Mini Cooper Electric – Eine neue Ära

Dave Schneider | 17.05.2024

Umgebürgert Mit E-Antrieb
gab es den Mini schon. Doch die 
neue Generation ist made in China.
Auf den Fahrspass wirkt sich 
das nicht negativ aus. Positiv auf 
die Preise aber auch nicht.

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Sehr viel britischer als der Mini kann ein Auto gar nicht sein. Der von 1959 bis 2000 vorwiegend von der British Motor Corpora­tion (BMC) gebaute Winzling sprüht vor Charme und Witz, verkörpert grosse Namen der britischen Autoindustrie wie Austin, Morris, British Leyland und Rover und ist auch in seiner Entstehungsgeschichte very british: Der Legende nach soll Alec Issigonis, der später in den Adelsstand erhoben wurde, den ersten Entwurf auf eine Serviette im Pub skizziert haben.

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Der Mini ist auch in der neusten Generation sofort als solcher zu erkennen. Bei der Gestaltung haben die Designer eine reduzierte Linie verfolgt, das Auto wirkt aber immer noch charismatisch.

Es kann nur spekuliert werden, ob Sir Alec über die jüngste Entwicklung seiner berühmtesten Schöpfung «amused» gewesen wäre – er verstarb bereits 1988 und hat weder den Verkauf von Rover inklusive des Mini an BMW im Jahr 2000 noch die moderne Neuauflage unter deutscher Regie ein Jahr später miterlebt. Wir tippen auf «not amused». Genauso wenig dürfte ihm gefallen haben, dass sein Mini, notabene mit 5.38 Millionen verkauften Exemplaren das meistverkaufte britische Auto ever, im Jahr 2024 zu einem chinesischen Elektroauto mutierte.

«Charismatische Schlichtheit»

Sei es drum. Der Mini fährt im Jahr 2024 so vor, wie er es eh und je getan hat – jung, bunt und frech. Die Länge des Dreitürers von 3.86 Metern ist praktisch unverändert im Vergleich zum Vorgängermodell, dennoch wirkt der neue präsenter, was auch an den grösseren, breiteren Rädern liegt. Seine Karosserie ist auffallend glatt und schnörkellos gezeichnet, ein reduziertes Design mit flächenbündigen Türgriffen, ohne Kotflügelverbreiterungen und ohne klassische Seitenschweller. «Charismatische Schlichtheit» nennt Designchef Oliver Heilmer diese neue Gestaltungssprache mit einem definierten Ziel: «Die Idee dahinter ist ein Design, das jedem neuen Mini-Modell einen starken, individuellen Charakter verleiht und sich durch eine klare, reduzierte Designsprache auszeichnet.»

Auch im Interieur ist das Verspielte etwas in den Hintergrund getreten, alles wirkt trotz des runden OLED-Screens sachlich – mit Ausnahme der kindischen Animation. Auf der Rückbank gibt es unerwartet viel Platz.

Der Innenraum ist ebenfalls sehr reduziert gestaltet, das ist typisch für die Marke. Im Cockpit wird das minimalistische Layout des ersten Mini von 1959 aufgegriffen: ein rundes Kombiinstrument in der Mitte und eine Kippschalterleiste darunter, that’s it. Hinter dem sehr dicken Lenkrad zeigt ein optionales Head-up-Display die wichtigsten Fahrinformationen auf einer kleinen Plexiglasscheibe an, ohne dieses Feature muss der Fahrer den Blick jedoch immer in die Mitte richten, um das gefahrene Tempo ablesen zu können. Eine Unart, die Tesla eingeführt hat und nun von chinesischen Herstellern nach und nach übernommen wird. Der grosse, runde OLED-Touchscreen ist allerdings ein Highlight: gestochen scharfes Display, reaktionsschnell und intuitiv bedienbar – top.

Der Kofferraum bietet mit 210 Litern ein überschaubares Volumen, es lässt sich durch Umklappen der Rücksitze immerhin auf 800 Liter erweitern.

Die Platzverhältnisse sind gut, sogar hinten sitzt man einigermassen bequem, was bei dieser Fahrzeuggrösse nicht selbstverständlich ist. Die Ausstaffierung ist optisch schön, haptisch lässt sie hier und da etwas Hochwertigkeit vermissen. Hartplastik, das mit textilen Materialien bezogen wurde, sieht zwar besser aus, fühlt sich aber immer noch nach Hartplastik an. Dennoch ist das Ambiente angenehm, hier steigt man gerne ein. Verschiedene Experience-Modes, die auch einen Einfluss auf das Fahrverhalten haben, lassen das Infotainmentsystem und die Ambientebeleuchtung in unterschiedlichen Designs und Farben erstrahlen. Ein Projektor auf der Rückseite des runden Displays taucht das Armaturenbrett in passende Farbschemata und -muster – clever. Drei Modes sind serienmässig (Core, Green und Go-Kart), vier weitere sind gegen Aufpreis erhältlich.

Kindische Gimmicks

Es ist schon länger bekannt, dass Mini ab 2030 rein elektrisch sein will. Bis es so weit ist, werden die Modelle alternativ noch mit Verbrennungsmotoren angeboten – mit Ausnahme des neuen Aceman, der ausschliesslich mit E-Antrieb erhältlich ist. Spannend ist, dass die elektrischen Versionen des neuen Mini Cooper auf einer chinesischen Plattform stehen und auch in China gebaut werden, während die Verbrennervarianten weiterhin aus Grossbritannien kommen. Der China-Einfluss ist auch beim digitalen Angebot merkbar: Der neue Sprachassistent, der mit «Hey, Mini» aktiviert werden kann, wird von einer verspielten Animation begleitet, wahlweise einer stilisierten Darstellung eines Mini oder einem Comic-Hund namens ­Spike. Diese kindische Interaktion mit einem Avatar ist im Reich der Mitte inzwischen unverzichtbar. Für uns ist sie gewöhnungsbedürftig.

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Doch nun zu dem, was ein Mini am besten kann, das Fahren. Auch das kann der chinesische Mini richtig gut. Die von Kooperationspartner Great Wall Motors (GWM) stammende Plattform wurde von den deutschen Ingenieuren auf das markentypische, knackige Fahrverhalten getrimmt. Dank der zwischen den Achsen platzierten Lithium-Ionen-Batterie ist der Schwerpunkt tief und zentral, und das ist spürbar. Der Kleine lenkt nicht nur gierig ein, sondern bleibt in der Kurve lange neutral. Störende Wankbewegungen wurden dem Cooper abtrainiert. Dennoch ist das Set-up von Federung und Dämpfern nicht bretthart – ein sehr gelungener Mix aus kompromisslosem Kurvenräubern und komfortablem Abrollen.

Mehr Reichweite

Zwei Antriebsvarianten stehen für den elektrischen Mini zur Wahl. Der Mini Cooper E stemmt 135 kW (184 PS) und 290 Nm auf die Vorderräder, beschleunigt in 7.3 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Der von uns gefahrene Cooper SE schafft mit 160 kW (218 PS) und 330 Nm eine Sprintzeit von 6.7 Sekunden und einen Topspeed von 170 km/h. Diese Werte hauen im aktuellen Stromerumfeld keinen mehr vom Hocker, doch in den Serpentinen einer Landstrasse oder im Gewusel der Grossstadt fühlt sich das sehr spritzig an.

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Mini betont aber den urbanen Charakter des neuen Elektro-Coopers, und das aus gutem Grund. Denn auch wenn die Normreichweite im Vergleich zum Vorgänger deutlich gestiegen ist – dieser schaffte einen WLTP-Wert von lediglich 203 Kilometern –, ist auch das neue Modell kein Langstreckenchampion. Immerhin schafft der Cooper E mit 40.7-kWh-Akku eine Normreichweite von 305 Kilometern, der Cooper SE mit einer 54.2 kWh grossen Batterie soll bis 402 Kilometer schaffen. Das entspricht Normverbräuchen zwischen 13.8 und 14.7 kWh – auf unserer Probefahrt auf kurvigen Strassen im hügeligen Hinterland von Barcelona (E) waren es 21 kWh. Das Ladetempo wurde dafür deutlich gesteigert. Der Vorgänger musste sich mit einer DC-Ladeleistung von 49 kW begnügen, der E schafft jetzt wenigstens 75 kW, der SE 95 kW. So ist der Akku in knapp 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen. Daheim an der Wallbox zieht der neue Elektro-Cooper mit maximal 11 kW.

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«Mit seinem Elektroantrieb und seinem puristischen Design passt der neue Mini Cooper perfekt zum urbanen Lebensstil», ist Mini-Chefin Stefanie Wurst überzeugt. Tatsächlich lässt das neue Modell in keiner Hinsicht den Verbrenner vermissen – die E-Version fährt sich grossartig, bietet ausreichend Reichweite und kann einigermassen flott geladen werden. Der Preis schliesslich dürfte der Knackpunkt sein, das weiss auch der Hersteller. Hierzulande werden die neuen Mini Cooper E und SE ab 40 690 respektive ab 44 390 Franken angeboten, in der Topausstattung JCW sind es je fast 11 000 Franken mehr. Damit ist der Lifestyleflitzer made in China nicht billig. Das war der Mini aber noch nie, seit BMW im Jahr 2001 das Ruder übernommen hat. 

Fotos: Mini

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