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Martin Sigrist | 07.03.2024

Premium Wie bringe ich eine neue Marke ­dahin, wo Tradition und Vergangenheit eine Rolle spielen? Ein Wochen­ende mit Genesis am White Turf in St. Moritz.

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Die technischen Daten ihrer Autos stehen bei Genesis selten im Vordergrund. Wer nachfragt, erhält sie, den Kern der Botschaft des koreanischen Newcomers in der Premiumklasse macht die Technik jedoch selten aus. Viel wichtiger ist ihm der «Son-nim», der geschätzte Gast. Diesem koreanischen Begriff begegnet man bei Genesis auf Schritt und Tritt. Überhaupt ist die Philosophie den Asiaten viel wichtiger als lange und wohl auch eher ermüdende Diskurse über das eigene Engineering. Ihr ganzer Auftritt, die Art, wie sie versuchen, neue Märkte für sich zu gewinnen, ist eine interessante Mischung aus westlicher Technologie und asiatischer Lebensweise. Denn für die Kreation ihrer Autos decken sich die Koreaner schon seit längerer Zeit mit viel europäischer Expertise ein, mit Ingenieuren oder Designern westlicher Provenienz. Sie kommen von Volkswagen, BMW, Mercedes oder gar Bentley und arbeiten heute beim oder zumindest für den Hersteller in Südkorea.

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Vor 23 Jahren eröffnete Hyundai, die Mutter von Genesis, ein Design- und Entwicklungszentrum in Europa, genauer in Rüsselsheim (D). Seither fährt Hyundai auch in Europa von Erfolg zu Erfolg. Nun soll Genesis diesen Weg fortführen. Eigenständig wurde die Marke erst 2015, das erste Genesis-Modell war die Urversion des grossen G90 von 2017, der damals noch nicht nach Europa exportiert wurde. Bei uns startete der Premiumbrand 2021, im vergangenen Jahr durfte sich Genesis über die erste Million verkaufter Autos weltweit freuen. Gemäss Statistik von Auto-Schweiz fanden davon 717 Fahrzeuge einen Käufer bei uns – bei nur gerade drei Genesis-Studios in Basel, Genf und Zürich. Damit rückt für Genesis eine andere asiatische Premiummarke ins Sichtfeld: Lexus mit 856 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2023.

Wohlfühlmomente

Um ihre Autos machen die Koreaner also weniger Aufhebens als andere Premiumhersteller. Um ihre Denk- und Lebensweisen dafür umso mehr. Wer sich erinnert, wie damals die Japaner auf unseren Markt stiessen weiss, dass unsere Importeure es in geschickter Weise vermieden, allzu viel exotische Andersartigkeit durchsickern zu lassen. Das beste Beispiel dafür ist wohl Subaru. Die Marke, die einst selbst unter den Japanern zu den Exoten zählte, wurde mit typisch schweizerischen Merkmalen ausgestattet – Zuverlässigkeit, Bodenständigkeit, Vielseitigkeit – und so in unsere automobile Kultur integriert. Genesis hingegen spielt ganz bewusst auf seine Herkunft an und holt sich sein Publikum mit einer sehr persönlichen Ansprache ab. Da geht es um das Wohlbefinden, um das Verstehen des Gegenübers, um Dienstleistungen, die als freundliche Selbstverständlichkeit erbracht werden. Dass beispielsweise einem Interessenten das Wunschauto für eine Probefahrt vor die Tür geliefert wird, ist keine vordergründige Masche. Es wirkt glaubhaft, dass die Koreaner alle mühseligen Komponenten des Autokaufs vom Kunden fernhalten wollen, sogar den Besuch im Showroom. Viel lieber lädt ihn Genesis zum Besuch eines Studios ein, bleibt mit dem eigentlichen Grund der Gastfreundschaft zurückhaltend – auch Genesis verkauft letztlich nichts anderes als Autos – und umsorgt den «Son-nim», den geschätzten Gast.

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Fahren auf Schnee mit der Modellpalette von Genesis – Limousine, Verbrenner-SUV oder der vollelektrische GV60. In St. Moritz war den Koreanern aber anderes noch wichtiger als die Autos.

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Sondermodell als Konzeptauto: Genesis GV70 Snow. 

Mit dem Engagement als Sponsor des White Turf in St. Moritz GR bot sich für Genesis im Februar Gelegenheit, diese Philosophie und die eigenen Ansprüche im Umgang mit Partnern und Kunden, also mit seinen Gästen, unter Beweis zu stellen. Gewiss gab es mit dem Konzeptauto GV70 Snow auch einen kleinen Teaser für die Vertreter der klassischen Automobilpresse. Im Grunde genommen aber zeigten die Koreaner im Engadin neben ihrer Modellpalette, wie sie sich den Weg zu ihren Kunden vorstellen. Er wird abgeholt, gehegt und gepflegt, man lässt es ihn an nichts mangeln. Dabei vermeidet Genesis aber tunlichst allzu viel Pomp oder gar überschwänglichen Luxus. Die Genesis-Lounge in der kleinen Zeltstadt auf dem Eis an der Pferderennbahn war elegant, aber nicht überkandidelt. Es scheint fast, als hätten sich die Neulinge in dieser Welt des Luxus einfach einen Stuhl genommen und sich dazu gesetzt, nicht in der Mitte der Runde – aber auch nicht im Abseits. Die Gäste fühlten sich dadurch nie unterqualifiziert für den Anlass, andererseits gab es auch keinerlei Grund, sich fremdschämen zu müssen, weil der Gastgeber seine Stellung als Neuling vergessen hätte. Nichts dergleichen belastete die Gäste von Genesis in St. Moritz, im Umfeld der Koreaner verbreitete sich nur gepflegte Nonchalance, verbunden mit unverkrampfter Lockerheit. Eine meisterhafte Leistung inmitten dieser kleinen Insel der hohen Ansprüche.

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Traben und Fahren auf Schnee

Was gibt es im Winter Besseres für einen Autohersteller, als seine Autos auf makellos weissem Schnee in Aktion zeigen zu können? Die Botschafterinnen, Influencer und Medienmacher – pardon, Content-Creators –, die Genesis am Vortag der Rennen zu einem vergnüglichen Schneefahren mit verschiedenen Übungen eingeladen hatte, garantierten kräftige Bilder in zahllosen Varianten auf manchen Kanälen. Auch hier ging es nicht um die Technik der Autos, sondern um Spass und tolle Erlebnisse, das Auto war mehr ein Vehikel zur Vermittlung der guten Stimmung. Etwas später gab es mit einem Rennen zwischen einem Traber und ­einem vollelektrischen Genesis GV60 ein erstes Ereignis auf der Rennstrecke des zugefrorenen St. Moritzersees. Der Autor tippte auf das Pferd als Sieger, dessen adaptiver Vier-Bein-Antrieb schien ihm etwas besser geeignet, um sich und den Jockey auf dem skibewehrten Sulky möglichst rasch in Bewegung zu setzen. Der Sprintvergleich ging jedoch an das Auto – ein etwas enttäuschendes Resultat, weil vorhersehbar. Immerhin bot dies aber einen Vorgeschmack auf die eigentlichen Rennen am Tag danach, einem von drei Rennsonntagen dieser mit insgesamt rund 400 000 Franken Preisgeld am höchsten dotierten Pferdesportveranstaltung der Schweiz.

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Das White Turf hat eine mehr als einhundertjährige Geschichte. Der höchstdotierte Pferdesportanlass der Schweiz zeigt Flachrennen, Trabrennen und das berühmte Skijöring. 

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Etwas Pelz gehört dazu in St. Moritz.

Small Talk

Ein richtig guter, gepflegter Small Talk am Abend zum Dinner im Hotel Grace brachte Festlichkeit in die Runde. Reich an Eindrücken konnten sich die Gäste geradezu in diesen zweiten Abend der Veranstaltung fallen lassen – immer bestens umhegt und aufgehoben. Gespräche mit Graeme Russell, Chief Brand Officer von Genesis, in geradezu freundschaftlicher Offenheit liessen dabei einen Blick in die konsequente Strategie der Koreaner zu. Auch hier wurde wenig von Autos, aber vielmehr von Markenwahrnehmung und Empfindungen gesprochen. Der oberste Markenchef machte schnell deutlich, dass Genesis ziemlich sicher ist, bei den Produkten alles mitzubringen, um den Ansprüchen der Premiumklasse gerecht zu werden. Dabei muss man als Neuling aber erst einmal als valabler Ansprechpartner angesehen werden. Aus diesem Grund platzieren sich die Koreaner überall dort, wo sie hoffen, mit der anvisierten Zielgruppe in Kontakt treten und ein Gespräch aufbauen zu können. Allerdings nicht ein Gespräch über Autos – Gott behüte, das wäre viel zu plump, einfallslos und direkt und in den meisten Fällen mit Vorurteilen des Gegenübers behaftet –, sondern über alles, was emotional bewegt: über schöne Orte, gute Erlebnisse, tolles Essen und über persönliche Vorlieben und Leidenschaften.

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Eine Leidenschaft sind für manche auch Pferde, gut möglich, dass auch bei Pferderennen das Drumherum mehr zählt. Am Rennsonntag präsentierte sich das Geschehen ganz so, wie man das in St. Moritz erwartet. Bepelzte Damen mit Schosshündchen, elegante Männer, die aktuelle Wintermode adrett vorgeführt und dazu die strahlende Engadiner Bergsonne über dem weissen Schnee. Bei Flach- und Trabrennen und natürlich dem Skijöring bot sich Gelegenheit, Wetten zu platzieren, eine Buchmacherin sass direkt im Genesis-Gästezelt auf dem Eis neben der Rennstrecke. Zu den Resultaten fehlt dem Autor die Erinnerung, sein Interesse galt letztlich doch eindeutig den Autos. Und wenn es für einmal weniger um deren Kern als vielmehr um deren Wahrnehmung ging, so war dies zwar ungewöhnlich, aber auch höchst interessant.

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Genesis-Chief-Brand-Officer Graeme Russell beim aufschlussreichen Small Talk. Genesis lässt es seinen Gästen gut gehen, positive Gefühle sind wichtig, die Stimmung des Auftritts ist gepflegt und hochwertig und wirkt nicht überkandidelt.

Fotos: Genesis Motors

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