mini Cooper der allerletzten Serie. Die Sitze – in Vollleder! – haben mich gerade einmal 500 Franken gekostet. Und das Amt war gern bereit, den Mini wieder als Viersitzer einzutragen. Der Zuständige meinte nur, ich solle dann mit Gepäck für die vier grossen Kerle im Auto sparsam sein», erzählte Romy Helfer lachend. Ein Mini weist mit rund 620 Kilogramm Leergewicht und 1000 Kilogramm Gesamtgewicht allerdings ein hervorragendes Zuladungsverhältnis auf.

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Der leichte Dachaufsatz wird von Magneten gehalten.

Transportmittel und Werbeträger

Den Dachaufsatz baute sich Romy Helfer selbst: «Er ist natürlich unbeleuchtet, wie es die Vorschrift will. Gehalten wird das Kistchen von Magneten und zwei Halterungen an der Dachrinne.» Als Inspiration diente ihm ein anderer Brite, ein London-Taxi. Puristen mögen sich am Aufsatz stören, er ist jedoch Ausdruck dessen, was dieser Mini für seinen Besitzer ist: Ein lustvolles, nicht allzu grosse Summen verschlingendes Fahrzeug, das alles Notwendige von A nach B transportieren kann. Das ist meistens nur der Fahrer, manchmal auch sein grosser Hund auf der Rückbank – und seine Firma. Die Motivation zum Kauf des Mini war übrigens recht einfach: «Ich wollte schon immer einen Klassiker, ein Auto mit Charakter. Der Mini hat jede Menge davon.»

Für grössere Transporte und längere Strecken gibt es in Romy Helfers Haushalt ein zweites Auto, jenes seiner Frau. «Bei Autobahngeschwindigkeit wird der Mini infernalisch laut, bei 130 km/h ist definitiv Ende Feuer», sagt Helfer mit einem Schulterzucken. Mit den originalen 41 PS des quer eingebauten BMC-A-Motors und der kurzen Übersetzung des Viergang-Getriebes ist man sonst aber wieselflink unterwegs. Der Mini hüpft mit seinen Gummifedern über Bodenwellen, krallt sich dann aber wieder auf der Strasse fest wie ein Gokart, der Fahrer hängt dabei in typischer Mini-Manier über dem steil stehenden Lenkrad und rührt im Getriebe, das den Ölsumpf mit dem Motor teilt. Mit dem Mini im Alltag unterwegs? Wir verstehen unseren Bildbearbeiter. 

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Alles quer Beim Pionier des Quermotors sitzt sogar der Kühler quasi am falschen Ort – und die ganze Zündung im Spritzwasser.

Technische Daten

British Leyland Mini 1000 1977

Motor R4, vorne quer (BMC A), 998 cm³, Bohrung×Hub 64.6×76.2 mm, OHV, 41 PS (30 kW) bei 5100 U/min, 68 Nm bei 2700 U/min.

Antrieb 4-Gang-Getriebe mit Motor verblockt und gemeinsamen Ölkreislauf. Vorderrad­antrieb.

Fahrwerk V. doppelte Querlenker, Zugstrebe, konische Gummifedern, h. Längsschwinge, konische Gummifedern, Zahnstangenlenkung, 4 Trommelbremsen.

Karosserie Stahlblechkarosserie selbsttragend mit vorderem und hinterem Hilfsrahmen. 4 Plätze.

Fahrleistungen 0–100 km/h in 17 s, 130 km/h.

Stückzahl Ca. 5.3 Mio. (1959–2000).

Preis 500 Britische Pfund (1959), Schweiz (1977) 7990 Franken.

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Fotos: Vesa Eskola

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