Skoda Octavia – Sinn ohne Sinnlichkeit

Simon Tottoli | 24.05.2024

Praktiker Skoda hat seinen Bestseller Octavia überarbeitet. Und auch für den neuen Octavia gilt, was für das Modell seit bald 30 Jahren gilt: Er macht Sinn, berührt die Sinne aber nur dezent.

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Nein, grosse Emotionen vermochte so ein Octavia noch nie auszulösen. Das ist aber positiv gemeint, denn das 1996 unter den Fittichen von VW wieder in einer modernen Form eingeführte Modell überzeugte von Beginn an mit viel Nutzwert, gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und einer beruhigenden Sachlichkeit. Es punktete mit rationalen Argumenten statt mit betörenden Eigenschaften. Selbst die sportlichen RS-Modelle halten sich bis heute mit übertriebener Effekthascherei zurück.

Gewohnt sachlich: Auch der facegeliftete Octavia, den es in der Schweiz nur als Kombi gibt, ist unaufgeregt gezeichnet.

Wer bei einem Auto primär auf Praktikabilität Wert legt, fährt auch mit dem neusten Octavia sehr gut. Es handelt sich dabei um die 2020 eingeführte vierte moderne Generation, die nun überarbeitet wurde. Man sieht das dem Octavia nur bedingt an, aber das ist auch typisch für den Bestseller, der optisch nie aus der Reihe tanzt, sondern sich dezent weiterentwickelt. Riskante Designspielereien passten auch nicht zu diesem Modell, das seit 2020 sage und schreibe 67.1 Prozent aller Verkäufe der Marke ausmachte.

Sanft aufgefrischt

So beschränken sich die Veränderungen aussen auf neu gestaltete vordere und hintere Stossfänger sowie einen modifizierten Kühlergrill. Dazu kommen die neuen Scheinwerfer mit angepasster Tagfahrlichtsignatur – beinahe die auffälligste Anpassung gegenüber dem Vor-Facelift. LED-Technik ist vorne wie hinten immer Serie, gegen Aufpreis gibt es Matrixstrahler vorne und dynamische Blinker am Heck. Und neue Felgendesigns. Ebenfalls neu ist die Modellversion Sportline, die mit einigen glanzschwarzen Akzenten optisch ein bisschen auf RS macht und mit drei weiteren Linien – Essence, Selection und eben RS – ein Quartett bildet. Entsprechend angepasste Schriftzüge und neue Logos gaben die Designer dem Octavia auch noch mit. Das wars dann aber im Grossen und Ganzen.

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Der Sportline macht aussen wie innen einen auf kleinen RS, ist aber auch mit 115-PS-Einstiegsbenziner zu haben.

Innen fallen die Neuerungen etwas mehr ins Auge, etwa in Form des stets serienmässigen Zehn-Zoll-Digitalcockpits und des ebenfalls ab Werk verbauten Infotainment-Touchscreens mit identischer Diagonale. Optional kann auf einen 13 Zoll grossen Zentralbildschirm upgegradet werden. Verbesserte Konnektivität ist für ein Facelift heute beinahe selbstverständlich, mit der My-Skoda-App gibt es zahlreiche mobile Onlineservices, über die auch die Parkgebühren bezahlt werden können. Stichwort Apps: Das Smartphone lässt sich induktiv mit 15 Watt laden oder über einen der vier USB-C-Anschlüsse mit 45 Watt. Der Octavia selbst gibt sich ebenfalls ziemlich smart. Die Sprachassistentin Laura setzt die wichtigsten Befehle jetzt schon recht gekonnt um, spätestens mit der bevorstehenden Einführung der Chat-GPT-Funktionalität wird sie dann ein schlaues Mädchen, das auch im Internet nach Antworten recherchieren kann. Die Grafiken des grossen Bildschirms gefallen mit guter Auflösung, lediglich quer verlaufende Fahrbahnen in der Navigationsansicht flackerten während der Testfahrten etwas unschön.

Besonders stolz ist Skoda auf die im Innenraum verwendeten rezyklierten Materialien etwa für die Türverkleidungen und Sitzbezüge. Die abgebildeten Sportsitze sind im Sportline serienmässig.

Was man nicht wirklich erkennt, aber für ein besseres Gewissen sorgt, sind die nachhaltigen Bezugsstoffe der Sitze. Das Leder der Designlinie Selection Suite – eine von neun für das Interieur – wird mit nachhaltigen Stoffen wie Schalen von Kaffeebohnen gegerbt. Diese Sitze tragen das Gütesiegel der Aktion gesunder Rücken und verfügen über Belüftungs- und Massagefunktionen. Auch weitere Interieur-Designs, etwa Sport­line, die sinngemäss bei der Ausstattungslinie Sportline inbegriffen ist, verwenden nachhaltige Materialien, etwa für die Sitzbezüge. Das Gleiche gilt für die markentypischen Symply-clever-Fea­tures wie den Eiskratzer im Tankdeckel oder den optionalen Regenschirm in der Vordertür.

Keine Antriebsexperimente

Im Rahmen der Präsentation des Facelift-Octavia im tschechischen Mikulov betonten die Ingenieure um Johannes Neft, Vorstand für technische Entwicklung, dass der Octavia nun ausschliesslich mit Vierzylindermotoren vom Band läuft. Das Einstiegsmodell, das bislang mit einem 81 kW (110 PS) leistenden Dreizylinder auskommen musste, bekommt einen 1.5-Liter-Vierzylinderturbo. Er leistet 85 kW (115 PS) und ist mit einem manuellen Sechsgang-Getriebe oder einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe erhältlich. Wer mehr Power will, kann den gleichen Motor auch mit 110 kW (150 PS) haben, in der Schweiz aber nur zusammen mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Bei den Doppelkupplern ist Mildhybridtechnik in Form eines 48-Volt-Startergenerators an Bord. Beide Leistungsstufen verfügen ausserdem über ein aktives Zylindermanagement mit bedarfsgerechter Deaktivierung von zwei Brennräumen bei geringem Leistungsbedarf.

Wer es noch etwas zurückhaltender mag, kann sich für die Designlinie Selection entscheiden. 

Einen Diesel bietet Skoda bemerkenswerterweise auch in der Schweiz weiterhin an, allerdings nur die stärkere Ausbaustufe des Zweiliters mit 110 kW (150 PS), die es ausnahmslos mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gibt. Später folgen noch zwei stärkere Zweiliter-Benzinmotoren, die mittels höherem Einspritzdruck (350 bar) und variablem Ventilhub optimiert wurden. In Verbindung mit ­einer höheren Kompression (12.2:1) entwickelt der schwächere der beiden Turbobenziner jetzt 150 kW (204 PS), was 10 kW (14 PS) mehr ist als bisher. Das für den Octavia RS (s. Box) reservierte Topaggregat hat mit 195 kW (265 PS) sogar 15 kW (20 PS) mehr erhalten, muss aber im Gegensatz zur nächstes Jahr folgenden 204-PS-Variante, die Allradantrieb besitzt, mit Frontantrieb auskommen. Plug-in-Hybrid-Varianten gibt es nicht mehr.

Entspanntes Fahrverhalten

Bei der Fahrpräsentation standen uns der 150-PS-Benziner, der gleich starke Diesel und eigentlich auch der 115 PS leistende Einstiegsbenziner (mit Handschaltung) zur Verfügung. Letzterer war allerdings durchweg von Journalisten aus Tschechien besetzt, sodass wir über diesen Antrieb noch nichts Genaues sagen können. Das holen wir nach, denn Skoda Schweiz hat sich tatsächlich dazu entschieden, diese Variante ebenfalls anzubieten. Sie dürfte in der tiefsten Ausstattungslinie Essence mit Preisen um die 30 000 Franken beginnen, das günstigste Modell zum Bestellstart ist der Octavia Selection mit besagter Einstiegsmotorisierung und Doppelkupplungsgetriebe ab 37 000 Franken.

Octavia RS: Mehr Emotionen für Privatkäufer

Viele Skoda Octavia werden in ihrem ersten Lebenszyklus als Firmenfahrzeug genutzt. 2023 belief sich der Flottenanteil auf fast 65 Prozent, nur etwa jeder dritte neue Octavia wurde somit von einer Privatperson gekauft. Deutlich höher lag der Anteil beim emotionaleren Octavia RS: Rund die Hälfte (383) der insgesamt 765 verkauften Sportversionen gingen an Private. Sie können bald das facegeliftete RS-Modell bestellen, das mit 195 kW (265 PS) voraussichtlich im September 2024 zu den Händlern rollt. Übertragen wird die Kraft serienmässig von einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, allerdings nur an die Vorderräder.

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Fotos: Skoda

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