Lotus Elite 75 – keiner war keiler!

Martin Sigrist | 25.04.2024

Jubilar Lotus wollte weiter nach oben und weg vom Kit-Car-Image. Das erste Modell einer neuen Ära in Hethel war der Lotus Elite, der Type 75 mit ausgeprägter Keilform.

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Sexappeal konnte man dem Elite 75 nicht ­absprechen. Lotus-Puristen hatten aber Mühe.

Das Leben sei zu kurz, um sich mit solchen Autos zu beschäftigen, meinte einst der älteste Lotus-Händler der Schweiz in einem Gespräch mit dem Autor. Was ihn zu dieser Aussage bewegte? Nehmen wir es vorweg, der Lotus Elite 75 war nicht der einfachste Charakter im Umgang. Die Budgets der Lotus-Mannschaft in Hethel (GB), die in kurzer Zeit ein komplett neues Auto entwickelt hatte, waren limitiert.

Der Lotus Elite war eine spannende Konstruktion und sein Design ziemlich einzigartig. Zum Shooting Brake mit Heckklappe und vier Plätzen gab es nur wenige Alternativen, der Reliant Scimitar GTE ab 1968 kam dem Elite 75 wohl am nächsten. Oliver Winterbottom hatte dem neusten Lotus eine radikale Keilform verpasst, die massive C-Säule sollte eines der Merkmale mancher in dieser Dekade populär werdenden Hatchback-Autos werden. Die Karosserie des Elite bestand aus glasfaserverstärktem Kunststoff, bei dem die Fasermatten mittels eines Vakuumverfahrens mit Kunstharz durchtränkt wurden. Sie ruhte auf einem typischen Lotus-X-Rahmen mit vorderer und hinterer Gabelung für den Frontmotor samt Getriebe und das Differenzial. Dazu gab es Einzelradaufhängungen für alle Räder. Der Motor war ein Zweiliter-DOHC-Vierventiler, dessen Grund­dimensionen von einem ebenso grossen Zweiliter­motor von Vauxhall abgekupfert worden waren. Der Lotus-907 war aber aus Aluminium, seine Leistung für den Elite 75 wurde mit 155 BHP angegeben. Dank einer hervorragenden Aerodynamik – der Elite nutzte mit seiner langen Dachlinie das Prinzip des Kamm-Hecks mit Abrisskante – erreichte der vollwertige Viersitzer Geschwindigkeiten jenseits von 200 km/h.

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Der Elite 75 läutete im Mai 1974 eine neue Ära bei Lotus ein. Der Motor, das Chassis und selbst das Herstellungsver­fahren der Kunststoffkarosserie waren neu. Lotus hoffte auf einen Imageschub in Richtung Luxusklasse.

Mehr Komfort

Mit einem Verkaufspreis von rund 7400 Pfund war der Elite 75 bei seiner Vorstellung das mit Abstand teuerste Auto mit Vierzylindermotor. Abgelöst wurde er vom Lotus Esprit kurze Zeit später. Drei wichtige Dinge standen beim Elite erstmals für ­einen Lotus auf der Optionenliste: eine Klimaanlage, eine Servolenkung und ab 1976 sogar ein Automatikgetriebe. Der Elite sollte damit allen Wünschen gerecht werden. Sein Grundgewicht, stets ein wichtiges Verkaufsargument für Lotus, betrug rund 1.2 Tonnen. Auch das war ein neuer Rekord für ein Auto aus der Feder von Colin Chapman. Der Elite 75 soll übrigens das letzte Produkt der Sportwagenschmiede gewesen sein, bei dem der Gründer persönlich an Chassis und Fahrwerk mitgezeichnet haben soll.

Das tönte in der Theorie alles wunderbar, der Innenraum des Elite gab sich aufwendig ausgeführt und reich dekoriert wie nie in einem Lotus zuvor. In der Praxis machte der neue Elite jedoch mit zahlreichen Kinderkrankheiten wie Wassereinbrüchen, abfallenden Verkleidungen, kaputten Schlössern und nicht zuletzt auch kapitalen Motorschäden von sich reden. Einem Tester der AR war nach einer schnellen Fahrt auf der deutschen Autobahn der Pleuel abgerissen, mit entsprechenden Konsequenzen für den Motorblock. Gemäss seiner Einschätzung war die Ölpumpe zu schwach dimensioniert. Mit fortschreitender Zeit entpuppte sich auch das Chassis als wenig widerstandsfähig, und Rostschäden brachten weiteren Ärger. Auch das schon im Elan Plus 2 SE verwendete Fünfganggetriebe aus dem Austin Maxi war nicht ohne Probleme. Lotus nahm diese, so gut man konnte, ernst. Ab 1980 gab es ein galvanisiertes Chassis und ein Getrag-Getriebe, und der Motor war nun standfest. Zum Fliegen kam der Elite 75 aber nie, und die 1970er-Jahre waren für Lotus ­eine Katastrophe. Als Lotus Excel, der auf der Coupéversion des Elite, dem Eclat, basierte, lebte das Prinzip dennoch bis 1992 weiter. Vom Elite 75 und seiner 1980 modellgepflegten Version Type 83 sind bis 1982 nur 2535 Exemplare entstanden. 

Fotos: AR-Archiv

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