Studebaker GT Hawk – Ladydriver

Martin Sigrist | 23.11.2023

Amerikanischer Exot Studebaker war in den 1950ern bei uns allgegenwärtig, aber nie auf Rosen gebettet. Teil des Niedergangs: der GT Hawk.

Front Studebaker Hawk Gran Turismo 7

Studebaker ist einer der ältesten Fahrzeugbauer der USA. Erste Erfolge feierte das Unternehmen aus South Bend im US-Bundesstaat Indiana mit Pferdewagen. Das 1852 als Schmiede gegründete Unternehmen baute die Conestoga-Wagons, die Planwagen der amerikanischen Siedler. Mit rund 75 000 Pferdewagen pro Jahr galt Studebaker als einer der grössten Kutschenbauer der Welt. Ende des 19. Jahrhunderts fand eine erste Antriebsmaschine ihren Weg in ein Studebaker-Fahrgestell – ein Elektromotor! Studebaker war damit in guter Gesellschaft, fast die Hälfte aller Autos waren damals strombetrieben. Da das Strassennetz aber schnell aus den Städten aufs Land hinauswuchs und Benzin für die ständig wachsenden Distanzen besser geeignet war, löste der Verbrennungsmotor das E-Auto bald ab. Als ein mittelgrosser Hersteller abseits des US-Automobilzentrums Detroit entwickelte sich Studebaker zu ­einem Anbieter mit Vollsortiment im Personenwagen- wie im Trucksegment. Den Pferdewagenbau verkaufte das Unternehmen erst 1927.

Studebaker Hawk Gran Turismo 3

Enthusiasten-Freundschaft León Ladiges und Laura Erismann (beide 23) teilen ihre Leidenschaft für Amerikanerwagen, die wesentlich älter sind als sie selbst.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Stude­baker zu denjenigen, die auf dem Schweizer Markt mit modernen Autos punkten konnten. Der 1947 vorgestellte Champion war eines der ersten Autos mit Pontonkarosserie. Mit dessen Erneuerung stellte Studebaker 1953 ihm ein bildschönes Coupé zur Seite, den Starliner. Mit seinen von Robert Bourke, Designer im Studio von Raymond Loewy, gezeichneten europäischen Linien, dem Verzicht auf viel Zierrat und einer zeitlosen Form sollte er die Basis für eine ganze Reihe von Coupés werden. Produktionsprobleme zum Start brachten Studebaker allerdings in erste Schwierigkeiten, der Starliner hätte vermutlich mehr Potenzial gehabt. Immerhin, die Schweiz liebte die kompakten Amerikaner mit ihren – zumindest bei den Sechszylindern – recht moderaten Hubräumen. Aus dem Starliner wurde 1956 die Hawk-Familie mit vier verschiedenen Leistungsstufen. Der Überflieger war der Golden Hawk, zunächst mit Packard-V8 und nach dessen Einstellung noch im Jahr seiner Vorstellung 1956 mit einem Studebaker-Motor mit Kompressor. Ab 1960 blieb davon nur der Hawk ohne Namenszusatz, der mit seiner teuer zu produzierenden Panoramaheckscheibe und Heckflossen im Umfeld der grossen Drei (Ford, GM, Chrysler), die jährlich neue Karosserievarianten präsentierten, altbacken wirkte. Stude­baker verbrannte seine Reserven, die Packard-Übernahme hatte die Situation nicht verbessert. Für grosse Sprünge in der Entwicklung reichten die Vertriebsergebnisse nicht aus. Es wird behauptet, Studebaker hätte dazu Ende der 1950er-Jahre rund 280 000 Autos verkaufen müssen – tatsächlich wurden nur etwa 80 000 Wagen ausgeliefert.

Budgetlösung

Studebaker-Designer Brooks Stevens gelang der Geniestreich, er kappte zum Modelljahr 1962 die Heckflossen des Hawk und schickte die teure Heckscheibe zugunsten einer Scheibe aus Flachglas (!) in Pension. Das alte Rippenmuster des Heckdeckels kaschierte er unter einer Aluminiumblende. Im Innenraum brachten schlichte, von Holzfolie umgebene Rundinstrumente noch mehr europäisches Flair in die Kabine. Unter dem Blech blieb allerdings fast alles beim Alten. Als Antrieb standen ein 2.8-Liter-Sechszylinder, ein 4.2- sowie ein 4.7-Liter-V8 zur Verfügung. Für die Schweiz leisteten diese 112, 180 und 225 PS, zur Wahl standen ein Drei- sowie ein Vierganggetriebe und ein Automat. Nicht weniger als fünf Importeure sorgten für den Vertrieb der 1962 recht umfangreichen Studebaker-Modellpalette in der Schweiz.

Studebaker Hawk Gran Turismo 2

Stil Mit klaren Linien und europäischen Dimensionen konnte Studebaker besonders in der Schweiz punkten.

Tatsächlich brachte der neue, nun Grand Turismo Hawk oder einfach GT Hawk genannte Wagen wieder etwas Schwung in die Verkaufszahlen, wenn auch auf bescheidenem Niveau. Doch das Momentum wurde mit fraglicher Qualität des verwendeten Materials im Innenraum – das Vinyl der Sitze alterte vorzeitig – schnell wieder abgebremst. 8388 GT Hawk wurden im ersten Jahr verkauft, nur 947 Wagen gingen in den Export. Es ist zu vermuten, dass eine überproportional grosse Anzahl davon in die Schweiz geliefert wurde. Denn unser goldener 1962er-GT-Hawk ist eine Schweizer Erstauslieferung, ausgerüstet mit dem 2.8-Liter-Sechszylinder-Skybolt-Motor und einer Viergang-Lenkradschaltung. Der Wagen in weitgehend originalem und unrestauriertem Zustand gehört Laura Erismann und León Ladiges, ­einem jungen Paar von Autoenthusiasten.

Weitergegeben

Die beiden besassen bereits einen 1964er-Studebaker Daytona, als sie sich dem Studebaker Car Club Switzerland anschlossen. Die beiden erst 23-Jährigen sorgten für Aufsehen im Klub und schwärmen bis heute von der herzlichen Aufnahme. «Der GT Hawk wurde uns von einem Mitglied an der GV angeboten, das Auto ist im Klub bekannt und gehörte einer Frau. Wir übernahmen es nicht zuletzt, weil es uns unbedingt im Klubumfeld erhalten bleiben musste. Dass wir nun gleich zwei Studebaker besitzen, war aber nicht absehbar. Ich kannte die Marke noch nicht einmal, ich hatte mich eher gescheut, mit dem Daytona zu fahren, ein so kleiner Ami, das war mir etwas suspekt. Erst ein Notfall brachte mich dazu: Mein Bruder musste ins Spital, und es war kein anderes Auto verfügbar. Seither liebe ich es, Studebaker zu fahren – und nun besonders auch den GT Hawk», erzählt die angehende Automechanikerin. Ihren Plan, Veterinärmedizin zu studieren, hat Laura Erismann nach vier Semestern aufgegeben, nun will sie ihre Ausbildung bei Auto Vetterli in Embrach ZH – «wir importieren vieles aus den USA, besonders die grossen Toyota, das passt hervorragend» – mit einem Lehrgang der Interessengemeinschaft Fahrzeugrestauratoren (IGFS) erweitern. «Ich will auf historischen Fahrzeugen weiterarbeiten, keine Frage, und das Ziel ist ganz klar die Selbständigkeit», umreisst Erismann ihre Zukunft. Mit ihrem Freund, der als Automechaniker für den Zürcher Flughafen arbeitet, betreibt sie bereits jetzt in ihrer Freizeit eine Werkstatt in Wetzikon ZH. Diese haben wir im Porträt von Roche Luder in AR 39/2023 schon etwas kennengelernt.

Studebaker Hawk Gran Turismo 8

Gepflegt Als Auto aus Frauenhand präsentiert sich der Studebaker in all seinen Details noch immer so, wie er 1962 ­ausgeliefert wurde. Ein spannendes Detail des Autos mit Viergang-Handschaltung ist ein Hill-Holder zum Anfahren am Berg.

«Der GT Hawk ist zwar nicht perfekt, aber er ist technisch sehr zuverlässig. Wir erhielten im Januar 2023 von unserem Klubpräsident Ueli Well­auer den Tipp, und die Vorbesitzerin zeigte uns ein Foto. Im April kauften wir den Wagen und fuhren damit im Juni nach Le Mans, insgesamt 2500 Kilometer ohne die geringste Störung, selbst die abnorme Hitze machte dem Auto nichts aus», schwärmt die fachkundige neue Besitzerin.

Gekommen um zu bleiben

Der GT Hawk von Laura Erismann und León Ladiges hat eine Anhängerkupplung und wurde ursprünglich zum Ziehen eines Wohnwagens verwendet. «Dieser existiert noch, es ist ein Eriba aus der Zeit. Wir wollen die beiden wieder zusammenbringen», trägt Laura Erismann eine reizvolle Idee vor. Mit dem kleinen Haus am Haken bekommt auch der Besuch eines Oldtimertreffens eine andere Qualität. Und es ist ziemlich sicher, dass bei ­einem solchen Gespann stets mit reichlich Publikum zu rechnen ist – umso besser, wenn man die Bar und die Kaffeeküche dann gleich dabei hat. «Über den Wert oder dergleichen machen wir uns keine Gedanken, für uns steht fest, dass der GT Hawk bei uns bleibt. Und ob er je den Veteranenstatus erhalten wird, ist unwichtig. Wir sind so viel damit gefahren, dass wir sowieso über dem Limit liegen», räumt dessen Hüterin ein. Das kann man verstehen, der Hawk ist keine Rakete (nur manchmal wünschte sich Erismann den V8), aber ein sehr relaxter Reisewagen.

Trotz eines gewissen Exotenstatus gibt es für Studebaker noch alle elementaren Ersatzteile. Das Unternehmen stellte zwar 1964 die Produk­tion in South Bend ein – was zugleich das Ende des Hawk bedeutete – und machte 1966 in Kanada auch das letzte Werk dicht, doch Studebaker hörte nie wirklich auf zu existieren. Da nichts liquidiert oder in alle Winde zerstreut wurde, konnte das umfangreiche Teilelager stets weitergepflegt werden – bis heute. Damit ist auch sichergestellt, dass der GT Hawk des jungen Pärchens noch eine ganze Weile weiterfahren kann, es wäre ihm und dem Auto mehr als zu gönnen.

Studebaker Hawk Gran Turismo 6

Anleihen Ende der 1950er-Jahre übernahm Studebaker den Vertrieb von Mercedes in den USA, der Grill veränderte sich mit jedem Jahrgang.

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Technische Daten

Studebaker Grand Turismo Hawk 1962

Motor Skybolt-Six, OHV-Reihen-Sechszylinder, 2779 cm³, 14-Steuer PS, 112 PS bei 4500 U/min, 208 Nm bei 2000/min.

Antrieb 4 Gänge, Lenkradschaltung, Hinterradantrieb.

Fahrwerk Leiterrahmen, vorne doppelte Querlenker mit Schraubenfedern, hinten Starrachse mit Halbelliptikfedern, vorne und hinten Trommelbremsen.

Karosserie Stahlblech mit Chassis verschraubt. Faux-Cabriolet ohne B-Säule, 
5 Plätze.

Fahrleistungen Höchstgeschwindigkeit 130–140 km/h (Annahme der AR-Redaktion 1962).

Stückzahlen 8838 (1962), 4009 (1963), 1448 (1964)

Preis USA, 1962: Dollar 3000.–. Schweiz, 1962: Fr. 20 500.– (6 Zyl., 14 PS). – Zum Vergleich, 1962: Ford Galaxie 500 2-Door Hardtop (V8, 24 PS), Fr. 20 400.–.

Fotos: Vesa Eskola

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