Toyota GR Yaris – Mit Spass am Gas

Tristano Gallace | 25.01.2024

Renn-Bonsai Der Toyota GR Yaris lädt auf dem Circuito del Jarama in Spanien zum Tanz. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten.

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Der eher schmächtige Typ am Ende des Tisches, der sein Steak mit dem Inhalt zweier Pfeffermühlen paniert, ist Chefingenieur Naohiko Saito. Fad scheint ihm so gar nicht zu schmecken. Diese Grundeinstellung prädestiniert ihn für seine Arbeit, denn unter seiner Leitung wurde der neue Toyota GR Yaris kräftig nachgepfeffert. Hierfür standen Saito nicht nur ein Team aus feurig motivierten Ingenieuren, sondern auch die Toyota-Rallye-Cham­pions Sébastien Ogier (40, Rentner und achtfacher Titelträger) und Kalle Rovanperä (24, zweifacher und aktueller Rallye-König, gönnt sich zurzeit ein Jahr Auszeit) zur Seite. Dass die Rallye-Jungs nicht nur ihre Gesichter für Pressebilder hergeben, merkt man dem japanischen Kraftwürfel sofort an.

Mach das mal bitte kaputt!

Die Ausgangslage war ja schon nicht so schlecht. Die Buchstaben GR stehen für Gazoo Racing. 2020 entstand der GR Yaris (XP21) in Zusammenarbeit mit der berüchtigten Rallyetruppe des Hauses. Das Ziel, ein WRC-Fahrzeug für den Alltag zu bauen, wurde erreicht – das Auto begeisterte Jung und Junggebliebene. Allradantrieb, hohe Leistung, niedriges Gewicht gepaart mit herstellertypischer Zuverlässigkeit überzeugten. Toyota verkaufte mehr als doppelt so viele Einheiten wie geplant und für die Homologation des Rallyemodells nötig.


Die Verbesserungen im Innenraum basieren auf Kundenfeedback. Der neue GR Yaris besitzt eine tiefere Sitzposition, einen höher installierten Innenspiegel sowie ein neues und tiefer angebrachtes Armaturenbrett. Serienmässig wird ein manuelles Sechsgang-Getriebe verbaut, optional gibt es neu eine Achtgang-Automatik mit schnellen Schaltzeiten.

Aber wie macht man ein gutes Auto besser? Man befragt die Besitzer. Doch die Wunsch- und Verbesserungslisten zufriedener Kunden sind bekanntlich kurz, und mit ein bisschen Sitzposition hier, etwas Bedienungselementen da gab es laut Hersteller unisono nur Lob und Blumen. Die Anpassungen waren schnell erledigt, aber das war Saito und seinen Ingenieuren eindeutig zu wenig Pfeffer. Er klopfte wieder bei den Rallyekollegen an, und gemeinsam zauberte man Entwicklungen und Detailverbesserungen aus dem Hut, die von den schweren Jungs bis zum Brechen getestet wurden. Im wortwörtlichen Sinn.

Denn es ergab sich ein Kreislauf von Entwicklung, Renneinsatz bis zur Zerstörung und anschliessender Detailverbesserung. Die gute alte Versuch-und-Irrtum-Methode deckte so mancherorts Verbesserungspotenzial auf, die Lösung wurde auf der Strecke, Schotter und Schnee gesucht, gefunden und wieder getestet. Mehr strukturelle Klebeverbindungen und eine höhere Schweisspunktezahl, um die Karosseriesteifigkeit zu erhöhen? Versuchs damit nochmals, Kalle. Umgestaltung der Federbeinanbindung an der Front, um die Stossbelastungen bei Sprüngen besser zu verteilen? Probiers noch einmal, Sébastien. Oh, Teile der Kunststoffverkleidung sind im Langstreckeneinsatz nach mehreren Stunden Vollgas überraschend weggeschmolzen? Wir machen die schnell aus Metall und dann gehts weiter, Jungs. Das Resultat der Abnutzungsschlacht in Form zerbröselter Kolben, gebrochener Querlenker und verbogener Kühler liegt zur Ansicht auf dem Tisch. Die Fotowand mit Schnappschüssen zeigt mehr Schrottplatz als Fahrzeugentwicklung.

Hardware im Detail

Was also von der Entwicklung übrig blieb, ist ganz harte Ware. Ein umfangreiches Update auf technischer Ebene bekam das Allradmanagement. Konnte man beim Vorgänger noch mit drei festen Kraftverteilungsmodi die Verteilung auf Front- und Heckräder wählen, sind beim neuen Modell zwei feste und ein variabler Modus verfügbar. Normal beträgt das Kräfteverhältnis 60:40 zugunsten der Vorderachse. Der neue Track-Modus verteilt die Antriebskraft zwischen Vorder- und Hinterachse variabel im Verhältnis von 60:40 bis 30:70. Auf losem Untergrund wäre diese stets wechselnde Verteilung kontraproduktiv und eine Gleichung mit zu vielen Variablen. Daher entwickelte man mit Gravel eine konstante 53:47-Verteilung.

Mit dem neuen GR Yaris feiert auch eine signifikante Neuerung Premiere: Das neue, optionale Achtgang-Automatikgetriebe. Ein Mehrgewicht von lediglich 20 Kilogramm und die Möglichkeit, in bester Spielkonsolenmanier die Gänge mit den Fingerkuppen einzuschnippen, verlangen nach ­einem Kreuz auf der Bestellliste. Puristen, die das Handwerk bevorzugen, werden weiterhin auf das manuelle Sechsgang-Schaltgetriebe vertrauen können. Den nächsten Gang in nur 0.3 Sekunden einzulegen, werden sie mit dem manuellen Stöckli aber nicht fertigbringen.

Toyota übernimmt nicht nur das Antriebskonzept des Vorgängers, sondern spendiert dem Dreizylinder einen Bonus von sieben Prozent. Der aufgeladene 1.6-Liter leistet somit 206 kW (280 PS), und wenn jedes PS nur mit rund 4.6 Kilogramm fertig werden muss, tönt das auf dem Papier gar nicht schlecht. Doch leider passiert unterhalb von 3200 Touren erst einmal nicht sehr viel, darüber allerdings geht die Post richtig ab. Und da man schon für das gesamte Drehzahlband bezahlt hat, sollte man es auch bis zu seiner Leistungsspitze bei 6500 U/min nutzen dürfen.

Erstaunlich ist auch das Leergewicht von 1300 Kilogramm. Bleibt zu hoffen, dass Toyota auch in Zukunft an diesem Konzept festhalten kann. Denn sollten Emissionsgrenzen weiter verschärft werden, muss dem Kraftzwerg wohl ein Hybridrucksack umgeschnallt werden, ähnlich dem, welcher bereits im GR Yaris Rally 1 eingesetzt wird. Zwar könnte dieser das Leistungsloch in den unteren Drehzahlen stopfen, doch das Mehrgewicht würde möglicherweise das Fahrzeug die Leichtigkeit kosten, die wir auf der Rennstrecke erleben durften.

Kleiner Trackspatz

Der Circuito del Jarama ausserhalb Madrids passt perfekt zum neuen Toyota GR Yaris. Eine rund dreieinhalb Kilometer kurze Achterbahn mit 13 Kurven. Mit der Erfahrung von drei Youtube-Videos und acht Sightseeing-Runden mit einer Fahrlehrerin im Vorgänger-Yaris dürfen wir mit dem Neuen nun selbst Pfeffer geben.

Nach dem wilden Ritt ist Dauergrinsen ­angesagt, denn der neue GR Yaris ist ein kleines grosses Spassmobil. Der wilde Hund steht nicht so auf Kuscheln, sondern will raus und sich mit Herrchen richtig austoben.

Bereits ab Kurve eins merkt man dem GR Yaris das verbesserte Kurvenhandling an. Einlenken, Bremse mitziehen und, sobald das Fahrzeug Richtung Scheitelpunkt schielt, wieder aufs Gas. Der Yaris wechselt von leichtem Untersteuern in ein neutrales Fahrverhalten. Eine deutliche Verbesserung zum Vorgängermodell, das sich für diesen Wechsel deutlich mehr Zeit nahm. Noch vor dem Scheitelpunkt beschleunigen wir heraus, der Ladedruck baut sich auf, und der Schub wandert von der Front zum Heck. Das variable Lastmanagement des Allradantriebes macht sich bemerkbar: Die Lenkung verlangt mit zunehmender Beschleunigung und konstantem Lenkwinkel immer weniger Kraft, die Antriebseinflüsse verblassen zunehmend, und der Rennzwerg fährt ziemlich genau dorthin, wo man hinlenkt. Der GR Yaris liebt Beschleunigungen und Richtungswechsel, hat konzeptbedingt nur mit hohen Geschwindigkeiten seine liebe Mühe. Beim harten Anbremsen aus höherem Tempo bei leichtem Lenkwinkel tanzt der GR Yaris. Das ist dem kurzen Radstand geschuldet, lässt sich aber mit feinen Lenkkorrekturen ausgleichen. Die breite Spur lässt die Vorderräder trotz der niedrigen Temperaturen satt auf dem Asphalt kleben und informiert den Chauffeur unmittelbar über Untergrund und Bewegungsrichtung. Auch bei rasch hintereinander folgenden Richtungswechseln sind Spurtreue und Beherrschbarkeit in hohem Mass vorhanden. Beim Überfahren der kurveninneren Erhöhung wird der Fahrer überrascht, denn ohne sonderliches Schütteln oder überharten Schlag auf den Allerwertesten rennt der GR Yaris unerschrocken der Fahrlinie weiter nach, als wäre nie etwas gewesen.

Die flotte Hatz verlangt im Allgemeinen etwas Arbeit am Volant, aber auf dem winkeligen Kurs von Madrid Jarama macht das richtig gute Laune. Die hervorragende Traktion, die variable Kraftverteilung und die schnelle Getriebebox lassen die 280  PS kontrollierbar wirken. Der GR Yaris überfordert seinen Lenker nicht, sondern gibt ihm ehrliches Feedback mit beherrschbaren Fahreigenschaften. Er brennt keine Rundenrekorde in den Asphalt, und auch für Höchstgeschwindigkeiten ist er mit seinem Dreizylindermotor und dem kurzen Radstand nur bedingt geeignet. Er gehört zu den sehr rar gewordenen Spassautos mit einsatzerprobter Rallyetechnik und ordentlich Pfeffer. 

Fotos: Toyota

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