Klemmbaustein-Modelle statt bloss Spielzeug

Martin Sigrist | 22.02.2024

Lego-Alternativen Der Patentschutz der Lego-Steine gilt seit einer Weile nicht mehr, damit steht 
die Welt der Klemmbausteine auch anderen Anbietern offen. Dass gute Alternativen nicht immer aus Fernost kommen müssen, beweist Cobi, ein polnischer Hersteller.

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Delikates Vorbild Die Citroën DS nachzubilden, ist nicht einfach. Bisher ­scheiterte der Versuch, es mit viereckigen Bausteinen zu tun, meistens. Das Cobi-Modell zeigt, dass es möglich ist.

Die Dänen von Lego aus Billund hatten mit ihren kleinen Plastiksteinchen von 1949 bis ins Jahr 2010 ein Monopol und etablierten das Prinzip des Klemmbausteins und dessen unlimitierte Möglichkeiten. Heute ist Lego der grösste Spielzeughersteller der Welt mit Werken in Europa, Asien und Amerika. Am 14. September 2010 aber unterlag das Unternehmen in letzter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof Mitbewerbern, die geklagt hatten, die Form des Legosteins sei nicht einzigartig, sondern habe rein technische Gründe. Damit war nach dem Auslaufen des Patentschutzes kein dauerhafter Markenschutz mehr möglich, und das Prinzip des Klemmbausteins war für alle interessierten Unternehmen frei zugänglich. Dass Lego von der neuen Konkurrenz nicht verdrängt wurde, sondern in der Offensive zu neuen Erfolgen fand, spricht für den Grundsatz, dass Konkurrenz den Markt belebt.

Zu einer Belebung trug gewiss auch das 1987 gegründete polnische Unternehmen Cobi mit Sitz in Warschau bei. Mit historischen Themen wie Fahr- und Flugzeugen der beiden Weltkriege richtet sich sein Sortiment mehr an Erwachsene denn an Kinder und füllt eine Nische, die Lego aufgrund ethischer Aspekte – kein Kriegsspielzeug! – nicht bedient. Allerdings betont Cobi, dass ihre Modelle stets einen fiktionalen Touch beibehielten und nie eine exakte, modellgetreue Abbildung von Kriegsgerät seien. Doch Cobi liefert auch wesentlich friedfertigere Sets, besonders die Modelle im imposanten Massstab von 1:12 sind beachtenswert. Davon gibt es zwar auch von anderen Herstellern mittlerweile eine fast unüberschaubare Fülle besonders von modernen Sport- und Hypercars amerikanischer und europäischer Provenienz, doch Cobi hält sich geschickt an weniger oft zu findende Vorbilder.

Importeur mit Vergangenheit

Die Basler Firma Waldmeier ist eine der grossen, unabhängigen Spielzeugimporteurinnen der Schweiz. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1955 von Othmar E. Waldmeier und Ruinell K. Sigg. Othmar Waldmeier war passionierter Modellbauer und startete mit einem Importvertrag für Flugmodelle des amerikanischen Herstellers Berke­ley. Bereits 1956 wurde aus der Firma eine Aktiengesellschaft und die St.-Alban-Vorstadt zu eng, was den Wechsel ins Industriequartier ausserhalb der Stadt mit sich brachte. Heute liegt der Firmensitz verkehrstechnisch perfekt an der Hauptachse A1 im solothurnischen Neuendorf. Waldmeier war über Jahrzehnte untrennbar mit einer der grossen Spielzeugautomarken verbunden: Matchbox. Heute gehört diese Marke dem einstigen Konkurrenten Mattel mit seinen Hot-Wheels-Autos und wird von einer eigenen Importorganisation in die Schweiz gebracht.

Neben den Sets von Cobi und Spielzeug aller Art ist für Autobegeisterte auch die Carrera-Rennbahn interessant, die Waldmeier in die Schweiz importiert. Als Grosshändlerin vertreibt sie die Bahnen aber ausschliesslich über den Fachhandel, wo auch die Klemmbaustein-Sets zu finden sind.

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Citroën DS 1967 im Massstab 1:12.

Klassiker aus Frankreich und mehr

Schon mancher Hersteller hat sich bei der Reproduktion und Miniaturisierung einer Ikone wie der DS von Citroën die Zähne ausgebissen. Dass man sich in Polen ausgerechnet an die fliessenden, von Rundungen geprägten Formen der französischen Göttin gewagt hat, zeugt von Mut. Immerhin ist es kein leichtes Unterfangen, aus einem kubischen Klötzchen ein Auto zu formen, das in anderen Sprachen auch als Hai bezeichnet wird.

Die DS von Cobi ist derweil ganz gut gelungen, einzig auf die stark gebogene Heckscheibe verzichtet das Bausteinmodell ganz. Dafür sind Details wie die grossen, hinteren Rückstrahler oder die Aufdrucke für die kleinen Positionslämpchen an der B-Säule so akribisch nachgebildet, dass sich das grüne Exemplar zweifelsfrei als Wiedergabe ­einer der ersten DS überhaupt, wie sie im Oktober 1955 dem Publikum in Paris vorgestellt wurde, interpretieren lässt. Und damit nicht genug. Im Wissen um einen gewissen Grad an Insiderwissen all jener, bei denen die DS zuoberst auf der Auto-Favoritenliste steht, legte Cobi gleich zwei weitere Varianten der DS auf. Neben der Urversion gibt es auch ein Cabriolet in Rot und eine blaue DS mit – angedeuteten – Doppelscheinwerfern hinter Glas, wie sie als Facelift ab 1967 vom Band lief. Als statisches Modell verzichtet der Cobi-Bausatz auf technische Features wie eine funktionierende Federung oder gar ein sich drehendes Motorinnenleben, wie sie manche Bausteinmodelle der Konkurrenz bieten. Dafür weist das Modell nur wenige Schwachstellen auf, etwa unterhalb der Frontscheibe und bei der Passung der vorderen Haube. Zudem lassen sich die Räder einlenken und alle Türen und Hauben öffnen. Neben der DS gibt es auch den Citroën 2CV und den Citroën Traction Avant im grossen Massstab 1/12 als auch in einer kleineren Variante vom polnischen Hersteller.

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Citroën DS 1955 mit alter Front.

Im Zeichen des Blitzes

Gleich drei verschiedene Grundmodelle bietet Cobi von der Marke Opel an, alle drei stammen aus den glorreichen Zeiten der Rüsselsheimer zum Ende der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre. ­Eines der drei Modelle ist ein echter Exot, ein Auto, das bei seinem Erscheinen viel zu reden gab, allerdings ein recht verborgenes Leben führen sollte.

Die Schwarze Witwe, eine Rennsportversion des Opel Rekord C, war ein von Opel-Mitarbeitenden um den damaligen Designer Anatole Lapine quasi im Geheimen entwickelter Tourenrennwagen für die Gruppe 5. Radikal abgespeckt und mit einer neuen Hinterachsführung versehen, sollte der statt in bunten Farben in bösem Schwarz gehaltene Wagen die Ruhe unter den Konkurrenten vom Schlag eines BMW 2002 oder Porsche 911 stören. Da aber motorsportliche Aktivitäten ganz und gar nicht im Sinne des Mutterhauses General Motors in Detroit (USA) waren, verschwand die Schwarze Witwe so spurlos, wie sie aufgetaucht war. Bis sich 2012 einige Mitarbeiter der Opel-Klassikabteilung daran machten, den sagenumwobenen Renn-Opel nach bestem Wissen und Gewissen nachzubauen. Dazu gehörte auch der Motor, dem nachgesagt wird, dass er dank eines anderen Innenlebens, scharfer Nockenwelle und Fütterung durch zwei Weber-Vergaser statt 90 PS etwa das Doppelte an Leistung aus den 1.9 Litern Hubraum herausgeholt habe. Der Motor wie auch der spartanische Innenraum mit Überrollbügel sind im Cobi-Modell der Schwarzen Witwe treffend dargestellt. Besonders gelungen wirken auch die charakteristischen, zweifarbigen Räder mit schwarzer Radschüssel und gelber Felge. Auch bei diesem Modell lassen sich alle Türen und Hauben öffnen und die Räder passend einschlagen.

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Schwarz und böse Der Opel Rekord C im Renntrimm durfte nur kurz die Gruppe 5 aufmischen. Auch als Klemmbausteinmodell ist der legendäre Wagen einzigartig.

Fliessheck und Bestseller

Ein biederer Opel mit einem der schönsten Hintern der Automobilgeschichte – das war das Fliessheck-Coupé des Rekord C ab 1968. Für Bausteinfans gibt es auch diese Version des Opel Rekord zum Selberbauen. In gelungener Selbstbeschränkung steht das etwas barock wirkende Auto auch in der Bausteinversion auf reichlich unterdotierten, schmalen Rädern. Damit kommt die bauchige Form des Modells aber umso besser zur Geltung.

Letzter in dieser Vorstellungsrunde ist der Opel Manta – wie Waldmeier verrät, aktuell ein absoluter Bestseller im Programm. Das erstaunt kaum, denn in der zeittypischen, schwarz-gelben Farbgebung – alternativ gibt es ihn auch im für die 1970er-Jahre ebenso typischen Orange – wirkt der Opel-Stachelrochen besonders attraktiv. Dazu gehören auch die gut nachgebildeten Sport-Stahlfelgen wie beim Original. Wie alle hier vorgestellten Bausets kostet der Manta im Fachhandel etwa 100 bis 160 Franken. Wer also sein Lieblingsauto zum Selberbauen sucht, mit Leim und Farbpinsel aber wenig anfangen kann und bei Bedarf das Ganze auch wieder zerlegen und wegräumen will, der sollte sich bei einer alternativen Marke zu Lego umsehen. Was uns an Cobi neben der generellen Ausführung besonders gefällt, ist der Umstand, dass sämtliche Sets ausschliesslich in Europa produziert werden. 

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Schick Auch die herkömmliche Variante des Opel Rekord C ist sofort erkennbar. ­Bemerkenswert ist die Darstellung des eingezogenen Hecks des Fliessheck-Coupés.

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Erfolgsmodell Der Opel Manta A ist aktuell der Bestseller unter den 
Opel-Modellen im Massstab 1:12 des polnischen Klemmbausteinherstellers Cobi.

Fotos: Waldmeier

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