Spätestens seit dem Fall Kienle mit gefälschten Mercedes 300 SL (s. AR 27/2023) steht das Thema wieder im Fokus: das Nachbauen klassischer Automobile. Zu diesem Thema lud das Swiss Car Register (SCR) am 1. Februar zu einem weiteren Infoabende der Reihe SCR-Academy ins Emil Frey Classic Center nach Safenwil AG ein. Die Zahl von rund 200 Teilnehmern zeigt, dass die Organisatoren ins Schwarze getroffen haben. Die vier Vorträge waren der Frage nach der Authentizität von Fahrzeugen, der Klassifizierung aufgrund ihrer Merkmale sowie den Fragestellungen bei einer MFK-Prüfung und Zulassung gewidmet.
Da es sich bei manchen Automobilen auch um Wertanlagen handelt, ist die Frage, ob es sich um eine Fälschung oder ein echtes Fahrzeug handelt, so wichtig wie in der Kunst, wo man es in den meisten Fällen aber mit Einzelstücken zu tun hat. Im Automobilbau hingegen ist es relativ schwierig, ein Einzelstück zu kopieren. Viel häufiger sind es bekannte, in mehreren Exemplaren gebaute Modelle, deren Herkunft beispielsweise der deutsche Sachverständige Sebastian Hoffmann auch mit kriminologischen Methoden zu ergründen sucht. Dabei reicht die Spanne der Fälschungen von stümperhaft-plump bis raffiniert-perfekt, wie der überaus spannende Vortrag des Gründers der FSP Schaden- und Wertgutachten GmbH deutlich machte. Bestehen berechtigte Zweifel, dass eine Chassisnummer umgeschlagen wurde, greift der Sachverständige zu Spektrometer, Röntgengerät oder Säure, um möglichen Materialveränderungen auf die Spur zu kommen. Selbst der Kohlenstoffgehalt eines Metalls wird geprüft, wenn festgestellt werden soll, ob ein Fahrgestell tatsächlich aus den 1930er-Jahren stammt oder aber aus Stahlblech besteht, das in den 1980er-Jahren aus einem Walzwerk kam. Dabei musste der Spezialist zugeben, dass ihm, selbst wenn zweimal dieselbe Chassisnummer eines bestimmten Typs verwendet wurde, der Nachweis nicht immer gelingt, welches nun der Nachbau ist. Und manche Klassiker teilen sich dieselbe Nummer nicht in böser Absicht, sondern aufgrund von Zeitumständen und Zufällen.
Aus eins mach drei und zurück
Christian Jenny, Jaguar-Sammler aus Thalwil ZH, Mitbegründer und ehemaliger Conférencier der SCR-Academy, erörterte, wie es dazu kam, dass von einem Jaguar C-Type mit der Chassisnummer 0023 einst gar drei Exemplare existierten, die laut ihren Besitzern alle einen guten Grund hatten, das Prädikat «echt» für sich in Anspruch zu nehmen. Ein Auto verwendete nach einem Unfall das originale Chassis, ein zweites Teile der Karosserie und ein drittes zumindest den charakteristischen, originalen Zylinderkopf des Jaguar-Rennwagens. Um die Frage abschliessend zu beantworten, kaufte Jenny zwei der fraglichen Autos und brachte mit Fakten deren Identität unverrückbar wieder in Ordnung.
Der Wert des Nachbaus
Kriminelle tun es, aber auch die Werke selber, wie die Auto-Union-Rennwagen belegen, die nach alten Plänen in den 1990er-Jahren in England reproduziert wurden: Klassiker nachbauen! Auch der argentinische Meister dieser Kunst, Pur Sang, baut historische Modelle bis zur letzten Schraube nach, wie SCR-Vorstandsmitglied Roberto Bernasconi den Zuschauern erklärte. Manche historische Motorsportveranstaltung wäre um einiges ärmer ohne die in Aussehen, Machart, Handling und Motorensound identischen Nachbauten. René Gauch von der Swiss Historic Vehicle Federation (SHVF) versuchte, den Begriff Nachbau und die Bewertung der einzelnen Nachbauarten einzuordnen. Für den Schwyzer MFK-Chef Christoph Betschart sind diese Nachbauten aus Behördensicht allesamt nicht zulassungsfähig, die Tatsache, dass mancher Nachbau über Papiere verfüge, ändere daran wenig. Allerdings hängt die Chance, die Zulassung doch irgendwie zu erhalten, stark von der Kompetenz und dem Willen des Prüfers ab, den Dingen auf den Grund zu gehen, wie Betschart selber zugeben musste. In der anschliessenden Paneldiskussion zeigte sich hingegen, dass es gute Gründe geben kann, einem Nachbau die Strassenzulassung zu erteilen. Im historischen Motorsport ist es durchaus möglich, damit Rennen zu bestreiten.
Als Konklusion des Abends bleibt die Feststellung, dass eine gut dokumentierte, plausible Geschichte eines Fahrzeugs die Antwort auf die Frage nach dessen Echtheit stark erleichtert. Denn eine Vergangenheit, die belegt ist, lässt sich kaum fälschen. Ein Umstand, der auch die Geschichte des gefälschten Kienle-Mercedes 300 SL ins Rollen brachte – der Besitzer des Originals konnte die letzten rund 40 Jahre von dessen Existenz einwandfrei belegen.