Sonderausstellung 75 Jahre Automontage Schinznach im Verkehrshaus der Schweiz

Automobil Revue | 18.09.2024

Im Herbst 1949 lief in Schinznach-Bad das erste Auto von der Montagelinie. Bis Herbst 1972 wurden im Aargau knapp 30'000 Fahrzeuge der Marken Chrysler, Standard, Plymouth, DeSoto, Dodge, Studebaker und VW montiert. Eine Sonderausstellung im Verkehrshaus in Luzern widmet sich dieser Epoche Schweizer Automobilgeschichte.

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Was bringt ein Automobilhandelsunternehmen dazu, Fahrzeuge in der Schweiz zu montieren? Den Anstoss gab der Schweizer Fiskus. Auf Komplettfahrzeuge aus den USA erhoben die Schweizer Zollbehörden in den 40er Jahren beinahe protektionistische Zollgebühren. Teilelieferungen hingegen waren sehr günstig, denn sie schafften Arbeitsplätze.

Am 3. Januar 1945 gründete Walter Haefner die Neue AMAG Automobil und Motoren AG mit Stammsitz am Utoquai in Zürich. Zu Beginn reichte das knappe Platzangebot am Zürichsee. Doch schon kurz danach wurde es zu eng. 1947 bot sich in Schinznach-Bad der Kauf eines Areals einer früheren Zementfabrik mit Fabrikationshallen an. Innert zwei Jahren wurden die Hallen zur Montageanlage ausgebaut und um ein neues Verwaltungsgebäude direkt an der Hauptstrasse erweitert.

Bereits in der zweiten Jahreshälfte 1949 liefen die ersten 66 Plymouth Special Deluxe vom Band. Die Montagetätigkeit erfolgte in einer rechtlich eigenständigen Firma, der ASAG Automontage Schinznach AG, die wie die Amag zur Walter Haefner Holding AG gehörte.

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Montage Suisse wird schnell zum Qualitätslabel

Was aus Kostengründen in Schinznach begann, entwickelte sich schon sehr schnell zu einem Qualitätslabel. Die Fertigungsqualität der Rohkarossen, die Rostschutzbehandlung oder die zum Teil aus Schweizer Produktion verwendeten Materialien waren deutlich besser als die Originale.

Willy Huter, langjähriger und einziger Direktor der Automontage, brachte es schon in den fünfziger Jahren auf den Punkt: «Die kleine Schrift Montage Suisse, die wir auf allen von uns montierten Fahrzeugen anbringen, muss immer für höchste Qualität bürgen.»

Die ersten zehn Montage-Jahre können als die Plymouth-Jahre bezeichnet werden. Bis 1959 wurden über 7100 Fahrzeuge gebaut. Im Vergleich dazu nehmen sich die wenigen Chrysler und je rund 250 DeSoto und Dodges bescheiden aus. Da Anfang der Fünfziger einerseits die Liefertreue und andererseits die Fertigungsqualität aus Detroit sehr schlecht war, wurden bis 1953 auch Standard-Vanguard -Modelle montiert.

Als Ende der Fünfziger die Amerikaner immer grösser und damit für Schweizer Strassen zu gross wurden, war man in Schinznach-Bad dankbar, dass rund 1000 Einheiten des damals neuen, schnittigen Karmann-Ghia-Coupés in der Schweiz – zur Entlastung der Produktion in Osnabrück – montiert werden konnten.

Als Intermezzo kann die kurzfristige Produktion von Studebaker-Fahrzeugen ab 1959 bezeichnet werden. Der Konkurs der US-Gesellschaft verhinderte einen grösseren Erfolg.

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Von Plymouth zu Plymouth: Ende 1972 läuft die Produktion nach 29'227 Einheiten aus

Für die Schweizer Kundschaft waren die grossen amerikanischen Strassenkreuzer zu gross, europäische Alternativen waren kompakter und praktischer, der VW Käfer hatte schon lange zum Siegeszug auf Schweizer Strassen angesetzt. Alternativen waren gefragt.

Die Lösung hiess 1960 Chrysler Valiant, eine für damalige US-Verhältnisse kompakte Mittelklasselimousine, angetrieben von Reihen-Sechszylindermotoren. Die Amag positionierte den Valiant sogar als eigenständige Marke. Damit sollte klar gezeigt werden, dass der Valiant kein grosses Amischiff war. Bis zur Einstellung der Montagetätigkeit in Schinznach-Bad wurden rund 14‘000 Valiants gebaut. Ergänzt wurde das Produkteportfolio mit den Schwestermodellen Dodge Lancer (bis 1963) und Dart (ab 1963).

Gegen Ende der Sechziger Jahre verfiel die amerikanische Autoindustrie wieder dem Gigantismus, diesmal in Sachen Hubraum und Leistung. Aber die Fahrwerke und (Trommel)Bremsen dieser Fahrzeuge wurden den Motorenleistungen und den Kundenerwartungen nicht gerecht. Insbesondere die Schweizer Topografie war nicht gemacht für die amerikanischen Muscle-Cars. So nahm das Interesse an den Valiants und Dodge Darts laufend ab. Gleichzeitig hatte die Amag mit Audi 90 oder Audi 100 ein neues, verbrauchsärmeres Angebot in der Mittel- und gehobenen Mittelklasse.

Hatte die Montage in Schinznach mit einem Plymouth begonnen, so lief sie 1972 mit einem Plymouth Valiant nach 29'227 Einheiten aus. Der Importvertrag für Fahrzeuge des Chrysler-Konzerns lief noch bis 1980. Am Standort Schinznach wurden die Montageanlagen abgebrochen.

In den Montagehallen befinden sich heute – nach mehreren Umbauten – eine grosse Werkstatt mit Spenglerei, Lackiererei und Ersatzteillager sowie Büroräumlichkeiten. Schinznach-Bad ist noch immer ein grosser Garagenbetrieb in der Region und für viele Schweizerinnen und Schweizer die «Heimat der AMAG».

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Sonderausstellung «Automontage Schinznach» im Verkehrshaus

Ab sofort bis 30. April 2025 würdigt eine Sonderausstellung im Verkehrshaus der Schweiz die Automontage Schinznach. Ausgewählte Modelle aus verschiedenen Jahren der Schweizer Produktion können bestaunt werden. Eine Interaktive Tonbildschau im Autotheater gibt ergänzend einen spannenden Einblick in diese Zeit.

Das Verkehrshaus ist 365 Tage im Jahr offen. In der Zeit vom 27. Oktober 2024 bis 29. März 2025 von 10 bis 17 Uhr, davor und danach von 10 bis 18 Uhr.

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Fotos: Amag

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