Jeep Avenger e-Hybrid – Mit weniger Strom zum Erfolg?

Simon Tottoli | 28.03.2024

Hybrid-SUV Obwohl Auto des Jahres 2023, ist der Jeep Avenger nicht allzu oft auf unseren Strassen anzutreffen. Eine ­Hybridversion soll das ändern. Allradantrieb gibts später auch.

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Wenn ein Modell während eines Kalenderjahres exakt 293-mal zugelassen wird, ist das auch für Schweizer Verhältnisse relativ wenig. Selbst dann, wenn man weiss, dass die ersten Fahrzeuge erst im Mai den Weg zu den Händlern fanden und eingelöst werden konnten. Nein, der Jeep Avenger ist noch nicht so richtig in Fahrt gekommen, aber das liegt vermutlich mehr am Antrieb als am Auto selbst. Ganz sicher aber liegt es am Preis. Denn der Jeep Avenger war bei der Markteinführung im Mai 2023 ausschliesslich mit vollelektrischem Antrieb zu haben und startete bei knapp 40 000 Franken. Das ist selbst für einen Siegertyp – das Modell konnte sich die Auszeichnung zum Auto des Jahres 2023 sichern – zu viel. Denn letztlich bewegt sich der Avenger mit seinen 4.08 Metern Länge im B-Segment, ist also ein eher kleines Auto.

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Schon im Laufe des vergangenen Jahres gab es Verkaufsunterstützung in Form einer weiteren Antriebsvariante mit 1.2-Liter-Turboaggregat und 74 kW (100 PS). Diese ausschliesslich mit Handschaltung erhältliche Motorisierung war aber ursprünglich nur für die Märkte in Italien und Spanien vorgesehen, wo die Infrastruktur ohnehin nicht mit den ehrgeizigen Elektrifizierungsplänen Schritt halten kann. In der Schweiz wurde der Benziner deshalb nur dezent beworben, und es gab lediglich Fahrzeuge ab Lager zu kaufen. Entsprechend homöopathisch fielen die Zulassungszahlen aus, nur ein paar Dutzend Benzin-Avenger wurden eingelöst, die überwiegende Mehrheit der 293 im Jahr 2023 zugelassenen Avenger verfügt also über den elektrischen Antrieb mit 115 kW (156 PS).

Perfekte Mischung

Europaweit bestellten bislang 70 000 Kunden einen Avenger, rund jeden dritten mit elektrischem Antrieb. Alleine in Deutschland wurden 5000 Elektro-Avenger zugelassen, in Italien ist er der meistverkaufte Stromer seines Segments. Das ändert aber alles nichts an der Tatsache, dass die Kunden speziell in diesem Segment eher zurückhaltend sind, wenn es darum geht, sehr viel Geld für ein eher kleines Auto auf den Tisch zu legen. Der Umstand, dass jemand, der lieber nicht selber schalten will, zwingend zum Stromer greifen muss, hilft auch nur bedingt.

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Äusserlich sieht man dem Avenger seine neue Hybridtechnik nicht an. Nur das grüne E am Heck deutet dezent darauf hin.

Das Auto hat aber zweifelsfrei Potenzial. Das weiss auch Jeep, schliesslich wird ein Auto nicht einfach so zum Auto des Jahres gekürt. Nur müssen die Kundenwünsche besser berücksichtigt werden. Dies soll nun die dritte Antriebsvariante im Portfolio erledigen, ein Mildhybrid mit einer Nennleistung von ebenfalls 74 kW (100 PS), der an ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt ist. Dazu kommt ein 48-Volt-Riemenstartergenerator. Eigentlich ist der von Jeep verwendete Begriff Mildhybrid nicht ganz zutreffend, denn im Getriebe ist ein 21 kW (29 PS) starker Elektromotor installiert, der das Auto bei tiefen Geschwindigkeiten auch einige Hundert Meter alleine bewegen kann, etwa in Tempo-30-Zonen sowie beim Rangieren und Parkieren. Andere nennen so etwas Vollhybrid, Jeep spricht von E-Hybrid.

Viel wichtiger als die Definition dieses Hybridsystems ist sowieso dessen Funktion. Und von dieser konnten wir uns bei Testfahrten in und um Balocco (I) ein Bild machen. Es zeigte sich schnell, dass Jeep hier eine ideale Mischung gefunden hat: Der Antriebsstrang geht natürlich nicht so bissig zu Werke wie die vollelektrische Variante, aber untermotorisiert fühlt sich der Avenger e-Hybrid in keiner Lebenslage an. Das hängt auch mit seinem verhältnismässig niedrigen Gewicht zusammen, er wiegt leer 1288 Kilogramm, rund 200 Kilogramm weniger als der Avenger Elektro. Jeep beziffert das Mehrgewicht des Antriebsstrangs inklusive Batterie gegenüber dem reinen Verbrenner auf 60 Kilogramm – inklusive Doppelkupplungsgetriebe.

Vor allem in der Stadt effizient

In Anbetracht des Treibstoffeinsparpotenzials von laut Jeep 13 Prozent ist dieser Gewichtsaufschlag sicher vertretbar. Umso mehr, da der Verbrauch im Stadtverkehr nach WLTP sogar um 28 Prozent tiefer ausfallen soll. Was das in absoluten Zahlen bedeutet, war bei Redaktionsschluss noch nicht offiziell bekannt, aber auf den Testfahrten fuhr der Avenger e-Hybrid beim Durchqueren von Ortschaften tatsächlich ziemlich oft elektrisch. Laut Bordcomputer lagen wir dort bei einem Verbrauchswert von unter fünf Litern, ausserorts und auf der Autobahn wurden je nach Geschwindigkeit zwischen sechs und acht Liter angezeigt.

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Keine offenen Fragen: Das sonst bei vielen Stellantis-Modellen kritisierte Infotainment lässt sich im Avenger dank vieler Hardwaretasten problemlos bedienen. Das Platzangebot ist ausreichend.

Den aktuellen Betriebszustand verkündet der Avenger e-Hybrid im Fahrerinformationsdisplay. Dort ist auch der aktuelle Füllstand der 0.9-kWh-Lithium-Ionen-Batterie unter dem Fahrersitz ersichtlich. Damit diese immer wieder aufgeladen wird, verzögert der Hybrid-Avenger beim Loslassen des Gaspedals etwas stärker als ein normaler Benziner. Davon spürt man als Fahrer aber wenig, man kann einfach beobachten, wie sich der Ladestand beim Ausrollen und natürlich beim Bremsen mittels Rekuperation wieder erhöht.

Offroad ist ein Muss

Der Avenger e-Hybrid wird vorerst nur mit Frontantrieb angeboten, so wie der Elektro-Avenger und jener mit dem nicht elektrisch unterstützten Benzinmotor. Natürlich erwartet man von einem Jeep aber Allradantrieb, schliesslich gehört das zur DNA dieser amerikanischen Marke (die immer noch amerikanisch ist, aber nur noch teilweise in den USA produziert). Deshalb will Jeep spätestens Ende Jahr eine 4xe-Variante auf den Markt bringen, die voraussichtlich 100 kW (136 PS) leistet und einen zusätzlichen Elektromotor für die Hinterachse bekommt.

Bis der Allrad-Avenger definitiv lanciert wird geschweige denn zu kaufen ist, dauert es also noch ein Weilchen. Vorher müssen es die Modelle mit Frontantrieb richten, was ihnen dank mindestens 200 Millimeter Bodenfreiheit, 19 Grad Böschungswinkel vorne und 33 Grad hinten gar nicht so schlecht gelingt. Um die nicht angetriebenen Hinterräder vergessen zu machen, verfügt der Jeep Avenger e-Hybrid serienmässig über sechs Fahrmodi, drei für Stadt- und Langstreckenfahrten, drei weitere für die Abenteuerlustigen. Sie heissen Sand, Schlamm und Schnee. Dazu kommt eine Bergabfahrkontrolle.

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Alles ohne Allrad: Dank verschiedener Fahrmodi und ausreichend Bodenfreiheit meistert der Jeep Avenger auch mit Frontantrieb problemlos leichte bis mittelschwere Offroadaufgaben.

Einen echten Allradantrieb können solche Spielereien natürlich nicht ersetzen, aber auf dem Offroadparcours des Stellantis-Konzerns in Balocco gab sich der Avenger wirklich keine Blösse. Ob Steigungen, Gefälle, Schrägfahrten oder Verschränkungen: Das Auto meisterte all diese Herausforderungen mit Bravour. Zumindest im normalen Alltag muss niemand mehr beherrschen. Da die Offroadfähigkeiten nicht mit rumpligem Fahrverhalten auf der Strasse erkauft werden müssen – wie schon der Avenger Elektro überzeugt auch der e-Hybrid hier mit überraschend grosser Agilität und einer präzisen Lenkung –, darf man Jeep attestieren, eine durchaus gelungene Fahrwerksabstimmung gefunden zu haben.

Neue Option Schiebedach

Bleibt die Frage nach dem Preis. In der Schweiz startet der Avenger e-Hybrid als Variante Black Kite bei 26 990 Franken. Die nächsthöheren Ausstattungslinien Swiss Altitude und Summit kosten 32 490 respektive 34 490 Franken. Nur für sie gibt es als neue Option das Glasschiebedach und optional (Swiss Altitude) oder serienmässig (Summit) autonomes Fahren nach Level 2. 

Fotos: Jeep

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