- Rennfahrer, Berater, Konstrukteur
- Berühmt für die «blauen Blitze»
- Herr «Geheimnisvoll»
Die Unbekannten: Nardi
Peter Ruch | 08.03.2024
Heute kennt man Nardi für die Lenkräder. Früher war das anders.
Nardi, diesen Begriff hat der Kenner und Liebhaber von klassischen Automobilen meist sehr direkt vor seinen Augen – auf seinem Lenkrad. Diese filigranen, so wunderbaren Teile, an denen die Piloten schon einst in Ferrari, Mercedes oder Porsche arbeiteten und heute noch in Handarbeit von der Firma Personal in Italien gefertigt werden, gehen zurück auf Enrico Nardi, auch bekannt als «Signore Segreto». Der so hiess, weil er nicht gern über sich und seine Arbeit sprach. Und vielleicht auch deshalb heute vor allem für seine aus Mahagony gefertigten Lenkräder bekannt ist. Das erstmals, übrigens, 1952 in einem Pegaso eingebaut wurde.
Enrico Nardi am Steuer seines Nardi Danese.
Dabei: Enrico Nardi, geboren 1907 in Bologna, gehört zu den grossen und spannenden Figuren der italienischen Auto-Industrie. Er arbeitete von 1929 bis 1937 bei Lancia, zuerst als Lastwagen-Ingenieur, dann als (nicht sonderlich erfolgreicher) Rennfahrer, schliesslich als Berater von Vincenzo Lancia. Bei Lancia traf er auch Enzo Ferrari – und war dann massgeblich beteiligt an der Entwicklung des Auto Avio Costruzioni 815, des allerersten «Ferrari», für den er das Chassis eines Fiat 508 modifizierte.
Nach dem zweiten Weltkrieg versuchte es Nardi selber, zuerst zusammen mit Renato Danese (Nardi-Danese), ab 1951 dann ganz solo (Nardi & C. S.a.S.). Und da entstanden dann auch einige ganz erstaunliche Fahrzeuge, die heute leider fast vergessen sind. Seine beiden «wildesten» Kreationen entstanden in Zusammenarbeit mit Vignale (und vor allem: Giovanni Michelotti), der Raggio Azzuro I (1955) und der Raggio Azzuro II (1958). Nummer 1 basierte auf einer Lancia Aurelia B20, Nummer 2 (oben) dann auf einer Aurelia B24 – was damals Garant war für vorzügliche Fahrleistungen und ein noch besseres Fahrverhalten. Die beiden blauen Blitze sind optisch stark von den amerikanischen «Dream Cars» der 50er Jahre inspiriert – und doch absolut eigenständig. Das Dach und die Heckscheiben bestanden aus Perspex, ein Material, das sich nie durchsetzen konnte.
Auch bekannt ist der Bisiluro (oben), mit dem Nardi 1955 in Le Mans antrat. Es war ein völlig neues Konzept, das Nardi mit Hilfe des berühmten Architekten Carlo Mollino entwarf. Der Wagen war extrem leicht – und glich einem Trimaran, bei dem der dritte Schwimmer vergessen gegangen war. Angetrieben wurde das Gerät von einem 0,75-Liter-Giannini-Motor, und es war schlicht und einfach zu langsam für Le Mans. Denn als der Bisiluro im Rennen schon nach wenigen Runden zum ersten Mal überrundet wurde, geriet er mit Mario Damonte am Steuer in den Sog der deutlich schnelleren Fahrzeuge und überschlug sich. Weil der Nardi aber so langsam unterwegs war, konnte Damonte unverletzt aussteigen.
Noch eine nette Nardi-Konstruktion: der Silver Ray auf Basis eines Plymouth, selbstverständlich eingekleidet bei Vignale.
Ende der 50er Jahre hatte Enrico Nardi genug vom Automobilbau, spezialisierte sich auf Ersatz- und Tuningteile sowie die Lenkräder. 1966 verstarb Nardi an einer Blutvergiftung. In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Hier entsteht eine hoffentlich interessante Sammlung von nicht so sehr bekannten Marken und Modellen - eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.
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