Spielen im Schnee

Martin Sigrist | 08.02.2024

Ice Race Früher war es der gefrorene See, heute dient der Flugplatz von Zell am See für Jux und Tollerei mit einem bunten Feld verschiedenster Autos. Zu gewinnen gibt es Spass.

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Mit ihren Lüönd-Buggies sorgten der Ybriger Sepp Marty und ­Teampartner Sven Horath für Action auf weichem Untergrund.

Ferry Porsche soll das Haus in Zell am See (A) bei einer ausgedehnten Autofahrt vor dem Zweiten Weltkrieg entdeckt haben, Vater Ferdinand, der Professor, wie man ihn in Österreich nennt, kaufte den Hof Schüttgut, ein grosszügiges Chalet mit Nebengebäuden und reichlich Umschwung, 1941. Im Januar 1945 brachte Ferdinand Porsche seine Familie und Teile seines Mitarbeiterstabs hierher, um sie vor drohenden Luftangriffen auf Stuttgart (D) zu schützen. Bis heute ist der Landsitz das Zentrum der Familien Porsche und Piëch.

So ist es kein Zufall, dass die Eisrennen auf dem Zeller See im Bundesland Salzburg stets eng mit Porsche in Verbindung standen. Bereits 1928 sollen erstmals Autos und Motorräder auf dem gefrorenen See herumgekurvt sein, und das erste Eisrennen wurde 1937 durchgeführt. Als Besonderheit gab es damals eine Kategorie für Skijöring. Diesen Spass hatte man in Skandinavien vom Pferde- und Hundezug direkt auf Motorräder und auch Autos übertragen. 1952 schliesslich traten einige Unerschrockene zu einer Gedenkfahrt auf dem Eis für Ferdinand Porsche an, der im Vorjahr gestorben war. Berühmt wurden die Rennen, die bei zu dünner Eisdecke auf festen Boden verlegt wurden, durch wilde Ritte tollkühner Skifahrer hinter schneestiebenden Sportwagen – vorzugsweise aus dem Haus Porsche. 1974 war damit vorerst Schluss.

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Kein Mini zu klein, auch mit dabei zu sein.

Neuauflage

Im Winter 2019 wagte Ferdi Porsche, Sohn des aktuellen Familienoberhaupts Wolfgang Porsche, ­einen Neuanfang. Gemeinsam mit einem Partner rief er den GP Ice Race ins Leben. Mit der Zustimmung der Stadt Zell am See und des Porsche-Clans, der auch den Flugplatz von Zell am See besitzt, treffen sich seither Motorsportverrückte zur Party auf Schnee und Eis.

Nach drei Jahren Zwangspause wegen Corona und schlechten Wetters fand heuer eine weitere Auflage des Ice Race statt. Neu firmiert der Anlass unter dem Namen F. A. T., einem früheren Sponsor des Le-Mans-Porsche 962. Ferdi Porsche sicherte sich dessen Namensrechte und betreibt an der Grossglockner-Hochalpenstrasse unter dem Namen F. A. T. Mankei ein Restaurant und Eventlokal für Autofans. Unter Lizenz von Ferdi Porsches F. A. T. International findet von 8. bis 10. Februar in Aspen (USA) ein zweites Ice Race statt. Mit dabei sind namhafte Sponsoren. Ein bekannter Name und etwas Anschubhilfe haben noch selten geschadet.

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Zell am See ist Porsche-Land

Umdisponiert

Zell am See liegt auf 757 Metern ü. M. und ist damit weit weniger schneesicher als beispielsweise St. Moritz GR. Heuer war den Organisatoren mehr Glück beschieden als im vergangenen Jahr. Etwas Schnee war liegen geblieben, zumindest bis am Freitagabend Regen über den Ort zog, der bereits die Zufahrt zur Piste für Autos mit Zweiradantrieb zu einer Herausforderung machte. Im halbgefrorenen Matsch halfen nicht einmal mehr Spikesreifen. Wie für den Fall von schlechten Wetterbedingungen angekündigt, wurde das Programm der ausverkauften Veranstaltung darum kurzfristig umgestellt. Der Rundkurs am Morgen blieb für Fahrzeuge mit Allradantrieb reserviert, und das Skijöring wurde abgesagt. In einer zusätzlichen Mittagspause verdichtete die Pistencrew des nahegelegenen Skigebiets die Strecke so weit, dass die Teilnehmer doch noch auf ihre Kosten kamen. Das Programm erwähnte auch eine Siegerehrung – die Veranstaltung ist aber ein reines Showfahren und findet ohne offizielle Zeitmessung statt. Hauptsache, es gab etwas zu feiern.

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Zunächst nur für Allradler – wie der Audi Sport-Quattro. Am Morgen war nach Regen die Scheedecke zu weich.

Und feiern können sie, die Österreicher. Während jüngere Veranstaltung ähnlicher Art bei uns stets von einem Touch Snobismus und extrovertierter Überheblichkeit begleitet sind, gibt man sich im Pinzgau im Land Salzburg sehr volksnah. Da steht Mark Webber ohne viel Aufhebens an den gleichen Stehtischchen wie alle anderen (Webber nennt Hans-Joachim «Strietzel» Stuck offenbar «Stucki»), man trifft auf Walter Röhrl, der den neuen VW Golf aus der Nähe betrachtet, oder auf VW-CEO Thomas Schäfer, der sich in Jeans und Pullover durch die Menge bewegt. Ein VIP-Zelt gibt es nicht, und auch kaum Absperrungen um die Autos. Die Veranstaltung war angenehm überschaubar. Obwohl das Ice Race ausverkauft war, hielt sich die Zahl der Besucher in Grenzen, auf den Tribünen war immer Platz zu finden.

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Fabian Bartlomé war der Spass mit seinem Mini Cooper förmlich ins Gesicht geschrieben.

Schweizer Action

Im Fahrerlager trafen wir Fabian Bartlomé. Mit dem Fahren auf Schnee kennt er sich aus, er war schon verschiedentlich Teilnehmer des Winter-Raids. Neben der offiziellen Mini-Delegation mit Werksunterstützung war er der einzige, der einen Mini Cooper zum Ice Race mitbrachte. Zunächst mochte man etwas an den kleinen Zehn-Zoll Rädern der britischen Ikone zweifeln, das Fliegen­gewicht schlug sich auf dem rutschigen Untergrund mit nur 620 Kilogramm aber wie ein Grosser. Nur wenn wie am Samstagnachmittag ein über 1000 PS starker Porsche Turbo mit auf die Strecke gelassen wird, muss man im Mini damit rechnen, schon nach der ersten Runde überholt zu werden. Dem breiten Grinsen des Fahrers nach zu urteilen, tat dies dem Spass aber keinen Abbruch.

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Team Marty / Horath am Morgen vor dem Start.

Zu zweit waren Sepp Marty und Sven Horath angereist, ihre allradgetriebenen Lüönd-Buggys sorgten für ein erstes Highlight und viel Action. War es Absicht oder einfach die Piste derart weich, dass in den Kurven die Zuschauer bei jeder Durchfahrt eine gehörige Schneedusche abbekamen? Beschwert hat sich unseres Wissens aber niemand, im Gegenteil, die Gaudi hatte oberste Priorität.

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Wild gewordene Meyers Manx Buggies und ein Baja-Bug.

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Fahrer im Evel Knievel-Outfit unterwegs. Der Streckensprecher hingegen war überzeugt, der Raupenbuggy könne auch Wasserski fahren.

Heckmotoren-Heimspiel

Was im Sand passt, das müsste auch auf Schnee funktionieren. Der grösste Spasstrupp in Zell am See waren wohl die unerschrockenen Fahrer, die sich den Beach-Buggy schlechthin zum Thema machten, den Meyers Manx. Bruce ­Meyers konzipierte das Spassfahrzeug zu Beginn der 1960er-Jahre, in den 1970er-Jahren brachten ihn die vielen Kopien jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts folgte die Wiederentdeckung der Beach-Ikone. Meyers, damals schon im fortgeschrittenen Alter, startete die Produktion des Manx erneut und verkaufte das nun äusserst erfolgreiche Unternehmen einige Jahre vor seinem Tod 2021 mit gutem Gewinn. Rund 6000 klassische Meyers Manx wurden zwischen 1962 und 1971 gebaut, von Meyers der neuen Zeitrechnung sind heute sogar Elektro-Buggys erhältlich. Mit ihren grossen Hinterrädern und dem Heckmotor sollten Buggys konzeptbedingt keine Traktionsprobleme haben. Einer der Gruppe – frei nach dem Motto «Hauptsache, Spass» als Motorrad­artist Evel Knievel verkleidet, oder war es Captain America? – verpasste seinem Manx einen Raupenantrieb und montierte Ski unter die Vorderräder. Der Streckensprecher interpretierte diese als durchaus passend zum Wasserskifahren auf der weichen Piste. Gar für eine Unterwasserfahrt geeignet wirkte Michael Gross’ Baja Bug, dessen Ansaugschnorchel weit über den hochspritzenden Schnee hinausragte. Eben, was im Sand Sinn macht, muss auch auf Schnee nicht unbedingt schlecht sein – lustig ist es sowieso. So bleibt von der Ausgabe 2024 des Ice Race kaum etwas Tiefsinniges zu berichten, höchstens dies: Lasst sie im Schnee spielen, dann machen sie sonst keinen Unfug, und – vielleicht doch etwas tiefsinniger – Autos transportieren nebst Menschen und Waren vor allem eines, Emotionen!

Fotos: Martin Sigrist

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Sehen und gesehen werden, nicht jedes Auto war zum Schneespass geeignet. Der Bugatti 35 und der Brescia-Nachbau ­blieben im Paddock. 

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Der Porsche 917 war ein Highlight und dessen Spikesbereifung zwingend notwendig.

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Porsche 356 mit etwas Dachlast.

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Ohne Spikes kein Fortkommen – die Piste wurde allerdings so weich, dass auch sie kaum noch halfen.

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Rallye-Ford beim Spielen im Schnee

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Machte besonders abseits der Schneepiste eine gute Figur: Ferrari 365 GTB/4 Daytona.

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50 Jahre Golf, zur Feier traten auch Raritäten wie der Rallye-Golf II an

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Walzer auf Schnee im Zweiertakt: Saab 93 mit Zweitaktmotor

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Und noch ein Porsche, sie dominieren in Zell am See

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Schnee, Eis oder Schotter – dem Rallye-Skoda ist das egal

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Wie einst der Walter: Mit einem Opel Ascona A hat Walter Röhrl seine ersten Erfolge eingefahren – jedoch nicht mit diesem

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