Wer die Boliden der frühen 1950er-Jahre kennt, die bei den Grand Prix von Alfa Romeo, Ferrari, Mercedes oder Maserati eingesetzt wurden, ist erstaunt, wenn er zum ersten Mal einem Cooper T45 gegenübersteht. Das Auto ist vergleichsweise zierlich, ja geradezu winzig. 1958, als Cooper mit diesem Wagen in die Königsklasse einstieg, war die britische Motorsportindustrie noch genau das, was Enzo Ferrari despektierlich als eine Gruppe von «Garagisti» – Schraubern und Tüftlern – bezeichnete. Meist in windigen Schuppen oder alten Flugzeugremisen einquartiert, waren die britischen Konstrukteure selten von glamouröser Herkunft. John Cooper und sein Vater Charles bauten mit Motorradmotoren und Restmaterial der Royal Air Force nach dem Zweiten Weltkrieg ihre ersten, kleinen Rennwagen, mit denen sie in der Formel Junior antraten. Die Hinterachse der ultraleichten Renner wurde direkt von der Kette des Motorradmotors samt Getriebe angetrieben. Damit anerbot sich die Position des Motors hinter dem Piloten. John Cooper soll später einmal gesagt haben, dass er sich damals kaum Gedanken um einen epochalen Wandel gemacht habe, sondern aus rein praktischen und finanziellen Gründen diese Anordnung gewählt habe. John, der während des Krieges als Instrumentenbauer für die Air Force gearbeitet hatte, brachte seine Erfahrungen, genau wie seine Zeitgenossen Colin Chapman (Lotus) oder Frank Costin (freier Mitarbeiter unter anderem von Vanwall und Lotus) – vom Flugzeugbau mit in den Rennsport. Überhaupt legte die Fliegerei viele Grundlagen für den Durchbruch des britischen Motorsports am Ende der 1950er-Jahre. So führten das Ende der Strecke von Brooklands mit ihren motororientierten, aber fahrwerkstechnisch wenig anspruchsvollen Steilwandkurven und die frei werdenden Rundkurse auf ehemaligen Flugfeldern wie Silverstone oder Goodwood mit ihren kurven- und abwechslungsreichen Layouts zu einem neuen Fokus auf die Fahrwerkstechnik. Zudem fehlten den Briten zuvor leistungsfähige Motoren.
Startschuss
Martin Sigrist | 24.05.2024
Cooper brachte 1958 den Mittelmotor zur Formel 1 und startete eine der grössten Revolutionen im Rennwagenbau.
Cooper T45 1958
Mittelmotor-Pionier
Formel 2 und Formel 1
Zwar gab es ab 1950 eine vielversprechende Ausnahme in Form eines OHC-Aluminiummotors von Coventry Climax. Dass der Hersteller nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt einen kurzhubigen und damit drehfreudigen Motor in Produktion genommen hatte, lag daran, dass dieser gar nicht für den Einsatz in einem Auto gedacht war. Der FW (für Feather Weight) sollte ein leichter, aber sehr leistungsfähiger Feuerlösch-Pumpenantrieb sein. In einer solchen Applikation, gekauft von Kommunen und grossen Betrieben, spielten weder die Kosten noch die britische RAC-Steuerformel eine Rolle, welche, salopp formuliert, nicht den Hubraum, sondern nur die Bohrung besteuerte (Bohrung im Quadrat × Anzahl Zylinder ÷ 2.5). Das Nachhallen dieser Steuerformel bis in die 1960er-Jahre sorgte lange für ein gewisses Handicap der britischen, langhubigen Serienmotoren besonders gegenüber italienischen Konstruktionen in den kleinen und mittleren Hubraumklassen, wo viele Zylinder und kurze Hübe – und damit hohe Drehzahlen – üblich waren. Der erste britische Serien-Kurzhuber war 1959 der 105 von Ford, besser als Kent-Motor bekannt, doch das ist eine andere Geschichte – und der Anfang vom Ende jener Story, die wir hier noch gar nicht ganz erzählt haben.
Historisch Einen Cooper T45 sieht man nicht alle Tage. Ein als Formel-1-Wagen aufgebautes Exemplar steht in der Schweiz.
Mit Walter «Wally» Hassan und Harry Mundy standen zwei ausgesprochene Petrolheads an der Spitze der Motorentwicklung bei Coventry Climax. Sie halfen der Motorsportgemeinde ab 1950, ihren Arbeitgeber davon zu überzeugen, dem FW-einen FWA-Motor hinterherzuschieben – A für Automobile. Zudem arbeiteten die zwei an einem 2.5-Liter-V8-Rennmotor für die Formel 1, allerdings unter dem Vorwand, einen neuen Pumpenantrieb zu entwickeln. Von Sporteinsätzen galt es die Chefs von Coventry Climax erst noch zu überzeugen. Der daraus resultierende FPE-Godiva-Motor kam aus Angst vor einer Blamage gegen den überlegenen Reihenachtzylinder des Mercedes W196 von 1954 aber nie zum Einsatz. Was von den zwei gebauten Motoren hingegen blieb, war ein DOHC-Zylinderkopf. Diesen adaptierte Hassan 1957 für einen Motor der 1956 neu aufgegleisten Formel 2 mit 1.5 Litern Hubraum, den Coventry Climax FPF. Aufgebohrt auf zwei Liter diente dieser Antrieb aber auch in der Formel 1. Mit vier von sechs möglichen Siegen im Jahr 1956, 13 von 16 im Jahr 1957, 15 von 20 im Jahr 1958 und 23 von 25 im Jahr 1959 war Cooper in der Formel 2 eine Macht – und damit auch der aus den Vorgängern T41 und T43 entwickelte T45. Und auch in der Formel 1 brachte der T45 erste Lorbeeren ein: Für Privatier Rob Walker gewannen Stirling Moss den 1958er GP von Argentinien und Maurice Trintignant im selben Auto den GP von Monaco. Im Jahr darauf, mit neuem 2.5-Liter Climax-Motor im aktualisierten Cooper T51 wurden die Briten schliesslich F-1-Team-Weltmeister und der Australier Jack Brabham siegte in der Fahrerwertung, nach der Dominanz in der Formel 2 hatte der Mittelmotor definitiv auch die Königsklasse erobert und zudem erstmals ein Team gewonnen, das seinen Motor nicht selbst baute. Brabham und Cooper-Climax gewannen in der Folge auch die 1960er F1-Weltmeisterschaft.
Überrollbügel, korrekte Vergaser und neue Ansaugbrücke für die Saison 2024.
Chassisnummer F2-2-58
Cooper baute 24 Stück des T45, Chassisnummer 2 gehörte dem Team von Alan Brown und Ken Tyrrell. Im Cockpit sassen 1958 neben Tyrrell, später Teamchef seines eigenen Tyrrell-Rennstalls und mehrfacher F-1-Team-Weltmeister, aber auch Masten Gregory oder Mike Taylor. Nach einer bewegten Geschichte fand der Cooper in den 1980er-Jahren im Verlauf einer umfassenden Restauration den Weg in die Schweiz. Aufgerüstet nach Formel-1-Spezifikation mit einem Zweiliter-FPF-Motor und Scheibenbremsen an allen Rädern (der T45 verfügte 1958 noch über Trommelbremsen), gehört der Cooper seit Mai 2021 dem Aargauer Philipp Husistein. Der Mitinhaber eines grossen Architektur- und Planungsbüros und Präsident des Jaguar Drivers’ Club Switzerland liess seither dem Wagen weitere Optimierungen angedeihen. So wird der FPF-Motor wieder von zeitgenössisch korrekten Sandguss-Weber-DCO3-Vergasern gefüttert. Dazu erhielt der Cooper eine neue Ansaugbrücke, hergestellt im 3-D-Druckverfahren aus Aluminium. Ausserdem ist der Pilot nun durch einen Überrollbügel gemäss FIA-Vorschrift besser geschützt.
Besitzer Philipp Husistein vor den ersten Einstellfahrten
So bedeutsam der Cooper T45 für die Formel 1 ist, so geradlinig ist er konstruiert. Ist er das? Gezeichnet von Owen Maddock, einem schrulligen und als eher schwieriger Charakter beschriebenen Ingenieur und Bartträger, besitzt der Cooper T45 rahmengebogene Rohre. Dies war ein klarer Verstoss gegen die eben erst entdeckten Regeln der Triangulation der dünnwandigen, aber leichten Gitterrohrrahmen. Der Grund für diese technische Lösung, die sowohl der Seniorpatron Charles Cooper als auch Maddock später durch alle Böden hindurch zu verteidigen pflegten, war aber eher banaler Natur. Glaubt man den Chronisten, so wollte Charles Cooper schlicht etwas Neues und schickte den als eher behäbig bekannten Maddock solange immer wieder weg, um einen neuen Vorschlag zu entwerfen, bis dieser wütend jedes einzelne Rohr mit einem Bogen aufzeichnete und Cooper sen. zum grossen Erstaunen Gefallen daran fand. Jack Brabham, ab 1958 die dritte Kraft als Fahrer und fähiger Entwickler im Cooper-Team, soll stets über die gebogenen Rahmenrohre gefrotzelt haben.
In hellem Grau lackiert – die Farbe macht Haarrisse leichter sichtbar – , zeigt sich der Rahmen von Husisteins T45 in perfektem Zustand und ist mit rot lackiertem Aluminium eingekleidet. Weisse Felgen verleihen dem T45 den typischen Schweizer Rennsportlook.
Rot-Weiss sind die Schweizer Rennfarben
Im Juni auf der Lenzerheide
Als nächstes grösseres Ereignis in der langen Geschichte von Philipp Husisteins Cooper T45 steht eine Teilnahme an den Lenzerheide Motor Classics vom 7. bis 9. Juni bevor. Auf der nach Lesart der Organisatoren «höchstgelegenen Rundstrecke Europas» finden an diesem Wochenende verschiedene Schaufahrten mit rund 260 Fahrzeugen statt. Allzu viele Gelegenheiten, einen historischen Rennwagen in der Schweiz artgerecht zu bewegen, gibt es ohnehin nicht, die Veranstaltung in Lenzerheide verspricht aber, nicht nur eine gute Gelegenheit zu sein, den Cooper gehörig fliegen zu lassen, sondern bildet inmitten der Bündner Berge eine eindrückliche Kulisse, um historische Autos wie dieses in voller Aktion erleben zu können. Mit von der Partie sind zudem Fahrzeuge, die bei den Austragungen des Bergrennens Tiefencastel–Lenzerheide in den Jahren 1951 und 1957 bereits dabei waren, so beispielsweise der Jaguar XK 120, mit dem Albert «Bätsch» Scherrer beim Rennen von 1951 antrat.
Weitere Informationen zu den Lenzerheide Motor Classics www.lenzerheidemotorclassics.ch
Vorne: Doppelte Querlenker und Schraubenfedern
Hinten: Doppelte Querlenker und Querblattfeder
Extra: Der Schalldämpfer ist auf dem Anneau du Rhin Pflicht
Coventry Climax FPF in der Zweiliter-F1-Ausführung
State of the Art Cooper-typisch sind gebogene Chassisrohre, die Tanks sitzen in den Wagenflanken. Die Chassisnummer F2-2-58 war ursprünglich ein 1.5-Liter-Formel-2. Nun sitzt eine Zweiliter-Variante des Coventry Climax FPF im Heck.
Technische Daten
Cooper Climax T45 F1 (F2) 1958
Motor Coventry Climax FPF, R4, 1965 cm³, DOHC (Zahnräder), 2 Ventile/Zylinder, Aluminiumblock und Zylinderkopf, 2 Querstrom-Doppelvergaser Weber DCO3, Trockensumpf. Leistung ca. 175 PS.
Antrieb 4-Gang-Getriebe auf der Basis eines Gehäuses von Citroën (Traction Avant) mit den Innereien von ERSA (F).
Fahrwerk Vorne Doppelquerlenker, Schraubenfedern. Hinten doppelte Querlenker, obere Querblattfeder, v./h. Teleskopstossdämpfer und Dunlop-Scheibenbremsen.
Karosserie Monoposto. Aluminium über Gitterrohrrahmen mit gebogenen Rohren. Gewicht 510 kg.
Fahrleistungen Ca. 220 bis 230 km/h.
Stückzahl 24
Fotos: Arthur Mebius
Testfahrt Nichts wird dem Zufall überlassen, der Cooper absolvierte seine Testrunden auf dem Anneau du Rhin klaglos.
Bodenständig So wie Privatfahrer in der Formel 1 der 1950er- und 1960er-Jahre bringt auch Philipp Husistein seinen Cooper eigenhändig zum Rennplatz und bereitet seinen Wagen vor. Das gehört mit zum Spass mit historischen Rennwagen.
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