Vernunft siegt

Peter Ruch | 07.03.2024

Elektro-SUV Mit dem Peugeot e-3008 kommt das erste Auto auf der neuen STLA-­Medium-Plattform heraus. Sie überzeugt unter anderem mit Vernunft.

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Doch, doch, Stromer können auch gut aussehen. Selbstverständlich liegt die wahre Schönheit einzig im Auge des Betrachters, und über Geschmack lässt sich (wie über Farben) trefflich streiten, doch der 4.54 Meter lange Peugeot e-3008 ist ein adrettes Fahrzeug. Und das aus so ziemlich jedem Blickwinkel. Peugeot sieht seinen jüngsten Sprössling nicht als SUV-Coupé, sondern als Fastback – und tatsächlich ist das Heck eine seiner Schokoladenseiten. Vorne wirkt der Franzose vielleicht etwas hoch, doch die Designer haben das clever gelöst, die Frontlampen stehen über dem angedeuteten Kühlergrill, die Säbelzahn-Taglichter verleihen der Front die nötige Leichtigkeit. Die Form wirkt in der Realität schlanker als auf Bildern, es gibt keine unnötigen Sicken und Verzierungen, sogar auf Chrom wird verzichtet. Aber das konnte Peugeot schon immer gut, zeitlose, unaufgeregte Eleganz, die auch über die Jahre bestens altert.

Umdenken

Ob wir das in ein paar Jahren auch von der STLA-Medium-Plattform, auf der der Peugeot e-3008 als erstes Modell überhaupt steht, schreiben werden, muss sich noch weisen. Wenn man die jüngsten Entwicklungen vor allem chinesischer Hersteller betrachtet, wirkt die Stellantis-Konstruktion mit 400-Volt-Architektur, sehr grossen und folglich schweren Akkus sowie klassischen E-Motoren doch eher konservativ. Eine maximale Ladegeschwindigkeit von 160 kW am DC-Lader ist in Ordnung, erscheint aber schon jetzt nicht mehr als State of the Art. Es gibt (vorerst) keine Möglichkeit zum Vorwärmen der Batterie, die maximale Leistung von 157 kW (213 PS) wirkt im Konkurrenzvergleich eher beschaulich.

Doch wie Renault geht auch Peugeot diesen Weg ganz bewusst. Das Augenmerk liegt auf Zuverlässigkeit – und einem geringen Verbrauch. Dagegen sprechen zwar der nicht sonderlich gute cW-Wert und das doch beachtliche Leergewicht von 2108 Kilogramm, doch gemäss WLTP wird dem e-3008 ein Verbrauch von 16.8 kWh/100 Kilometer attestiert. Damit liegen die Franzosen in Sachen Effizienz gut vorne mit dabei – und das wird in Zukunft ein Wert sein, dem gerade bei den Stromern viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Stellantis fordert aber auch ein gewisses Umdenken der Kundschaft ein: Der Stromer soll nicht mehr ein übermotorisiertes Geschoss sein, sondern ein Fahrzeug, das mit eigenverantwortlicher Vernunft bewegt wird.

Vernünftige Mischung

Und so fährt sich der Peugeot dann auch, 213 PS sind für 2.1 Tonnen Gewicht nicht wirklich überbordend. Davon zeugt auch der Beschleunigungswert. 8.8 Sekunden will der Franzose für den Sprint von 0 auf 100 km/h brauchen, das ist im E-Segment nun wahrlich kein Spitzenwert. Aber die Beschleunigungsorgien anderer Stromer verlieren ihren Reiz ja schnell – beim e-3008 nun kommt die Versuchung gar nicht erst auf. Das bedeutet nicht, dass der Peugeot nicht ganz anständig vorwärtskommt, 345 Nm maximales Drehmoment sind gut genug für flotte Überholmanöver. Ausserdem gleitet der Franzose wunderbar dahin, man spürt förmlich, dass, trotz der 20-Zöller, viel Wert auf geringen Rollwiderstand gelegt wurde.

Gut zu diesem friedlichen Charakter passt auch das Fahrverhalten des Fronttrieblers. Die Lenkung mag zwar nicht die beste Rückmeldung geben, sie ist etwas schwammig, doch die Bremsen sind bestens dosierbar – was man nicht von allen Stromern behaupten kann. Das Fahrwerk ist eine vernünftige Mischung zwischen französischem Lebensgefühl und einem netten Hauch von Sportlichkeit. Treibt man es trotz eher bescheidener Leistung etwas wilder, dann spürt man allerdings sehr schnell das hohe Gewicht des Fahrzeugs, es schiebt dann über alle vier Räder nach aussen. Doch der Peugeot bleibt auch in solchen Situationen gut beherrschbar.

Alles schwebt

Dabei hilft auch das Lenkrad, das zwar unten und oben nicht mehr rund sein darf, aber trotzdem sehr angenehm zu greifen ist. Es ist mit seiner eigenwilligen Form Bestandteil der jüngsten Ausführung des i-Cockpits von Peugeot, das im e-3008 in ganz neuer Form erscheint. Zentraler Bestandteil ist ein freistehendes Display, das sich 21 Zoll in die Breite zieht. Direkt vor der Nase von Fahrer oder Fahrerin werden die wichtigsten Angaben angezeigt, die sich selbstverständlich konfigurieren lassen. Unmittelbar daran anschliessend findet sich der Touchscreen, der ebenfalls angepasst werden kann. Auf den ersten Blick mag das als etwas gar viel Informationsfluss direkt vor den Augen erscheinen, bei der ersten Probefahrt haben wir uns aber schon nach wenigen Minuten daran gewöhnt. Clever sind auch die grossen Toggles, über die sich Abkürzungen zu den wichtigsten Funktionen definieren lassen, physische Schalter gibt es nur noch am Lenkrad. Das sieht alles auch noch sehr gut aus, es bleibt viel Raum, es sind interessante Materialien verbaut. Einzig die grosse Stofffläche vor dem Beifahrer wirkt etwas unmotiviert. Dafür sind die Sitze ausgezeichnet, bestens konturiert, mit gutem Seitenhalt, trotzdem bequem. Und in Sachen Infotainment und Connectivity glauben die Franzosen ganz vorne mithalten zu können, ChatGPT soll dabei mithelfen.

Mit 520 Litern fällt der Kofferraum sehr grosszügig aus, die Ladekante liegt angenehm tief. Nicht ganz so überzeugend ist das Platzangebot allerdings in der zweiten Reihe, da gibt es Stromer im gleichen Segment, die deutlich mehr bieten. Allerdings ist auch der Radstand von 2.74 Metern für einen reinen Stromer nicht besonders lang. Das liegt daran, dass diese neue STLA-Medium-Plattform nicht nur rein elektrisch antritt, sondern auch weiterhin Verbrenner spazierenfährt. Vom e-3008 wird es auch eine Hybridversion geben, bei der ein 1.2-Liter-Dreizylinder mit 100 kW (136 PS) auf immer noch 1.6 Tonnen Leergewicht trifft.

Überzeugend

Doch kommen wir noch einmal zurück auf die Vernunft. Peugeot gibt für den e-3008 eine Reichweite von 527 Kilometern an, er befindet sich damit im vorderen Drittel der aktuellen Angebote. Später wird noch eine Allradversion mit je einem E-Motor an jeder Achse nachgereicht, ebenfalls mit 73-kWh-Akku, aber dann mit 235 kW (320 PS). Wer mehr Reichweite will, muss auf die Long-Range-Version warten, die mit 169 kW (230 PS), aber einer 90-KWh-Batterie bis zu 700 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. Man kann nun unken, dass diese Zahlen wie bei allen Stromern ins Land der Fantasie gehören, doch bei unserer Probefahrt mit der 210-PS-Version blieben wir trotz sehr offensiver Fahrweise klar unter der WLTP-Angabe des Werks: Die 15.7 kWh/100 km im Durchschnitt sind für diese – dem Charakter des Wagens nicht wirklich entsprechende – Fahrweise ein absolut überzeugender Wert. Mit etwas Vernunft dürften Werte unter 14 kWh/100 km möglich sein.

Bei der Preisgestaltung agieren die Franzosen sehr selbstbewusst, die 50'500 Franken Einstiegspreis haben nicht wirklich Schnäppchenpotenzial. Das liegt aber auch daran, dass im Peugeot nicht chinesische, sondern Batterien aus französischer Produktion verbaut sind. Bestellen kann man ab sofort, die ersten Fahrzeuge sollen noch im Frühling auf unsere Strassen kommen. Sie werden das Strassenbild sicher bereichern, optisch. Und es ist dem Peugeot auch Erfolg zu wünschen, weil er den mittelfristig sicher richtigen Weg der Zurückhaltung und Vernunft zu fahren versucht. 

Fotos: Peugeot, radical-mag.com

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