Montagmorgen: Alfa Romeo 6C 1500 / 1750

Peter Ruch | 11.12.2023

Mit den kleinen Sechszylindern festigte Alfa Romeo Ende der 20er Jahre seinen Ruf als herausragender italienischer Hersteller.

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  • Gebaut ab 1927 (1500) und 1929 (1750)
  • Etwas mehr als 3500 Exemplare produziert
  • Legendäre Mille-Miglia-Siege

In den höchsten Ligen des Motorsports war Alfa Romeo Ende der 20er Jahre bestens vertreten, hatte 1925 mit dem P2 auch den ersten Weltmeister-Titel geholt. Aber in der Mittelklasse, die sich auch Privatfahrer leisten konnten, da fehlte noch ein Modell. Ein Fahrzeug, das sich zwar sportlich bewegen liess, mit dem sich vielleicht sogar Rennen gewinnen liessen, aber über eine einfachere und damit auch günstigere Technik verfügte. Vittorio Jano hatte die Antwort: der Alfa Romeo 6C 1500.

Das Chassis, relativ simpel im Aufbau, wurde schon 1925 vorgestellt, doch die ersten Reihensechszylinder in der Alfa-Geschichte konnten erst 1927 eingebaut werden. Der 1,5-Liter entwickelte in einer ersten Version 44 PS bei 4200/min; nicht die ganz grosse Revolution, aber im Vergleich mit der eh kaum vorhandenen Konkurrenz sehr anständig. Denn Jano hatte ja noch ein paar Tricks auf Lager: Schon 1928 kamen der Sport mit 54 PS, der Super Sport mit 60 PS, der Super Sport Compressore mit Roots-Gebläse und bereits 76 PS bei 4800/min. Und dann war da auch noch der Super Sport Compressore Testa Fissa, also: Roots und direkt auf dem Block fixierter Zylinderkopf. So aufgebretzelt brachte es der 6C 1500 auf beachtliche 84 PS bei 5000/min – und eine Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h.

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Genau so stellt man sich doch gerne einen Rennwagen aus den 30er Jahren vor - ©Courtesy of RM Sotehby's

1927 fand die erste Mille Miglia statt, es gewannen Minoia/Morandi auf einem OM Tipo 655 Sport. Alfa Romeo bemerkte aber sofort, dass dieses Strassenrennen von Brescia nach Rom und wieder zurück die perfekte Plattform sein könnte, um nicht nur grossartige Erfolge feiern zu können, sondern diese auch publikumswirksam abzufeiern. Man wusste ja schon damals: win on sundays, sell on mondays. 1928 trat Alfa Romeo mit gleich acht Fahrzeugen zur Mille Miglia an, darunter vier Werks-Fahrzeuge mit Zagato-Karosserie. Zur Halbzeit in Rom führte überraschend ein Lancia Lambda, doch kurz danach übernahm Alfa-Fahrer Campari die Führung vor den drei Werks-Bugatti – und gab sie bis Brescia nicht mehr ab. Der erste Sieg von Alfa Romeo bei der Mille Miglia war Tatsache – und das mit einem Schnitt von 84,13 km/h. Der 6C 1500 entwickelte sich auch dank diesem prestigeträchtigen Sieg zu einem ersten Verkaufserfolg für Alfa Romeo, zwischen 1927 und 1929 konnten stolze 1064 Exemplare verkauft werden.

Noch besser lief dann der logische Nachfolger, der 1929 vorgestellte 6C 1750; von ihm wurden bis 1933 stolze 2579 Exemplare abgesetzt. Es gab auch vom 1750er die unterschiedlichsten Versionen, bei den Aufbauten sowieso (am berühmtesten: der «Flying Star» von Touring), auch aber auch beim Motor selber. Die Basis schaffte 46 PS bei 4000/min, der Testa Fissa mit zwei obenliegenden, von einer Königswelle und Zahnrädern angetriebenen Nockenwellen im 1930 eingeführten Gran Sport kam dann erstmals auf über 100 PS, 102 PS bei 5000/min, um genau zu bleiben.

«Testa Fissa»: Es gab diese Motoren mit dem aus einem Stück gegossenen Zylinderblock und -kopf sowie mit zwei obenliegenden, von einer Königswelle und Zahnrädern angetriebenen Nockenwellen schon in den 6C 1500. Doch erst als Vittorio Jano den 6C 1750 quasi neu konstruierte, wurden die Vorteile dieser aufwendigen Konstruktion wirklich genutzt. Das bedeutete: höhere Verdichtung, keine Probleme mit Spezial-Kraftstoffen, bessere Haltbarkeit, kein Problem mit dem Roots-Gebläse. Über 100 PS sollen diese Maschinen geschafft haben, wo immer sie antraten, machten sie die Konkurrenz platt. Das Problem: die Fertigung tolerierte keine Fehler. Stimmte nicht alles ganz genau, dann ging gar nichts – der Ausschuss soll sehr hoch gewesen sein. Kein Wunder also, dass wahrscheinlich nur 12 «Testa Fissa» in die 6C 1750 eingebaut wurden.

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Es war dann doch eher eng in diesen frühen Alfa Romeo - ©Courtesy of RM Sotehby's

Campari gewannen auf einen 6C 1750 SS (mit sehr schönem Zagato-Aufbau) auch die Mille Miglia von 1929. Und ein Jahr später sollte die Mille Miglia zu einem der grossartigsten Rennen aller Zeiten werden. Es trat an: ein junger deutscher Fahrer namens Rudolf Caracciola auf einem gewaltigen Mercedes SSK. Es trat zum ersten Mal überhaupt an: die Scuderia Ferrari. Auf Alfa Romeo. Und selbstverständlich trat auch Alfa Romeo selber an, mit gleich sechs Werksfahrzeugen. Zwar wollte Campari wieder gewinnen, doch es war von Anfang an klar, dass das Rennen zwischen den beiden Alfa-Piloten Achille Varzi und Tazio Nuvolari entschieden werden würde; sie waren die grossartigsten Fahrer jener Jahre. Und es verband die ehemals guten Freunde zu diesem Zeitpunkt eine fast schon intime Feindschaft.

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Geschaltet wurde über vier Gänge, die Schaltwege waren sehr klar definiert - ©Courtesy of RM Sotheby's

Varzi war mehr der Gentleman, trug massgeschneiderte Overalls; Nuvolari war ein Höllenhund, am wohlsten in seiner Lederjacke. Es ranken sich viele Legenden um jene Mille Miglia von 1930, die bekannteste ist jene, wie Nuvolari auf seinem Alfa 6C 1750 GS Varzi auf seinem Alfa 6C 1750 GS überholt haben soll. Von hinten durch die dunkle Nacht und ohne Licht soll sich Nuvolari angeschlichen haben, dann habe er wenige Meter hinter Varzi den vollen Lichtschmuck aufgedreht und den erschrockenen Varzi abgewatscht haben. Wilde Mythen ranken sich auch noch um die roten Lampen, die Nuvolari Varzi sowieso als besagten Höllenhund haben erscheinen lassen.

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Es waren noch gute Zeiten, als sich die Armaturen so gut ablesen liessen - ©Courtesy of RM Sotheby's

Alles Unsinn: «Il Mantovano volante» packte Varzi in der Nähe von Peschiera. Da war es es am 13. April 1930 längst schon hell, es brauchte gar niemand mehr Scheinwerfer. Ausserdem wusste Varzi, dass der deutlich hinter ihm gestartete Nuvolari schneller unterwegs war, er machte ganz einfach Platz. Die roten Lampen waren keine Lampen, sondern einfach rote Abdeckungen der Lampen, die in der Nacht, wenn man die Lampen brauchte, abgenommen wurden. So einfach ist das. Ach ja, Nuvolari gewann in einer Zeit von 16’18.59 – zum ersten Mal schaffte ein Fahrer bei der Mille Miglia einen Schnitt von mehr als 100 km/h. Das Fahrzeug, das wir hier zeigen, ist so ein Alfa Romeo 6C 1750 GS mit Zagato-Karosserie von 1930.

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Sie bieten auch heute noch exzellenten Fahrspass, diese Alfa Romeo 6C 1750. Und wunderbaren Sound - ©Courtesy of RM Sotheby's

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