Montagmorgen: Alfa Romeo 1900

Peter Ruch | 22.01.2024

Die AUTOMOBIL REVUE bezeichnete de 1950 vorgestellten Alfa Romeo einst etwas despektierlich als «mittelstarken Gebrauchswagen».

Alfa Romeo 1900 10

  • Gebaut zwischen 1950 und 1959
  • Etwas über 21'000 Exemplare gebaut
  • Es begann mit einer Berlina

Gleich mehrere Premieren wies der auf dem Pariser Automobilsalon 1950 vorgestellte Alfa Romeo 1900 auf. Zum ersten Mal bildete die strukturelle Basis eines Alfa Romeo nicht ein Leiterrahmen-Chassis, sondern eine selbsttragende Karosserie. Noch nie zuvor hatte ein Alfa Romeo serienmässig das Steuer auf der linken Seite angebracht gehabt, im nun weitgehend vereinheitlichten europäischen Strassenverkehr war das aber eine eigentlich logische Lösung. Als Antriebsquelle diente ein vergleichsweise kleiner 1,9-Liter-Motor mit nur vier Zylindern; eine Konfiguration, die bei der dank ihrer Sechs- und Achtzylinder berühmt gewordenen Marke zum letzten Mal zuletzt ein Vierteljahrhundert vorher verwendet worden war.

Dieser Vierzylinder (Bohrung x Hub: 82,55 x 88 mm, also 1884 cm3) war allerdings ein feines Stück. Zwei obenliegende, von einer Kette angetriebene Nockenwellen betätigten zwei Ventile pro Zylinder, die Brennräume hatten Halbkugelform. Der Zylinderkopf war aus Aluminium, der Block aus Eisen gegossen. Mit einem Solex-Fallstromvergaser kam die Maschine 90 bhp (wohl etwa 80 echte PS) bei 4800/min; gegen Aufpreis gab es aber einen Weber-Doppelvergaser, dann waren es 93 bhp (82 PS) bei 5400/min, die dann für sportliche Fahrleistungen sorgten, eine Höchstgeschwindigkeit von über 170 km/h lag durchaus drin, 0 auf 100 gingen unter in 17 Sekunden. Auch das Fahrwerk zeugte von der Erfahrung von Alfa Romeo im Sportwagenbau. Die Vorderachse wurde an doppelten Dreiecksquerlenkern geführt; Schraubenfedern und Teleskopstossdämpfer waren für Limousinen zu jener Zeit noch keineswegs selbstverständlich. Gleiches galt für den Stabilisator, der die Seitenneigung der Karosserie in Kurven reduzierte.

Die in Zusammenarbeit mit Touring entwickelte Basis-Karosserie war dem Zeitgeist entsprechend funktionell gehalten. Vier Türen waren Standard, bis zu sechs Erwachsene durften auf den beiden durchgehenden Sitzbänken Platz nehmen. Auch die italienischen Strafverfolgungsbehörden wussten die Vorzüge der sportlichen Limousine zu schätzen: In Tiefschwarz lackierte Polizei-Ausführungen des Alfa 1900 wurden von der Unterwelt als «Panther» gefürchtet. Die Schweizer «Automobil Revue» bezeichnete den Wagen trotzdem etwas despektierlich als «mittelstarken Gebrauchswagen».

Wohl noch tiefgreifender als die technische Revolution waren für Alfa Romeo aber die Fortschritte auf der Produktionsseite. Das Werk in Portello erlebte zum ersten Mal so etwas wie eine Fliessbandfertigung. Dauerte der Zusammenbau eines 6C 2500 noch rund 250 Stunden, schraubten die Arbeiter einen Alfa Romeo 1900 in maximal 100 Stunden zusammen. Statt bisher deutlich weniger als dreihundert Autos pro Jahr verliessen nun mehr als 2000 Neuwagen jährlich die Hallen – Alfa Romeo war auf dem Weg zum Grossserienhersteller. Wir zeigen hier ein Modell aus der ersten Serie (1950 bis 1954, 7407 Exemplare), Baujahr 1952 - da kam aber dann noch bedeutend mehr.

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Die Berlina war ganz bewusst sehr formal gehalten - und verkaufte sich bestens.

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