Mit dem Junior deckt Alfa Romeo auch das Segment der Kompaktwagen wieder ab, das man mit dem Ende der Giulietta aufgegeben hatte. Und enttäuscht nicht: Das Fahrverhalten ist sportlich, die Lenkung direkt und der (elektrische) Antrieb kräftig. Die Verwandtschaft zu den Konzernbrüdern kann Alfa damit fast gänzlich verstecken.
Alfa-Romeo-CEO Jean-Philippe Imparato hat grosse Pläne für die Turiner Marke. 2025 soll die überarbeitete Giulia auf den Markt kommen, 2026 ist der Stelvio dran, ab 2027 soll die Marke dann nur noch Elektroautos im Portfolio halten, im selben Jahr folgt auch noch ein grosses SUV. Den Anfang macht aber ein Kleiner – der erste kleine Alfa seit dem Ende der Giulietta vor gut vier Jahren. Und der erste vollelektrische Alfa überhaupt.
Mit einer Länge von 4.17 Metern ist der Junior – beziehungsweise Milano, wie er bis vor wenigen Wochen noch geheissen hatte – gut 35 Zentimeter kürzer als ein Tonale. Und Chefdesigner Alejandro Mesonero-Romanos besteht vehement darauf, dass der Junior auch weder SUV noch Crossover sei, sondern ein Kompaktwagen mit erhöhter Sitzposition. Diese sei heute ein Kundenbedürfnis, dem man sich füge, so Mesonero.
CMP als Ausgangslage
Die erhöhte Sitzposition hat aber auch noch einen anderen – technischen – Grund: Die Basis für den Junior bildet die CMP-Plattform von Stellantis, die konstruktionsbedingt zum Crossover-Design zwingt aufgrund der Batterie im Unterboden. Der Kompakt-Crossover teilt sich die Plattform also mit Jeep Avenger, Fiat 600 oder Peugeot 3008. Alfa Romeo hat die CMP als Grundlage genutzt, aber viel Aufwand betrieben dafür, dass sich der Junior nicht fährt, wie die Geschwistermodelle aus dem Konzern.
Das Fahrwerk wurde komplett neu entwickelt, die Lenkung ebenso. Semi-aktive Dämpfer an Vorderachse und Hinterachse sollen für ein dynamisches Fahrgefühl sorgen, auf das Alfa Romeo so stolz ist. «Sie werden überrascht sein, wenn Sie denn neuen Junior fahren», hatte Jean-Philippe Imparato vorgängig versprochen. Die Fahrten mit den Vorserienfahrzeugen finden auf dem «Lange Circuit» auf dem Testgelände in Balocco (I) statt. Die Strecke ist einer Landstrasse nachempfunden – typisch italienisch, mit vielen Schlaglöchern und einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h.
Wir sind überrascht
Und tatsächlich: Wir sind überrascht. Das Einlenkverhalten ist direkt, wie man es bei einer Übersetzung des Lenkgetriebes von 14.6:1 erwartet. Das Fahrwerk ist straff abgestimmt und bei Lastwechseln in den Kurven hält sich das Wanken in Grenzen. In der Variante «Veloce», die wir testen konnten, kommt zudem eine Tieferlegung um 25 mm, härtere Kurvenstabilisatoren an Vorder- und Hinterachse und ein neues Torten-Differenzial an der Vorderachse zum Einsatz. Das hilft gegen Untersteuern am Kurvenausgang, womit sich der Junior tatsächlich deutlich sportlicher fahren lässt, als man das von einem vollelektrischen Kompakt-Crossover erwarten würde.
Als erste Motorisierung präsentiert Alfa Romeo den Junior als «Veloce» mit einem 207 kW (280 PS) starken Synchronmotor an der Vorderachse. Dieser beschleunigt das 1.6 Tonnen schwere Fahrzeug in 5.9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Gespiesen wir der Antrieb aus einer Lithium-Ionen-Batterie mit 51 kWh nutzbarer Kapazität. Als Reichweite gibt Alfa Romeo etwas enttäuschende 334 Kilometer an. Dazu kommt: Die Ladung von 20 auf 80 Prozent dauert bei einer Ladeleistung von maximal 100 kW rund 27 Minuten.
Später sollen dann auch noch eine schwächere Variante mit einem 115 kW (156 PS) starken Elektromotor sowie ein Hybridantrieb folgen – wie man ihn von Jeep Avenger und Co. auch kennt. Ein 100 kW (136 PS) starker 1.2-Liter-Dreizylinder-Benziner ist mit einem 48-Volt-System kombiniert, das noch einmal 21 kW (28 PS) leistet. Damit qualifiziert sich der Junior mehr als Mildhybrid, denn als echter Vollhybrid – kurze Strecken sollen aber dennoch rein elektrisch gefahren werden können.
Verwandtschaft zum Konzern
Der Innenraum erweist sich grösstenteils als typisch Alfa, auch wenn natürlich gewisse Komponenten aus dem Stellantis-Konzern übernommen werden mussten. So sind die traditionellen Rundinstrumente angedeutet geblieben, dahinter steckt ein digitales, rechteckiges Kombiinstrument. Und auch im 10.25-Zoll-Infotainment erkennt man den Einfluss des Konzerns. Darüber trösten aber die sauber verarbeiteten Halbschalensitze, die es im «Veloce» serienmässig gibt, hinweg. Deren Nachteil allerdings ist, dass das – sowieso schon nicht üppige – Platzangebot im Fond weiter reduziert wird und die Beinfreiheit für Erwachsene fast zu knapp ist.
Wie passt eigentlich ein Kompakt-Crossver in die Premium-Ausrichtung von Alfa Romeo? Perfekt, meint Imparato. Schliesslich sei dies ein Segment, das man bis zum Ende der Giulietta abgedeckt hatte und in dem man mit dem Junior jetzt den Fans der Marke auch wieder etwas bieten könne. Die Fans der Marke dürften sich nur an einem Detail stören: Dass der für Alfa so charakteristisch gewordene DNA-Drehregler dem «Drive Mode»-Schalter weichen musste, den man in gleicher Form auch in Opel Corsa und Citroën C3 findet. Hier hätte man ruhig den Mut haben dürfen, die Eigenständigkeit auch in den Details zu bewahren.