- Nur zwei Exemplare gebaut
- Sehr kurze Karriere
- Weitere Entwicklung zum Formel-1-Motor
Ferrari 275 S - der Versuch
Peter Ruch | 17.12.2023
Obwohl nur zwei Exemplare gebaut wurden, nimmt der Ferrari 275 S von 1950 einen wichtigen Platz in der Geschichte der Italiener ein.
So legendär der Zwölfzylinder von Gioacchino Colombo auch war, für den Rennsport war er nur bedingt tauglich. Und Colombo fühlte sich auch zu wenig geschätzt in Maranello, 1950 ging er zurück zu Alfa Romeo. Zum technischen Direktor wurde Aurelio Lampredi ernannt, geboren 1917 in Livorno und ausgebildet in Fribourg - und er musste 1950 gleich liefern. Weil der 1,5-Liter-V12 von Colombo auch aufgeladen nicht die Leistung brachte, die Enzo Ferrari erwartete, verlangte einen freisaugenden Zwölfzylinder mit mehr Hubraum. Und Lampredi lieferte in kürzester Zeit, schon im April 1950 gingen bei der Mille Miglia zwei ganz neue Ferrari 275 S an den Start, aufgebaut auf dem verbesserten Chassis des 166 MM, beides Barchetta mit einer Karosserie von Touring.
Doch weder Ascari/Nicolini auf #0030MT noch Villoresi/Cassani auf 0032MT kamen weit. Ascari übernahm zu Beginn zwar noch die Führung, doch beide Ferrari 275 S fielen nach Getriebeproblemen aus. Die neuen 3,3-Liter-V12 von Lampredi waren schlicht zu stark, Kupplung und Getriebe waren nicht gemacht für 270 PS der neuen Maschine. Doch es war klar, dass der Lampredi-Motor Potenzial hatte, er wurde im Juni 1950 in den 275 F1 eingebaut, aus dem schon Ende Juli der 340 F1 wurde (4,1 Liter Hubraum) und schliesslich Anfang September, wir schreiben immer noch 1950, der 375 F1, mit dem Ferrari dann 1951 sein erstes Formel-1-Rennen gewinnen konnte.
Auch die beiden Ferrari 275 S erhielten die entsprechenden Anpassungen. #0032MT fuhr mit Ascari/Nicolini 1951 noch einmal die Mille Miglia, verunfallte aber zwischen Lonato und Desenzano, wurde im Juli 1951 mit einem 4,1-Liter-V12 ausgestattet, nach Le Mans geschickt, wo es Chinetti/Lucas immerhin auf den 8. Gesamtrang brachten. 1952 kam dieser Ferrari dann in die USA, wo er von John Edgar zumeist mit Jack McAfee am Steuer erfolgreich bei SCCA-Rennen eingesetzt wurde. Das Fahrzeug soll noch existieren mit seiner ursprünglichen Touring-Karosserie.
Beim Fahrzeug, das wir zeigen, ist die Geschichte einiges wilder. Auch aus #0030MT wurde 1959 ein Ferrari 340, mit dem Marzotto/Marchetto 1951 bei der Mille Miglia starteten, aber nicht ins Ziel kamen. Wohl 1952 erhielt der Ferrari einen neuen Aufbau von Fontana, schaffte es mit Comotti/Ronchi aber wieder nicht ins Ziel bei der Mille Miglia - und wurde dann wohl 1954 bei Scaglietti mit den Kleidern versehen, die er heute noch trägt. 2015 versteigerte RM Sotheby’s #0030MT in Monterey für knapp Millionen Dollar - heute befindet sich der Ferrari 275S/340 wahrscheinlich in deutschem Besitz.
Auch wenn die beiden Ferrari 275 S nie die ganz grossen Erfolge einfahren konnten, so sind doch sehr wichtige Fahrzeuge in der Geschichte von Ferrari. Sie erhielten den ersten Lampredi-Motor - der sich in der Folge zu einem Erfolgsgaranten für die Italiener entwickeln sollte, sowohl auf der Rennstrecke wie auch bei den Strassen-Fahrzeugen. Dazu gibt es dann noch viele Geschichten zu erzählen.
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