Martin Sigrist | 02.05.2024
Frisch gemacht Der Kodiaq kam 2016 auf den Markt und verkaufte sich seither 866 000-mal. Nun folgt eine Neuauflage des Bestsellers.
Der Kodiaq ist eine Skoda-Erfolgsstory – ein guter Grund, den Nachfolger nicht zu revolutionieren, sondern schlau weiterzuentwickeln.
Gutes besser zu machen und das Interesse an einem Produkt aufrechtzuerhalten, ist eine der Kernaufgaben einer gelungenen Modellpflege. Der Skoda Kodiaq hatte nie grosse Schwächen, also durfte man keine revolutionären Umwälzungen erwarten. Als solides Angebot besticht das tschechische SUV nicht mit Höchstleistungen und Knüllerangeboten, sondern mit seiner Ausgewogenheit, einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und einem gefälligen Design, das ihm in einem zunehmend uniformer werdenden Konkurrenzumfeld stets ein gewisses Mass an Eigenständigkeit verlieh. Beim Antrieb gab sich der Kodiaq genauso vielseitig wie bei seinem Innenraum, der bei Bedarf und der entsprechenden Ausstattung selbst sieben Personen Platz bieten kann.
Im Angebot standen bis anhin Benziner, Diesel und ein Plug-in-Hybrid. Diese Motorisierungen bietet auch der neue Kodiaq – mit einer wichtigen Neuerung beim PHEV: Nun hat auch der Skoda Kodiaq, wie andere Modelle im VW-Konzern, eine verbesserte elektrische Reichweite. Doch was heisst verbessert? Sie wurde geradewegs verdoppelt. Bis zu 100 Kilometer Fahrdistanz ohne Start des Verbrennungsmotors oder aber 900 Kilometer im kombinierten Betrieb versprechen die Tschechen für ihr grosses SUV. Möglich ist das dank einer doppelt so grossen Batterie von neu rund 25 kWh Kapazität und eines Benzintanks, der trotz des erhöhten Platzbedarfs der Batterie immerhin noch 45 Liter fasst. Gegen Ende des Jahres erhält der Kodiaq auch den bewährten Zweiliter-Benzinmotor, der wie der 1.5-Liter-Plug-in-Hybrid eine Leistung von 150 kW (204 PS) bietet. Darauf wird auch der kommende Kodiaq RS bauen. Sofort lieferbar sind aber der 1.5-Liter-eTSI-Mildhybrid mit 110 kW (150 PS) und ein Zweiliter-Dieselmotor. Diese 142 kW (193 PS) starke Variante mit Allradantrieb ist besonders für Schweizer Wohnwagenfahrer und Pferdesportler interessant und dürfte nach wie vor sehr gute Verkaufschancen bei all jenen haben, die soliden Vortrieb und Zuverlässigkeit ohne Schnickschnack suchen. Dass dieser Teil der Kundschaft weiterhin viel Beachtung von Skoda geniesst, zeigen die Aussagen von CEO Klaus Zellmer: «Die Zukunft wird klar elektrisch, aber bis zum erwarteten Verbrennerverbot 2035 bieten wir unseren Kunden Autos an, nach denen sie auch verlangen.» Damit beantwortet der Skoda-Chef die Frage, ob der Kodiaq noch in die moderne Autowelt passt, gleich selbst: «Die Kunden bestimmen zu Recht, wofür sie ihr Geld ausgeben!» Angesichts der aktuellen Zurückhaltung bei E-Auto-Käufen in Europa liegt Skoda mit dem Kodiaq vermutlich genau richtig – wieder einmal. Bis dato war das SUV der am dritthäufigsten nachgefragte Wagen der Marke. Trotz des starken Fokus auf den Status quo sieht Zellmer im neuen Kodiaq aber auch ein deutliches Zeichen für die Zukunft. «Die Reichweite des Plug-in-Hybrids ist ein Gamechanger», erklärt der Deutsche. Damit dürfte er recht haben. Mit knapp 100 Kilometern genügt die elektrische Reichweit einer grossen Mehrheit der Autofahrer für ihre täglichen Fahrten. Mit einer maximal möglichen DC-Ladeleistung von 50 kW reichen rund 30 Minuten aus, den Wagen wieder voll einsatzbereit zu machen. Und wer seinen Kodiaq an einer eigenen Wallbox oder gar mit Strom vom eigenen Dach laden kann, kann in unter drei Stunden die nötige Reichweite längstens wieder hereinholen. In der Praxis ist so eine erstaunliche Distanz ohne jegliches Zutun des Verbrennungsmotors möglich, die 45 Liter Benzinreserve bleiben auf kürzeren Alltagsstrecken unangetastet. Einziger Minuspunkt, zumindest für den Schweizer Markt: Den PHEV-Kodiaq gibt es weiterhin nicht mit Allradantrieb.
Mit einem Plug-In-Hybrid, einem 2.0 Diesel und einem 1.5 Mildhybrid-Benziner stehen demnächst drei Motorisierungen zur Auswahl. Gegen Ende des Jahres wird der Zweiliter Benzinmotor das Angebot nach oben abrunden.
Detailversessen
In vielen anderen Punkten aber hat man bei Skoda an den richtigen Stellen für Verbesserungen gesorgt. So bietet der Kofferraum 80 Liter mehr Volumen, und bei der optionalen, dritten Sitzbank sorgen 15 Millimeter mehr Kopffreiheit für etwas mehr Komfort. Die Bedienung wurde vereinfacht, für verschiedene Funktionen, besonders für die Klimatisierung, gibt es drei Dreh-Drück-Schalter. Skoda nennt sie Smart Dials und platzierte sie griffgerecht unterhalb des 13 Zoll grossen Zentralbildschirms. Über eine aktive Touchzone in der Mitte lässt sich der Bereich der Schalter festlegen, der geregelt werden soll, das Drehrad dient so beispielsweise zum Verstellen der Temperatur, des Lüfters, aber wahlweise auch der Lautstärke oder des Fahrmodus. Verwundert nimmt man zur Kenntnis, dass der Wählhebel von der Mittelkonsole an den Lenkstock gewandert ist. Allerdings haben es sich die Tschechen verkniffen, ein System wie bei Mercedes zu verbauen – oder die Herren im Haus Volkswagen haben den Tschechen der Einkauf-Skaleneffekte wegen verboten, eine Extrawurst zu verlangen. Es ist übrigens derselbe Hebel wie im VW ID.7 (s. Testbericht Seiten 12/13 dieser Ausgabe). Hat man sich einmal an ihn gewöhnt – oder besser: den Dreh raus –, funktioniert der Schalter problemlos. Dieser Schritt führt zu einer aufgeräumten Instrumententafel, was laut Skoda der Grund für diese Wahl war. Dazu gibt es auf dem Armaturenbrett zumindest in der Spitzenversion Sichtnähte im Kreuzstich. Ein Head-up-Display bei den höherwertigen Ausstattungsvarianten ergänzt das neue Instrumentenbord.
Die Mischung aus Touchscreen und Multifunktions-Dreh-Drück-Schaltern für die Bedienung stimmt. Die Innenraumgestaltung soll Gemütlichkeit wie im Wohnzimmer verbreiten. Das braune Leder ist mit Kaffee gefärbt, eine nachhaltige Lösung.
Mobiles Wohnzimmer
Einziehen und wohlfühlen. Etwa so beschreibt Skoda das angestrebte Ambiente im neuen Kodiaq. Dazu gibt es eine sorgfältige Materialwahl, und auch dem Thema Nachhaltigkeit wollen die Tschechen besser gerecht werden. Die Polsterstoffe sind aus rezykliertem PET, die bereits zu Klassikern gereiften Skoda-Spezialitäten Eiskratzer, Schirm und Einfülltrichter für das Scheibenwischwasser bestehen aus zurückgewonnenem Kunststoff. Das ist nicht die Welt, aber ein Anfang. Einen besonderen Weg geht Skoda auch beim verwendeten Leder. Statt mit Chemie ist es, salopp formuliert, mit Kaffeesatz gefärbt. Das erinnert ein wenig an Ostern und ans Eierfärben. Egal, ob sie mit Leder oder Stoff aus PET bezogen sind, werden die von der Aktion Gesunder Rücken (AGR) zertifizierten Sitze der Wohnzimmeridee gerecht, sind gemütlich und verfügen in der Spitzenausstattung gar über eine Massagefunktion mit Druckluft.
Auch rund ums Auto herum gibt es eine Reihe von erwähnenswerten Neuerungen wie die LED-Matrix-Scheinwerfer mit je 36 Lichtelementen. Die Beleuchtung kennt einen City-Modus, der die optische Vielfalt im dichten Verkehr berücksichtigt, dazu gesellen sich ein Cross-Country-Modus für die Fahrt abseits befestigter Strassen und ein Highway-Modus für die weit vorausschauende Fernsicht. Mit dem Schlechtwetter-Modus werden die Leuchteinheiten zudem dem Problem der eigenen Blendwirkung bei dichtem Regen oder nasser Fahrbahn gerecht. Es sind die Details, die den neuen Kodiaq auszeichnen.