KGM Torres EVX – Neue alte Welt

Tristano Gallace | 14.03.2024

Kompakt-E-SUV Neuer Name, neues Design, neue Ausrichtung. KGM bringt die Elektroversion des Torres auf den Markt.

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Wer bei Wikipedia nach KGM sucht, findet zunächst nur die Begriffe Kirchengemeinde, Kunstgewerbemuseum oder Konsum-Grossmarkt. Dass sich hinter KGM der viertgrösste südkoreanische Automobilhersteller versteckt, der bis vor Kurzem noch Ssangyong hiess, dürfte nur eingefleischten Autoexperten bekannt sein. Der Hersteller wurde 1954 gegründet und 2022 im Zuge der Übernahme durch den KG-Konzern vor zwei Jahren von Ssangyong in KG Mobility umgetauft.

Einen höheren Bekanntheitsgrad in Europa erreichte Ssangyong um die Jahrtausendwende mit dem Ssangyong Rexton. Für dieses selbstentwickelte SUV wandten sich die Südkoreaner für den Antrieb an Technologiepartner Mercedes-Benz, welcher zuverlässige Diesel- und Ottomotoren lieferte. Rund 20 Jahre später wiederholt sich die Geschichte mit etwas anderen Vorzeichen, nun mit neuem Namen und altem Logo. Für den neuen elektrischen KGM Torres EVX suchten die Südkoreaner wieder einen Technologiepartner für den Antrieb und entschieden sich für den je nach Definition grössten Hersteller von Elektrofahrzeugen: BYD liefert für den Torres EVX den elektrischen Antriebsstrang inklusive Motor und Akku.

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Harter Softie: Vom robusten Outdoor-Image eines Geländewagens inspiriert, besitzt der Torres EVX technisch gesehen nur bedingt Offroad-Qualitäten.

Der KGM Torres EVX ist die vollelektrische Variante des seit zwei Jahren angebotenen Torres mit Benzinmotor. Der Name Torres wird von Torres del Paine, einem Nationalpark in Südchile, abgeleitet. Um das dortige Offroadgelände zu durchqueren, ist ein Fahrzeug mit Allradantrieb, gerne auch mit Sperren und Untersetzung, empfehlenswert. Der Torres EVX dürfte dort jedoch nicht sehr weit kommen. Das Elektro-SUV der südkoreanischen Marke verfügt weder über einen Allradantrieb noch über andere Geländehilfen, sondern hat trotz seines robust wirkenden Geländewagenlooks nur Frontantrieb.

Rustikales Design

Rein optisch betrachtet gibt sich der Torres EVX als Abenteurer, den fehlenden Allradantrieb sieht man ihm nicht an. Das rustikale Design erinnert an einen richtigen Geländewagen und zeigt sich auch gegenüber dem Verbrenner-Torres deutlich verändert und moderner. Obwohl der Torres EVX nur eine eingeschränkte Geländetauglichkeit bietet, drückt das Design genau diese Offroadfähigkeiten aus. Die hohe Front mit einer flachen LED-Leiste wirkt modern und die bei Elektrofahrzeugen typische, geschlossene Frontmaske ohne Lufteinlässe sehr wuchtig. Die Haltegriffe an der Fronthaube helfen vielleicht, um sich festzuhalten, wenn man Eis von der Frontscheibe kratzen will, eine weitere Anwendung erschliesst sich uns (noch) nicht. Durch eine Modifizierung des Unterfahrschutzes wird die Batteriekühlung gewährleistet. Am Heck mimt der Torres EVX den Geländewagen alter Schule mit einer Möchtegern-Reserveradmulde und einem grossen Griff auf der rechten Seite, an dem sich der Knopf zum Öffnen der Hecktür befindet. Dass sich diese dann aber als Klappe elektrisch nach oben öffnet und es statt eines Ersatzrads lediglich etwas Flickzeug mit Kompressor gibt, zeigt, dass es sich definitiv um einen soften On- und nicht um ­einen harten Offroader handelt.

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Der KGM Torres EVX gefällt mit guter Raumausnutzung. Der Innenraum wirkt aufgeräumt und bietet zahlreiche Ablagemöglichkeiten.

Der Innenraum bietet ansprechende Materialien mit einer guten Verarbeitung. Angenehm ist die aufgeräumte Optik mit den beiden miteinander verbundenen 12.3-Zoll-Bildschirmen. Zusammen nehmen diese knapp zwei Drittel der Breite des Armaturenbretts ein. Die völlige Verbannung physischer Knöpfe mag Geschmacksache mit Vor- und Nachteilen sein. Das Infotainment in der Fahrzeugmitte reagiert schnell, wäre aber mit einer weniger verschachtelten Menüführung noch besser. Navigation, Audio, Fahrzeugfunktionen, Fahrassistenten, Klimaanlage sowie Sitzheizung und -klimatisierung lassen sich vom Display aus bedienen. Innovativ ist der rasch aktivierte Schlummermodus, der Audio und Hinweismeldungen nur auf die Lautsprecher von Fahrer und Beifahrer überträgt. Schlafende Kinder sorgen für entspannte Eltern, mit dem aktivierten Modus sorgt der Torres EVX dafür, dass Reihe zwei akustisch nicht gestört wird. Nicht mehr auf dem Stand der Technik ist die Konnektivität des Elektro-SUV. Wer Apple Carplay oder Android Auto nutzen möchte, kann dies lediglich über Kabel tun.

Für Passagiere ist vorne wie hinten ausreichend Platz. Der lange Radstand von rund 2.70 Metern kommt besonders der Beinfreiheit der Fondpassagiere, aber auch dem Kofferraumvolumen von über 700 Litern zugute. Die vielen praktischen Ablagemöglichkeiten sind auch ein grosses Plus.

Sportlichkeit in Grenzen

Das Elektro-SUV besitzt eine Akkukapazität von 73 kWh und erreicht eine rechnerische Reichweite von rund 400 Kilometern. Mit rund zwei Tonnen Gewicht gehört der Torres EVX ins bessere Mittelfeld, in der Gewichtsklasse der Elektro-SUV muss man darüber fast schon jubeln. Zwar kommt die Motorleistung von 152 kW (207 PS) mit dem Torres EVX gut zurecht, ein übermässig schneller Sprinter ist er dennoch nicht. Auch querdynamisch setzt der Torres EVX in punkto Sportlichkeit keine Massstäbe. Die flotte Hatz endet rasch mit Traktionsverlust, was entweder scharrende Vorderräder oder beachtliches Schieben über selbige zur Folge hat. Die für die Schweiz bestimmten KGM Torres EVX werden laut Importeur mit einer höherwertigen Reifenalternative ausgeliefert. Das macht das SUV nicht zwangsläufig zu einem Kurvenkünstler, unterstützt jedoch die elektronischen Helferlein. Doch ob die Sicherheit mit den vielen Warnmeldungen der Spurhalte-, Geschwindigkeits- und Müdigkeitsassistenten dazugewinnt, sei dahingestellt. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass diese mit ihrem übereifrigen Gepiepse gehörig aufs Gemüt schlagen und vor Fahrtantritt mit Sicherheit oft deaktiviert werden. Andernfalls wird man eher abgelenkt statt unterstützt.

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Über lange Bodenwellen bettet der Torres EVX seine Insassen weich hinweg, bei kurzen Bodenwellen kann er dann aber schon einmal bocken. Dann schütteln die MacPherson-Federbeine vorne und die Mehrlenkerachse hinten das Fahrzeug ordentlich durch. In Kurven profitiert das Fahrwerk von seinem niedrigen Schwerpunkt, ein Wanken lässt sich erst bei höheren Kurventempi nicht mehr unterdrücken. Als sehr angenehm empfanden wir die intelligente Rekuperation. Und wenn diese einmal doch nicht so smart ist, kann man über Wippen hinter dem Lenkrad unmittelbar nachhelfen. Besonders auf längeren Autobahnetappen unterstützt ein 360-Grad-Sensor-System den Fahrer und ermöglicht entspanntes, teilautonomes Fahren.

Bei unserer Testfahrt, bei der wir auch auf Autobahnen rund ums türkische Istanbul mit rund 140 km/h unterwegs waren, zeigte uns der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von fast 21 kWh/100 km an. Beim Laden gibt es noch ein paar Fragezeichen. So soll laut KGM der Akku bestenfalls in 37 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden. An einer 100-kW-Ladestation braucht es für die Füllung von zehn auf 80 Prozent fünf Minuten mehr. An einer AC-Wallbox liegen dreiphasige 11 kW drin, und die leeren Energiespeicher sind innerhalb von neun Stunden gefüllt.

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Fotos: KGM

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