Lamborghini Huracán Sterrato – Im Pistenrambo auf Abschiedsfahrt

Peter Forrer | 21.12.2023

V10, lebe wohl! Er ist zugleich der erste und der letzte seiner Art. Mit dem Huracán Sterrato endet Lamborghinis ­Zehnzylinder-Ära in Form eines Offroad-Supersportwagens.

92383

Finito. Wenn 2024 der neue Lamborghini Huracán herauskommt, hat er erstens zwei Zylinder weniger und zweitens mindestens einen Motor mehr als die aktuelle Generation. Statt ein reiner Verbrenner wird er nach aktuellem Wissensstand ein Plug-in-Hybrid sein. Anstelle eines V10-Saugers übernimmt dann ein V8-Biturbo den gut hörbaren Part des Antriebskonzepts. Der zuerst ab 2008 im Gallardo und seit 2014 in dessen Nachfolger Huracán eingebaute Zehnzylinder mit 5.2 Litern Hubraum steht somit vor dem Ende.

Natürlich wird der neue Antriebsstrang viel stärker sein als der alte, wie das halt so üblich ist, wenn Sportwagenhersteller den Strom entdecken. Man munkelt von 700 bis 900 PS. Aber mangelnde Leistung war bei jüngeren Lamborghini noch selten ein Kritikpunkt. Und so kann es sich die Marke aus Sant’Agata Bolognese (I) erlauben, den Zehnzylinder für seinen letzten Einsatzzweck sogar noch zu drosseln. Statt 470 kW (640 PS) wie in den drei letzten Strassenversionen Evo Spyder, STO und Technica leistet die Maschine in der Crossover-Variante Sterrato nur 449 kW (610 PS).

Scusi – Crossover?! Ja, der Lamborghini Huracán Sterrato ist in dem Sinne tatsächlich ein Crossover. Eine Kreuzung aus zwei Fahrzeugtypen, in diesem Fall aus einem Supersportwagen und einem Offroader. Aber dieser von der Autoindustrie schon seit einigen Jahren beinahe invasiv verwendete Begriff wird diesem Lambo nicht gerecht. Bei einem Crossover denkt man eher an einen höhergelegten Klein- oder Kompaktwagen mit ein bisschen Schutzbeplankung, der gerne ein SUV wäre. Der Sterrato hat mit derlei gewöhnlichen Vehikeln nichts an der Lufthutze. Und vor allem geht diese Kreuzung weit über die Optik hinaus. Dieses Auto ist immer noch supersportlich, aber es wühlt auch richtig gern im Dreck.

Weniger Leistung, mehr Luft

Dass der V10 im Huracán Sterrato mit der absolut verschmerzbaren 30-PS-Minderleistung auskommen muss, hat einen ganz praktischen Grund: Die Öffnungen für das Luftansaugsystem des Aggregats sind auf dem Dach statt hinter den Türen montiert. Denn so muss weniger Material aus der angesaugten Luft herausgefiltert werden. Staub, Sand, Laub, Kieselsteine und vieles mehr würden sonst auf direktem Weg Richtung Motor-Atemweg geschleudert. Nicht bei allen, aber bei vielen Fahrten. Denn der Huracán Sterrato bettelt regelrecht darum, man möge ihn doch bitte bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf losem Untergrund bewegen.

92382

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

92389

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

92393

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

92390

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

92391

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

92388

Der Huracán stand noch nie für Zurückhaltung. Aber die Offroadversion Sterrato ist nochmals eine ganze Stange auffälliger als die Strassenvarianten. Und auch praktischer. Oder welcher Supersportwagen mit einem über 600 PS starken V10 hat sonst eine Dachreling für die Montage eines Dachträgers zu bieten?

Extradicke, verstärkte Seitenschweller, Aluminium-Unterfahrschutz und martialisch anmutende, geschraubte Kunststoffbeplankung an den Kotflügeln – das alles wirkt nicht wirklich elegant, aber echt robust. Die Optik ist nicht nur Show, dieser Lambo hat von den Ingenieuren auch diverse technische Offroadanpassungen bekommen. Zum einen 44 Millimeter mehr Bodenfreiheit im Vergleich mit dem Huracán Evo, garniert mit 25 Prozent grösserem Federweg vorne und 35 Prozent hinten. Auch die Spurbreite wurde erweitert, vorne um 30, hinten um 34 Millimeter. Und ja, passende Schuhe gab es auch: Der Huracán Sterrato bringt seine Kraft über vier spezielle Offroadreifen auf den Boden, oder besser, den Untergrund.

Eine Pistensau vor dem Herrn


Genug der Zahlen, ab ans Steuer. Schliesslich sind die technischen Eigenschaften schon seit rund einem Jahr bekannt. Lamborghini präsentierte den Sterrato Ende November 2022 im Rahmen der Art Basel Miami Beach in den USA, mittlerweile wurden die ersten von insgesamt 1499 Fahrzeugen an die Kunden ausgeliefert. Die Besitzer dürften aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommen, denn was dieses Auto bei unseren Testfahrten auf der 2.2 Kilometer langen Sandpiste im Nardò Technical Center in Italien (kleine Randbemerkung: gehört zu Porsche) hinlegte, sucht seinesgleichen. Oder fast. Denn, Zufall oder nicht, der einzige namhafte Konkurrent ist ein Porsche, der 911 Dakar (s. Test AR 34/2023). Wer weiss, vielleicht haben die Lambo-Jungs ihre Kollegen von Porsche ja beobachtet, als diese ihren Dakar in Nardò abstimmten, und dachten sich spontan: «Das brauchen wir auch.»

Lassen wir die Vermutungen, bleiben wir bei den Fakten: Für eine Piste wie jene in Nardò eignet sich natürlich am besten der Fahrmodus Rally, der die Modi Strada und Sport ergänzt. Im Rally-Modus soll der Sterrato selbst auf losem Untergrund in 3.5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Haben wir nicht gemessen, aber glauben wir jetzt einfach einmal. Selbst wenn er vier oder fünf Sekunden braucht, fühlt sich das verdammt schnell an. Geradeaus ohnehin, aber auch in Kurven kommt man sich tatsächlich vor wie ein Rallyepilot. Der Sterrato nimmt sie gerne quer, und er macht dem Fahrer die Drifts mit der speziell abgestimmten Stabilitätskontrolle (heisst bei Lamborghini LDVI) extrem leicht. Selbst ohne grosse Erfahrung, geschweige denn Ausbildung, lässt sich der Offroad-Supersportwagen mit dem Gasfuss spielerisch um die Winkel ziehen. Die präzise Lenkung tut ihr Übriges. Einziger Kritikpunkt: Die Platzierung des Fahrmodusschalters ist suboptimal, er wird bei den vielen schnellen Lenkraddrehungen gerne versehentlich betätigt.

92386

Das Interieur des Sterrato sieht nicht nach Offroad aus, aber es gibt exklusive Farben.

92394

Das Interieur des Sterrato sieht nicht nach Offroad aus, aber es gibt exklusive Farben.

Auch auf der Strasse ganz nett

Trotz seiner regelrecht berauschenden Offroadfähigkeiten bleibt auch dieser Lamborghini Huracán im Kern ein Supersportwagen. Er meistert zügige Fahrten auf fester Strasse gewohnt flink und souverän, selbst die grobstollige Bereifung der 19-Zoll-Felgen torpediert seine natürlich angeborene Asphaltdynamik nicht wesentlich. Das ist gut so, denn obschon viele Sterrato in Länder mit reichlich Sandpisten oder gar -dünen gehen dürften, gibt es solches Geläuf eben doch nicht überall vor dem Garagentor zu finden. Praktischerweise lässt sich auf der optionalen Dachreling auch bequem ein Skirack montieren, damit selbst hiesige Kunden einen Mehrwert vom Lamborghini Huracán Sterrato haben.

Im Innenraum ist der Pistenrambo dann sowieso mehr Sportler als Offroader. Auf mit dem Hochdruckreiniger abspritzbare Intarsien, wie sie viele Hardcore-Geländewagen besitzen, haben die Italiener verzichtet. So gibt es auch im Sterrato viel Leder, Alcantara (auf Wunsch in der exklusiven Spezialfarbe Verde Sterrato), Karbon und ein zeitgemässes Infotainmentsystem inklusive Onlinezugangs und der Sprachassistentin Alexa von Amazon. Die reagiert zwar nicht ganz so schnell auf Wünsche des Fahrers wie das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, aber die reibungslose Funktion von Letzterem ist ja auch viel wichtiger bei einem sportlich bewegten Fahrzeug.

Betörender Abgesang

Wir haben noch gar nicht über den Sound geredet. Nicht von jenem der Musikanlage – die ist völlig o. k., aber ebenfalls ziemlich unwichtig –, sondern von jenem des Motors. Das Auto wurde ja um ein Aggregat konstruiert, das bald in die Annalen der Geschichte eingehen wird. Diesen Zehnzylinder werden wir zweifellos vermissen, auch wenn er weder nachbarschafts- noch klimafreundlich ist. Zwar erfüllt er selbstredend die Abgasnorm Euro 6d, trinkt aber auf 100 Kilometer bei nur ansatzweise artgerechter Bewegung viel mehr als die angegebenen 14.9 Liter laut WLTP. Aber hey, ein echter Rocksänger braucht auch einen Extraschluck, um laut zu röhren. Die Stimme geht auf jeden Fall durch Mark und Bein. Als Autoliebhaber tut es einem in der Seele weh, wenn man weiss, dass es solche Konzerte in Zukunft nicht mehr geben wird. Also sicher keine neuen.

Tröstlich am Ganzen sind vor allem zwei Dinge: Mit rund 300 000 Franken Grundpreis ist der Lamborghini Huracán Sterrato für uns Normalsterbliche sowieso unerschwinglich. Und die 1499 Exemplare sind sowieso längst ausverkauft. 

Fotos: Lamborghini

Kommentare

Keine Kommentare