Die Unbekannten: Dual-Ghia / Ghia

Peter Ruch | 12.01.2024

Man kennt Ghia als Karossier. Aber die Italiener haben unter eigenem Namen auch Autos gebaut.

Dual 2

  • Erste Serie von 1956 bis 1958
  • Zweite Serie von 1961 bis 1963
  • Zuerst 117 Stück, dann noch einmal 26

Der Amerikaner Eugene Casaroll war Besitzer des stolzen Unternehmens Automobile Shippers, Inc.. Diese Firma transportierte vorwiegend Fahrzeuge von Chrysler, hatte aber auch eine Tochter namens Dual Motors, die im 2. Weltkrieg Generatoren und Lastwagen mit zwei Motoren (daher der Name) baute für die amerikanische Luftwaffe. Erfolgreich, darf man dazu auch noch schreiben. Wohl in seiner Eigenschaft als Transporteur von Chrysler, die seine Firma aus der Fabrik zu den Händlern bewegte, durfte er schon früh ein Auge werfen auf den Dodge Firearrow IV, eine Fingerübung von Virgil Exner, 1954 entworfen. Casaroll verliebte sich unsterblich – und als Dodge meinte, den Firearrow sowieso nicht bauen zu wollen, erwarb er die Rechte am Design. Und an allem, was es sonst noch zu kaufen gab rund um diesen Wagen. Er beauftragte dann Paul Farago, einen in Italien geboren Rennfahrer, Mechaniker und Playboy damit, den Wagen serienreif zu machen. Es kam damit auch noch Ghia, gegründet 1921 und in den 50er Jahren noch eine der feinsten Adressen unter den italienischen Meister-Karossiers, mit ins Spiel, dies deshalb, weil die Italiener damals die Exner-Prototypen gebaut hatten – und damit nahm das Verderben des Eugene Casaroll seinen Lauf.

Es lief dann so: Man nahm ein Dodge-Chassis, verstärkte es ein wenig, und verschiffte die Geschichte zusammen mit dem klassischen D-500-Motor von Dodge, einem 5,2-Liter-Hemi-V8, nach Italien. Dort pappte Ghia die Karosse, die im Vergleich zum Firearrow IV nur marginal verändert wurde (abgesehen davon, dass aus dem Coupé ein Cabrio wurde), auf das Chassis, dann ging die ganze Geschichte zurück in die Vereinigten Staaten. Weil es ein wirklich schizophrenes Teil war, amerikanische Technik, amerikanisches Design, italienisches Handwerk, wurde das Produkt dann Dual-Ghia genannt. Und war so teuer in der Herstellung, dass Eugene Casaroll prompt krank wurde – und sich aus dem Geschäft zurückziehen musste. Paul Farago übernahm die Leitung.

1956 kamen die ersten Exemplare auf den Markt, gebaut wurden sie bis 1958, es heisst, dass insgesamt 117 Stück entstanden sind (davon mindestens zwei Coupé mit festem Dach). Angeboten wurden die Dual-Ghia zu einem Preis von 7646 bis 7741 Dollar, sie gehörten damit zu den eher teuersten Wagen in den USA. Das Problem: die Herstellungs- und Transportkosten lagen bei mindestens 15’000 Dollar. Was bedeutete, dass Casaroll an jedem Exemplar ein kleines Vermögen verlor, zumindest für damalige Verhältnisse (für 10’000 Dollar gab es damals noch ein anständiges Haus…).

5,17 Meter lang war so ein Dual-Ghia, der Radstand betrug stattliche 2,92 Meter. Der 5,2-Liter-Hemi schaffte eine relativ beschauliche Leistung von 230 PS, deshalb gab es auf Wunsch auch noch eine 5,3-Liter-Version mit 260 Pferden. Geschaltet wurde über eine Powerflite-Automatik von Chrysler. Mit einem Höchstgeschwindigkeit von 193 km/h gehörten die Wagen zu den schnellsten jener Jahre. Es ist auch deshalb erstaunlich, dass der Dual-Ghia nicht mehr Käufer fand. Denn obwohl er einigermassen konservativ aussah (zumindest im Vergleich mit den wilden Cadillac jener Jahre) und auch technisch nicht gerade fortschrittlich war, erfreute er sich in der obersten Schichten der USA grosser Beliebtheit. Dean Martin fuhr einen im Film «Kiss me, Stupid» von Billy Wilder (1964), Frank Sinatra besass einen, Richard Nixon auch. Und Ronald Reagan soll seinen Dual-Ghia in einem Pokerspiel an den damaligen US-Präsidenten Lyndon B.Johnson verloren haben.

Dual 1

Man erkennt noch klar den Dodge Firearrow IV, eine Fingerübung einst von Virgil Exner - RM Sotheby's

Farago gab aber nicht auf, er konstruierte eine 2. Generation, die komplett in Italien gebaut wurde, diesmal mit einem 6,3-Liter-Hemi-V8. Doch auch dieses Projekt hatte keinen Erfolg, es wurden nur noch 26 Stück gebaut. Beide Dual-Ghia sind aber heute bei den Sammlern sehr gefragt, die Preise sind in den vergangenen Jahren wild nach oben geschossen. Vor fünf Jahren gab es die Dual-Ghia – es heisst, es würden von der ersten Generation noch 32 Stück exisitieren – noch für 100’000 Dollar, unterdessen ist man aber bei über 400’000 angelangt. Tendenz: weiter steigend. Aber hier noch ein Dual-Ghia der zweiten Generation:

Casaroll hatte übrigens nach dem Abenteuer mit dem Dual-Ghia noch nicht genug, als er wieder genesen war von den hohen Rechnungen, die er bezahlen musste, stürzte er sich ins nächste Desaster, die Wiederbelebung von Duesenberg. Doch auch aus diesem Projekt, genannt Stutz, wurde nicht viel.

In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Hier entsteht eine hoffentlich interessante Sammlung von nicht so sehr bekannten Marken und Modellen - eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.

Kommentare

Keine Kommentare