Man stelle sich vor, ein deutscher Hersteller würden so etwas machen. Eine Sonderserie seiner Fahrzeuge zu Ehren des Vaterlandes. Eine «Du bist Deutschland»-Variante seiner gesamten Modellpalette beispielsweise. Unvorstellbar. Die Italiener, die dürfen das. Alfa Romeo nimmt seine – bloss noch drei – bestehenden Modelle und spendiert ihnen die Ausstattungslinie Tributo Italiano. Wieso können die Italiener das? Es ist eine Frage, die wir uns stellen, während wir mit dem Alfa Romeo Stelvio vom Comersee über für das Auto eigentlich viel zu kleine, aber wunderschöne Landsträsschen an den Lago Maggiore fahren.
Die Deutschen sind ja historisch auch nicht gerade bekannt für ihre Bescheidenheit. Heute schon, da übt man sich in Demut, gerade was die Selbstwahrnehmung angeht. Nicht so die Italiener, da ist man patriotisch. Ist es Teil der südländischen Emotionalität, der Passion für alles, vor allem fürs Eigene? Und wie stolz kann man sein – darf man sein – auf eine neue Ausstattungslinie? Immerhin, Tributo Italiano ist die erste, die sich über die gesamte Modellpalette erstreckt. Also Tonale, Giulia und Stelvio. Sie ist ausschliesslich in den Landesfarben Grün, Weiss und Rot erhältlich. Es sind Farben, die Alfa wunderbar stehen. Da haben die Italiener naturgemäss einen grossen Vorteil – Schwarz, Rot, Gold wären mit Sicherheit weniger sexy.
Unvernunftsentscheid
Ganz so naturgemäss ist es dann doch nicht, denn Alfa hat es irgendwie geschafft, auch Autos in Rot und Grün zu verkaufen, obwohl die Masse langweilige Lackierungen in Weiss und Schwarz mit allen nicht minder langweiligen Nuancen dazwischen bevorzugt. Ein Vernunftsentscheid, wegen des Wiederverkaufswerts. Aber das zählt bei Alfa nicht, da ist der Autokauf kein Vernunftsentscheid. Es ist das Gefühl, das zählt. Das Gefühl und die Liebe für die Imperfektion, da muss nichts in deutscher Perfektion over-engineered sein. Da darf auch das Infotainment seine Probleme haben, die Spracherkennung schlecht und die Matrix-Scheinwerfer gar nicht funktionieren. Es ist die Liebe für die Heimat für die einen, der Liebesbeweis ans Fernweh für die anderen, die zählen.
Diese Liebe fürs Heimische feiert man bei Alfa mit dem Tributo Italiano. Die Landesfarben auf den Spiegelkappen, die Bremsen von Brembo, die Stickereien in Rot und das Tributo-Logo auf den Kopfstützen zeichnen die neuen Topversionen aller Modelle von Alfa aus. Natürlich, es sind Details – eigentlich sind sie komplett irrelevant. Und sie sind auch nur den kleineren Motorisierungen vorbehalten, wer richtig Leistung will, muss zum Quadrifoglio greifen mit dem 382 kW (520 PS) starken V6-Biturbo. Den Liebesbeweis ans Heimatland gibt es ausschliesslich für den Vierzylinder, in unserem Stelvio hat der 206 kW (280 PS), ebenso in der Giulia – während es im Tonale 118 kW (160 PS) oder mit dem Plug-in-Hybrid 206 kW (280 PS) sind.
Spass und Passion
Auch 280 PS passen auf den gewundenen, verkehrsarmen Landstrassen entlang der Schweizer Grenze. (O-Ton Alfa Romeo: «Wir bleiben auf der italienischen Seite, sonst hätten wir noch eine Autobahnvignette kaufen müssen.») Da kommen viel mehr das straff abgestimmte Fahrwerk und der hecklastige Antrieb zum Tragen, mit denen sich das 2.3 Tonnen schwere SUV problemlos auch querstellen lassen, wenn man denn will. So macht Autofahren noch Spass.
Da mögen bei den Deutschen die Spaltmasse noch so korrekt sein, die Verarbeitung tadellos. Bei den Italienern, da steckt Herzblut drin, auch wenn es sich um einen einfachen Tonale handelt. Da überwacht der Chef Jean-Philippe Imparato im Werk in Neapel (I) gelegentlich höchstpersönlich die Qualitätskontrolle, um sicherzustellen, dass die Autos den gesetzten Standards – seinen Standards – entsprechen. Und auf diese Passion ist man stolz. Völlig zu Recht.