- 1959 wurden 1320 Eldorado Biarritz gebaut
- 6,4-Liter-V8, 345 PS
- Der Höhepunkt der «Tail Fins»
US-Cars: Cadillac Eldorado Biarritz, 1959
Peter Ruch | 23.12.2023
Der Jahrgang 1959 war bei Cadillac der absolute Höhepunkt. Das galt nicht nur für die Heckflossen.
Ganz egal, wie man zu den 59er-Heckflossen-Monstern steht: Was Cadillac in diesem Jahr bot, übertraf bei weitem alles, was man bisher im Automobildesign kannte. Wild wuchernde Formen waren angesagt - wie übrigens bei allen GM-Produkten, mit denen die Cadillac 1959 bedeutend mehr gemein hatten als früher. Diese schiere Größe war für viele, vor allem europäische Kritiker, ganz einfach ein Ausdruck von schlechtem Geschmack, doch die Amerikaner schienen die wenig harmonischen Linien zu mögen, sie waren vielleicht auch der beste Ausdruck dafür, dass sich die USA endgültig von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges erholt hatten und jetzt der ganzen Welt zeigen wollten und konnten, wer die Nummer Eins ist.
Denn es waren nicht nur die Cadillac, die 1959 gewaltig in die Länge und Breite und Höhe gingen, Buick offerierte schon fast arrogante Heckflossen, auch Chrysler versuchte sich mit ebenfalls grotesken Formen besser am Markt zu positionieren. Doch übertroffen wurde alles von den «Tail-Fins» der Cadillac: Gegenüber 1958 wurden sie um stolze 9,5 Zentimeter höher und hatten ihren Höhepunkt auf 97 Zentimetern, nur noch 40 Zentimeter unterhalb des Dachs. So gewaltig diese Masse - sie übertrafen die Chrysler-Flossen, die zweithöchsten auf dem Markt, um mehr als sechs Zentimeter - auch waren, man sollte nicht vergessen, daß die 59er Flossen nur eine Entwicklung krönten, die bei Cadillac schon elf Jahre zuvor eingesetzt hatte. Bereits 1960 wurde man auch bei Cadillac wieder vernünftiger, und vier Jahre später waren die Heckflossen dann ganz und gar verschwunden. Wenn man an den hinteren Auswüchsen etwas als schön bezeichnen kann, dann vielleicht die beiden projektilförmigen Lämpchen, die den Cadillac vor allem in der Hitze der Nacht das gewisse Etwas gaben.
Doch jenseits aller Geschmacksfragen ist eines unstrittig: Die Heckflossen-Cadillac gehören zu Amerika wie Hamburger, Baseball und Coca-Cola. Am 59er Modell fielen allerdings nicht nur die Heckflossen auf, auch vorne standen die neuen Modelle in bestem Licht - insgesamt acht Lampen sorgten auch bei Nacht für gute Sicht. Wieder einmal war für die neuen Modelle der Kühlergrill geändert worden, diesmal aber nur in Massen, ausserdem wurden die vorderen Stossstangenhörner in dem Masse kleiner, wie die Heckflossen anwuchsen. Nicht mehr viel mit einer Stossstange hatte hingegen das massive hintere Chromwerk zu tun, das wohl auch gegen Unfälle schützte, aber vor allem deshalb so gigantisch ausfiel, damit die Autofahrer, die von einem 59er Cadillac überholt wurden, auch etwas zu staunen hatten. Zum ersten Mal seit vielen Jahren dienten die hinteren Stossfänger nicht mehr als Tarnung für den Auspuff, dieser wanderte schön versteckt weiter nach vorne.
Ebenfalls erstmals seit vielen Jahren bot Cadillac 1959 nur noch zwei verschiedene Radstände an, bei der Series 75 380 Zentimeter, bei allen anderen Modellen 330 Zentimeter. Die Aussenlänge bei der Series 62, Series 63, dem Sixty-Special und den Eldorado betrug 572 Zentimeter, bei der Series 75 schon fast monströse 622 Zentimeter. Dies bedeutete zwar mehr Beinfreiheit, doch diese wurde auch gebraucht, denn die Kopffreiheit wurde durch die neuen Dachkonstruktionen um rund 2,5 Zentimeter eingeschränkt. Gleichzeitig nahm aber auch die Breite zu, 206 Zentimeter )mit Aussenspiegeln) standen 1959 zu Buche, ein Mass, das in Europa kaum in eine normale Garage paßt. Nun, für die Amerikaner galt halt immer noch «bigger is better» - und eine Garage brauchte niemand, einen Cadillac parkte man sowieso auf der Strasse.
Doch nicht nur gesehen werden, auch sehen konnte man in den neuen Modellen: Die sogenannte «Vista-Panoramic»-Windschutzscheibe machte das möglich, eine logische Weiterentwicklung der Panorama-Scheibe des Eldorado Brougham von 1957. Über dieser Scheibe türmten sich bei den Hardtop-Modellen zwei komplett verschiedene Dachversionen: Die Sechsscheiben-Modelle besassen ein festes hinterstes Fenster sowie eine sanft gerundete Heckscheibe, während die Vierscheibenmodelle über nur vier Seitenscheiben - eigentlich verständlich bei dieser Bezeichnung -, ein flacheres Dach und eine deutlich stärker gerundete Heckscheibe verfügten.
Wenig auszusetzen gab es am neuen Armaturenbrett, «Motor Life» nannte es gar das übersichtlichste aller GM-Produkte. Wenig zu mäkeln gab es für amerikanische Verhältnisse auch am weiter verbesserten Fahrverhalten. Nach wie vor gab es die Eldorado-Brougham-Luftfederung, die jetzt allerdings bedeutend einfacher und reparaturfreundlicher aufgebaut war. Ausserdem wurde die Servolenkung verbessert, sie vermittelte nun einen besseren Fahrbahnkontakt, und der Wendekreis konnte um einen ganzen Meter reduziert werden. «Car Life» bezeichnete diese Lenkung als die mit Abstand beste aller amerikanischen Automobile; für europäische Verhältnisse war sie eher schwammig. Entsprechend der hinteren Flügel wuchs 1959 auch der Hubraum. Er betrug bei einer gleichbleibenden Bohrung von 101,6 Millimetern und dem vergrösserten Hub von 98,4 Millimeter 6391 cm³. Dazu gab es eine neue Kurbelwelle, eine höhere Verdichtung (10,5:1), einen neuen Einlasskrümmer mit grösseren Ein- und Auslassventilen. Die Leistung betrug 1959 weiterhin mit Vorsicht zu geniessende 325 PS bei 4800/min, das maximale Drehmoment stieg auf 400 Nm bei 3100/min. Der Eldorado schaffte als Seville (Coupé) und Biarritz (Convertible) in diesem Jahr 345 PS - und kostete stolze 7401 Dollar.
Der hier präsentierte Cadillac Eldorado Biarritz wird am 29.12.2023 in Gstaad von der Oldtimer Galerie Toffen versteigert, der Schätzpreis liegt bei 175'000 bis 200'000 Franken. Angeboten wird das Fahrzeug mit folgendem Text: «Das angebotene Fahrzeug befindet sich seit vielen Jahren in der Schweiz. Im Dezember 1994 wurde der Cadillac als Restaurationsobjekt vom Einlieferer erworben und in den folgenden zwei Jahren komplett restauriert. Die Karosserie erhielt eine Neulackierung in der Originalfarbe «Olympic White» und die Innenausstattung wurde mit, ebenfalls originalgetreuem, rotem Leder neu bezogen. Der Motor wurde revidiert und die störungsanfällige 3-Vergaser Anlage wurde so umgebaut, dass nur noch der mittlere Vergaser für die Gemischaufbereitung sorgt. Auch Getriebe, Chassis und die aufwändige Aufhängung wurden einer Revision unterzogen. Seit der Fertigstellung wurde der Eldorado Biarritz bei schönem Wetter gerne für Ausflüge oder die Teilnahme an US-Car Treffen genutzt. Kürzlich wurden die altersbedingt spröden Gummibälge der Luftfederung ersetzt, womit das Cabriolet nun wieder topfit ist. Dieser seltene Cadillac stammt aus langjährigem Besitz, befindet sich in sehr gutem Zustand und wird mit der letzten MFK als Veteranenfahrzeug im November 2023 übergeben».
Mit 5,72 Metern Länge passt der Cadillac Eldorado Biarritz nicht auf jeden Parkplatz - Oldtimer Galerie Toffen
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier.
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