Hin und zurück

Peter Ruch | 05.04.2024

Arbeitsgerät Man kann es drehen und wenden, wie man will: Unter den echten Geländewagen war der Toyota Land Cruiser immer die Messlatte.

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Es begann gar nicht gut. Toyota, seit 1935 als Automobilhersteller tätig, hatte den Zweiten Weltkrieg einigermassen gut überstanden und konnte 1947 die Produktion wieder aufnehmen. Als die japanischen National Police Reserve Forces 1950 den Auftrag für 1000 Allradfahrzeuge ausschrieben, war Toyota mit dabei. In nur fünf Monaten wurde ein Prototyp entwickelt, für den man ins Regal der vorhandenen Teile griff. Das Chassis stammte von ­einem leichten Lastwagen mit der Bezeichnung SB, für den Antrieb wurden ein 3.4-Liter-Sechszylinder und ein manuelles Dreiganggetriebe verwendet, darumherum wurde eine sehr rudimentäre, sehr offene Karosserie mit vorne freistehenden Kotflügeln gedengelt. Bei der Namensfindung erwies sich Toyota als kreativ: Weil es sich um ­einen Jeep – so hiessen damals alle leichten Geländewagen – handelte, wurden alle Geländewagen von Toyota (bis heute) mit dem Buchstaben J bezeichnet. Und weil der Sechszylinder von Toyota mit B benannt war, ergab das BJ. Die noch im Entstehen begriffenen japanischen Streitkräfte (nichts anderes waren die National Police Reserve Forces) entschieden sich allerdings nicht für den BJ.

Der Namenswechsel

Doch bei Toyota glaubte man an das Projekt, feilte – ohne die militärischen Vorgaben – weiter daran, überzeugte andere staatliche japanische Stellen von den Fähigkeiten des neuen Produkts. Im Juli 1951 wurde der Toyota-Geländewagen zum offiziellen Fahrzeug der National Police Agency erkoren und in die Toyota-Modellpalette aufgenommen. Das Fahrzeug hatte einige Vorteile. Der schon ab 1935 entwickelte Sechszylinder kam zu Beginn der 1950er-Jahre auf 82 PS (bei 3000 U/min) und ein maximales Drehmoment von 212 Nm (bei 1600 U/min). Der gusseiserne Langhuber (Bohrung×Hub 84.1×101.6 mm) mit seinen oben hängenden Ventilen und der niedrigen Verdichtung (6.4:1) war zwar hohen Drehzahlen alles andere als zugeneigt und machte auch ziemlich viel Lärm, doch er erwies sich als ausserordentlich zuverlässig. Geschaltet wurde über das schon erwähnte manuelle Dreigang-Getriebe – ein Reduktionsgetriebe gab es nicht, genügend Hubraum (und somit reichlich Drehmoment) in Verbindung mit ­einem sehr kurzen ersten Gang (5.53:1) erschienen den Ingenieuren um Irritani Saihei und Testfahrer Ichiro Taida als ausreichend auch für Fahrten in grobem Gelände.

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Die ersten Toyota-Geländewagen sahen dem Jeep noch sehr ähnlich. Ein Schelm, wer da an eine Kopie denkt.

Auch wenn das Jahr 1951 als offizieller Geburtstermin gilt, sollte es doch bis 1953 dauern, bis im Werk Arakawa Bankin Kogyo KK endlich eine Serienproduktion in Gang kam. Unterdessen gehörten neben der Polizei auch die Forst- sowie die Landwirtschaftsbehörde zu den Abnehmern. Trotzdem konnten im Fiskaljahr 1953 nur 289 Exemplare verkauft werden. 1954 wurden dann schon 457 Toyota Jeep BJ abgesetzt, obwohl mitten im Jahr eine Namensänderung vorgenommen werden musste. Willys-Overland liess den Begriff Jeep schützen, also musste eine neue Bezeichnung her. Weil unterdessen der Land Rover für Aufsehen sorgte und Toyota auch einen Begriff mit Wiedererkennungswert haben wollte, entstand nach einer Idee des technischen Direktors Hanji Umehara der Name Toyota Land Cruiser (japanisch Toyota Rando-kuruza). Zum ersten Mal verwendet wurde die neue Bezeichnung am 24. Juni 1954.

Das ewige Sinnbild

Nachdem der BJ einigermassen in die Gänge gekommen war und erste Exemplare auch ins Ausland verkauft werden konnten, kam im August 1955 die zweite Generation des Land Cruiser (J2) auf den Markt – zuerst als BJ25. Die Aufschlüsselung des Modellcodes ist einfach: B stand für den bekannten 3.4-Liter-Sechszylinder, J für die Geländewagenreihe, die 2 für die zweite Generation – und die 5 hatte keine besondere Bedeutung. So trocken die neue Bezeichnung auch wirkte, so war es – mit Ausnahme des Motors – doch ein ganz neues Fahrzeug, das Toyota auf die Räder stellte. Einverstanden, so komplett neu war nicht alles, wie so oft in Japan waren es stetige Verbesserungen. Die waren bei der dritten Generation (J3) aber nicht vorhanden, von ihr entstanden 1960 gerade einmal 60 Exemplare.

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Die zweite Serie der Land Cruiser wurde als J2 bezeichnet. J steht bei Toyota immer für Geländewagen.

Ganz anders dann der J4, geboren 1960 mit einfacher und gerade deshalb auch sehr solider Technik, die in erster Linie auf Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ausgerichtet war. Dank cleverer Vermarktung und stetiger Weiterentwicklung konnte der J4 zum Meilenstein in der Automobilgeschichte werden, der er heute ist – wohl kein anderes Automobil steht mehr für Robustheit. Mit diesem Fahrzeug bewies Toyota, dass man nicht nur überall hinfahren konnte, sondern (fast) immer auch wieder zurückkam. 1979, stolze 19 Jahre nach seiner Einführung, erhielt der J4 auch schon ein erstes Facelift: die charakteristische Brille um Scheinwerfer und Kühlergrill war nicht mehr rund, sondern eckig. Bis 1986 wurde dieses ewige Sinnbild des robusten Geländewagens gebaut, zumindest in Japan. In Brasilien blieb er als Bandeirante sogar bis 2001 im Programm – mit einem Mercedes-Diesel unter der Haube.

Neue Bedürfnisse

Doch die Bedürfnisse änderten sich. Einigermassen gepflegt ins abgelegene Ferienhaus in Aspen oder an den Strand in Australien, nein, das wollte man sich nicht unbedingt antun im J4. Und der Rest der Familie wollte das erst recht nicht. In den USA, dem wichtigsten Markt für den Land Cruiser, hatte Jeep mit dem Wagoneer 1963 einen Coup gelandet, der Geländewagen war luxuriös und bequem geworden, zum SUV. Das brauchte Toyota auch, die Designabteilung von Toyota, die sich bislang ausschliesslich mit Personenwagen beschäftigt hatte, erhielt Mitte der 1960er-Jahre erstmals den Auftrag, sich mit einer ganz besonderen Form von Geländewagen zu beschäftigen: mit dem Station Wagon. Es entstand der J5, der zwar den Übernamen Eisenschwein erhielt, aber doch so etwas wie Komfort in den Land Cruiser brachte. Und eine Zweiteilung des Modellprogramms zur Folge hatte, die bis heute besteht: Da gibt es die grossen Brocken mit grossen Motoren und viel Luxus, Nachfolger des J5 war der J6 (gebaut von 1980 bis 1989), es folgte der J8 (ab 1990). Und dazu noch den kleineren J9 (ab 1996). Und den J10 (ab 1998). Und den nochmals kleineren J12 (ab 2002). Und dann auch noch den J20 (ab 2007). Und jetzt den J30 (ab 2021), den es aber in Europa nicht zu kaufen gibt. Auch die Ableger von Lexus, noch luxuriöser ausgestattet, finden den Weg in hiesige Gefilde schon länger nicht mehr.

Nachfolger des J4 war der J7 (ab 1984). Zu den weiteren Hardcore-Modellen gehören der J15 (ab 2009) und jetzt neu der J25 (ab 2024)). Über den J7 gibt es in diesem Rückblick nicht viel zu schreiben, denn er wird in Australien und Japan weiterhin angeboten, wurde erst kürzlich wieder einmal aufgefrischt, er ist also kein historisches Modell. Aber er ist auf jeden Fall ein würdiger Nachfolger des J4. Bei diesen J7 entstand eine weitere Zäsur zwischen den Heavy Duty und Light Duty, also den mehr auf den europäischen Geschmack abgestimmten, schraubengefederten leichten und den blattgefederten schweren Wagen. Dazu kamen über die Jahre fünf unterschiedliche Radstände und nicht weniger als 22 verschiedene Motoren. Für die wahren Freaks endet die Land-Cruiser-Geschichte aber sowieso im Jahr 1999, als der J7, nur gerade 15 Jahre nach seiner Einführung, ein Facelift erhielt – es gab ihn fortan nur noch mit Schraubenfedern.

Kultstatus

In der Schweiz standen die Toyota Land Cruiser erstaunlicherweise immer tief im Schatten des (viel anfälligeren) Land Rover Defender. In anderen Regionen der Welt, etwa in den Vereinigten Staaten oder Australien, verkauften sich die Japaner aber nicht nur immer viel besser, sondern haben, vor allem als FJ40, längst Kultstatus. Für gute Exemplare werden auch sechsstellige Summen bezahlt. Auch für das Eisenschwein (FJ55) und die neueren FJ60/62 haben die Preise in den letzten Jahren massiv angezogen. 

Fotos: Toyota, RM Sotheby’s

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