- Wilde Geschichten
- 450 PS für knapp 1000 Kilo
- Acht Exemplare gebaut
Die Unbekannten: Melling Wildcat
Peter Ruch | 12.04.2024
Al Melling war einst eine wichtige Figur in der Auto-Industrie. Seine eigenen Projekte kamen aber nicht vom Fleck.
Der Mann hatte definitiv: Kompetenz. Eigentlich müsste das Leben von Alwyn «Al» Melling verfilmt werden, Netflix, mindestens sechs Teile. Seine Karriere begann der Engländer in den 80er Jahren in der Mode-Industrie, kam dann irgendwie in Kontakt mit einem reichen Amerikaner, der die Motorrad-Marke Norton neu beleben wollte. Das Projekt scheiterte, doch Melling hatte schon diverse Motoren konstruiert, für die er dann nie bezahlt wurde. Aber anscheinend war etwas dran an seinen Fähigkeiten als Konstrukteur, in den 90er Jahren arbeitete er als Berater für verschiedene Formel-1-Teams, konstruierte den TWR-4-Ventil-Motor für die Silk-Cut-Jaguar und den Reihen-Sechszylinder sowie den AJP8-V8 für TVR (eine Firma, die er später kaufen wollte). Ausserdem war Al Melling mittendrin in den Verhandlungen, als die Vickers Group die Rechte an Rolls-Royce und Bentley verkaufen wollte. Ein rein britisches Konsortium hatte da nämlich auch mitgeboten, sogar die entsprechenden Mittel zusammengebracht (man spricht von 550 Millionen Pfund), doch die beiden Marken wurden einigermassen überraschend und unter nie ganz geklärten Umständen an VW sowie dann über Umwege an BMW verschachert (es heisst: für 430 Millionen Pfund).
Und so baute sich Al Melling halt seine eigenen Autos. Nun wird es allerdings etwas unklar. Da war zuerst einmal der Hellcat, ein doch eigenartiges Ding im Jahr 2006, das von einem 6-Liter-V10 mit vier Turbos auf ganz nette 1217 PS gebracht wurde; das war mehr als im damals aktuellen Bugatti Veyron. Wohl ebenfalls 2007 stellte Melling den Griffon vor, eine Weiterentwicklung des TVR Griffith - ob je ein Stück davon tatsächlich gebaut wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Doch dann war da auch noch der Melling Wildcat, ab 2008. Optisch sieht diese Wildkatze auch aus wie ein TVR. Doch sowohl das Design wie auch das Chassis wurden von Melling neu entwickelt, als Motorisierung bot er den weiterentwickelten AJP8-V8 oder einen klassischen und sanft frisierten LS-V8 aus der Corvette an. 150 Stück pro Jahr sollten im englischen Rochdale entstehen, es wurden dann: acht. Sieben Fahrzeuge wurden tatsächlich verkauft, zu noch ganz vernünftigen Preisen von 45’000 bis 50’000 Pfund. Dann gab es noch den Prototypen, das ist das Fahrzeug, das wir hier sehen, lackiert in «Soul Red Crystal», einer Farbe von Mazda.
Das Fahrzeug wurde in den vergangenen vier Jahren von einem Enthusiasten komplett überarbeitet und fahrfertig gemacht; für Vortrieb sorgen 450 PS aus einer Corvette. Das dürfte ziemlich vorwärtsgehen, denn der Wildcat wiegt nur gerade 998 Kilo. Und eigentlich ist es schade, dass nicht mehr entstanden sind, vernünftiger Preis, anständige Motorisierung ohne Übergewicht, das hätte durchaus funktionieren können. Doch vielleicht hatte Al Melling einfach keine Lust mehr, er lebt jetzt in Portugal. Der Prototyp wurde übrigens kürzlich für bloss 13'500 Pfund versteigert.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer auch andere schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Hier entsteht eine hoffentlich interessante Sammlung von nicht so sehr bekannten Marken und Modellen - eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.
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